«Lüdi-Zytig» zwischen Buchdeckeln
09.02.2024 Bezirk LiestalNeues Buch zum Wirken und Einfluss der «Basellandschaftlichen Zeitung»
Die Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung» reicht weit zurück. Herausgegeben wurde sie – bis 2010 – von der Familie Lüdin in Liestal. Roger Blum beleuchtet Werdegang, ...
Neues Buch zum Wirken und Einfluss der «Basellandschaftlichen Zeitung»
Die Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung» reicht weit zurück. Herausgegeben wurde sie – bis 2010 – von der Familie Lüdin in Liestal. Roger Blum beleuchtet Werdegang, Wesen und Wirken dieser Zeitung.
Robert Bösiger
Ein Eingeständnis gleich zu Beginn: Roger Blums 460-Seiten-Buch über die «Basellandschaftliche Zeitung» lässt sich nicht einmal ansatzweise in einem einzigen Beitrag gerecht werden. So lesen Sie im Folgenden lediglich Streiflichter.
Die «Patrioten-Zeitung»
Wut und Entschlossenheit: Dies war wohl die primäre Triebfeder, weshalb sich Ende Mai 1854 einige wichtige Baselbieter auf Bad Schauenburg zu einem konspirativen Treffen eingefunden haben. Wütend waren sie, weil die politische Elite des Kantons, zu der sie sich zweifellos rechneten, die Macht verloren hatte. Der Hintergrund: Im Februar 1854 hatte die Bewegungspartei die Landratswahlen gewonnen; der starke Mann der Regierung, Johannes Meyer, wurde quasi aus dem Amt gejagt. Für die politische Elite war dies ein Schock.
Umso entschlossener waren die Männer, die hiesige Zeitungslandschaft umzukrempeln. Denn sie machten die damaligen Blätter dafür verantwortlich, dass die bisher dominierende Ordnungspartei an Einfluss verloren hatte. Gerade auch der «Bundesfreund», von dem sie Unterstützung erwartet hätten, war der Schauenburg-Gruppierung ein Dorn im Auge.
So beschlossen sie, ein neues Organ mit dem Namen «Basellandschaftliche Zeitung» zu gründen. Dazu bildeten sie eine Aktiengesellschaft, für die ein Gründungskomitee ins Leben gerufen wurde – mit dem Arzt und Landratspräsidenten Johann Jakob Matt (Ziefen), dem Arzt Johann Jakob Baader (Gelterkinden), dem Theologen und Landrat Martin Birmann (Rünenberg), dem Schulinspektor Johannes Kettiger (Liestal), dem Gerichtspräsidenten Johannes Bussinger (Gelterkinden), dem Regierungspräsidenten Daniel Bider (Liestal) und dem Gerichtsschreiber Urs Joseph Meyer Arlesheim). Gleichzeitig waren die Männer wild entschlossen, mit der neuen Zeitung die anderen Zeitungen im Kanton zu erdrücken, vor allem den «Bundesfreund».
Dies stellt – stark gekürzt – den Startschuss für die «Basellandschaftliche Zeitung» dar. Noch im gleichen Jahr, am 1. Juli 1854, erschien zum ersten Mal dieses neue Blatt. Trotz anfänglicher Kritik und Kampfansage der anderen Blätter konnte sich das neue Organ im Baselbiet schon bald gut etablieren.
In seinem rund 460 Seiten schweren Buch «Das Blatt der Patrioten» zeichnet der ehemalige Liestaler Journalist und emeritierte Medienprofessor Roger Blum (79) die wechselvolle Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung» (bz) spannend nach. Weil das Blatt seit jeher von der Druckerei Lüdin gedruckt und herausgegeben wurde, erstaunt es nicht, dass die «Basellandschaftliche Zeitung» für viele noch heute die «Lüdi-Zytig» ist, obwohl sie im Jahr 2006 an die AZ Medien von Peter Wanner verkauft wurde und so die Eigenständigkeit aufgab.
Die «Gegen-alles-Zeitung»
Der Autor beleuchtet die bz aus verschiedenen Blickwinkeln und vermittelt so ein rundes und stimmiges Bild dieser für den Kanton Baselland bedeutenden Zeitung. Gleichzeitig stellt er die Zeitung immer auch in den Kontext zu den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Interessant ist auch seine Analyse der Redaktion und deren Selbstverständnis im Zeitablauf.
Die bz, so Blum, sei das «Blatt der Patrioten». So habe sie sich mit der Trennung von Stadt und Landschaft identifiziert und – auch während der diversen Wiedervereinigungsbestrebungen – stets auf die Selbstständigkeit des Baselbiets gepocht. Mehr noch: Die bz sei über all die Jahrzehnte damit aufgefallen, gegen etwas anzukämpfen: «Gegen die Aristokraten, Jesuiten und andere, die den freisinnigen, antiklerikalen Bundesstaat nicht wollen. Gegen die direkte Demokratie. Gegen die internationalistischen Sozialisten und ihre Streiks. Gegen den Totalitarismus und den Imperialismus im Nationalsozialismus. Gegen den Kommunismus …»
Erst in der jüngsten Zeit habe die Zeitung die streng freisinnige Position geöffnet und zunehmend neutral über alle Lager berichtet. Bei den Kommentaren indes sei die bürgerliche Tendenz lange Zeit unangetastet geblieben.
Die «Baselland-first-Zeitung»
Im Zentrum des Interesses sei stets der Kanton Baselland gestanden. Über Basel-Stadt und die Schweiz sei lange entweder gar nicht oder nur mithilfe der Nachrichtenagenturen berichtet, und Basel sei erst vor etwa 40 Jahren wichtiger geworden. Damit trifft die Zeitung offensichtlich den Nerv ihrer Leserschaft, denn die Auflage steigt stetig: von 4200 Exemplaren anno 1896 bis über 26 000 im Jahr 2000. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass die bz durch die Aufgabe der Konkurrenzblätter «Landschäftler» (1964) und «Nordschweiz» (1992) deren Auflage hat «erben» können.
Dennoch: Verlagsleiter und Besitzer Mathis Lüdin musste sich nach der Jahrtausendwende nach einem passenden Partner umsehen. Gemäss Roger Blum führten die höheren Ansprüche des Publikums, die Konkurrenz des Fernsehens, die Verlagerung vieler Werbeanzeigen ins Internet, die gestiegenen Kosten und vor allem wohl auch die veränderte Mediennutzung vor allem jüngerer Menschen dazu, dass er seine Zeitung an den Verleger der AZ Medien, Peter Wanner, verkauft. Und nicht etwa an Matthias Hagemann, dem Verleger der «Basler Zeitung», der das Liestaler Blatt liebend gerne geschluckt hätte.
Die «Polit-Journalismus-Zeitung»
Blums Buch beinhaltet zahlreiche spannende Kapitel und führt uns zurück in ebensolche Jahrzehnte und Geschehnisse. Er zeigt auch, welche Köpfe in Verlagsführung und Redaktion tonangebend waren. Zum Beispiel «Ernst Börlin, der Allseitige» oder «Anton Cleis, der Impulsive». Und selbstredend die Exponentinnen und Exponenten der Familie Lüdin – von Matthias Lüdin (1823–1884) über Hugo Lüdin (1915– 2002) bis hin zu den jüngsten Generationen mit Alex (1943–2008) und aktuell Mathis Lüdin (79). Und selbstverständlich werden auch die drei Chefredaktoren der jüngeren Zeit – Walo Foster, Franz C. Wiedmer und Thomas Dähler – näher vorgestellt.
Besonderes Gewicht misst Roger Blum dem sogenannten Politischen Parallelismus bei. Dieses System umschreibt die Übereinstimmung von Medien mit politischen Ideologien und Organisationen. Für Blum ist Redaktor Ernst Börlin (1905– 1975) der Prototyp für den politischen Parallelismus: Er ist von 1933 bis 1950 Journalist und Politiker zugleich; beide «Jobs» fliessen ineinander über. 1943 wird er Nationalrat, 1944 Landrat und 1950 sogar Regierungsrat. Während er als Milizpolitiker im Nationalrat sitzen konnte, das Mandat also im «Nebenamt» ausübte, ist die Mitgliedschaft in der kantonalen Regierung ein Vollamt. So verlässt er die Redaktion zwangsläufig, pflegt aber nach wie vor einen engen, vertrauten Kontakt zur bz.
Roger Blum, «Das Blatt der Patrioten» – Geschichte der «Basellandschaftlichen Zeitung»; Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel-Landschaft, Band 109; Verlag Baselland, Liestal 2024.
Baselbieter Blätter
• Um die Zeit der Kantonstrennung entstanden in beiden Basel die ersten Zeitungen: In Basel war es 1831 die «Basler Zeitung», in Liestal 1832 «Der unerschrockene Rauracher».
• In Baselland entstanden danach «Der Rechts- und Wahrheitsfreund von Baselland», die «Jura-Blätter», die «Basellandschaftliche Zeitung», das «Basellandschaftliche Wochenblatt», die «Neue Basellandschaftliche Zeitung», der «Ächte Landschäftler» und die «Landschaftliche Zeitung» sowie der «Bundesfreund aus Baselland». Praktisch alle diese Blätter standen treu auf der Seite der Ordnungspartei von Stephan Gutzwiller und Johannes Meyer.
• 1854 wurde die «Basellandschaftliche Zeitung» gegründet, die der politischen Elite der Bewegungspartei eine publizistische Stimme geben wollte. Viele der im 19. und 20. Jahrhundert verbreiteten Zeitungstitel verschwanden wieder von der Bildfläche, unter anderen der «Landschäftler», die «Volkszeitung» (1911–1958), die «Nordschweiz» (1903–1982), die «Neue Basler Zeitung», die «AZ» oder der «Laufentaler Volksfreund».
• 1977 kam es in Basel zur grossen Zeitungsfusion von «National-Zeitung» (1842 gegründet) und «Basler Nachrichten» (gegründet 1844) zur «Basler Zeitung».
• Die «Volksstimme von Baselland» wurde 1882 gegründet; sie hat vor allem im Bezirk Sissach eine starke Stellung.
• Heute sind im Baselbiet noch die «Basellandschaftliche Zeitung» (als Kopfblatt der CH-Medien), die «Basler Zeitung» (als Teil des Zürcher Tamedia-Konzerns) und als einzige noch unabhängige Zeitung im Kanton die «Volksstimme» existent.