Liebs Daagebuech
23.10.2025 PersönlichEs isch Mittwuch und es isch Herbscht. Die Zyyt, wo men in der Manteldäschen alti, verrumpfledi Naasdüechli vom letschte Winter findet. Ich ha bis jetz nur en alten Yychaufszettel gfunde, wo «Eier zum Färben» druff gstanden isch. Die Zyyt, wo alli mol chrank sy. Ich ha ...
Es isch Mittwuch und es isch Herbscht. Die Zyyt, wo men in der Manteldäschen alti, verrumpfledi Naasdüechli vom letschte Winter findet. Ich ha bis jetz nur en alten Yychaufszettel gfunde, wo «Eier zum Färben» druff gstanden isch. Die Zyyt, wo alli mol chrank sy. Ich ha das scho hinter mir und während em Chranksy beschlosse, ass i wett afo Daagebuech schryybe. Aber ich weiss nid so rächt, wie men afot. Dorum bis morn.
Dunnschtig. Liebs Daagebuech, hütt isch wiider e Daag meh vergange, woni der Satz vom Pythagoras nid bruucht ha. Nid ass i dä no genau wüsst. Aber i han en ebben au no nie bruucht. Alli latyynische Wörter vo allne Heilpflanzen us der Drogischte-Lehr hani zwar au no nie bruucht. Obwohl i no guet weiss, ass «Tilia Platyphyllos» Summerlinde heisst. Derfür vergiss ich syt einer Wuche, ass ich e neui Glüehbiire fürs Bad sett chaufe. Ich leg die alt mol in d Handdäschen und fang morn richtig aa mit schryybe.
Fryttig: Hütt hani mir «Gute Laune»- Tee gmacht. Uf der Packig stoht «für deine Energie und inspirierende Momente». Als Inspiration hani sogar no mys alte Daagebuech us myner Jugend füüregholt und gstuunt, was ich dört alles yynegschriibe ha. Über drüü Dääg lang hani zum Byyspiil d Farb vo mym Zeeche beschriibe, wil ich dä sällmol aagschlaage ha. Denn lueg i doch lieber nooche, weli Chrütter als dröchneti Bröösmeli in däm Teebeutel schwimme, wenn sy das scho so inspirierend aapryyse. Summerlinden isch schomol nid derby. Und d Glüehbiire hani wiider vergässe z chaufe. Ich bruuch kei Inspiration, ich bruuch Konzentration.
Samschtig: My Chopf isch voll mit Gedanke. Ich ha drüber noochedänkt, ass me mit ere gschänkten Orchidee eigentlig ganz vill Verantwortig mitschänkt. Wil die zarte Pflänzli nur mit Hilf vo deene chlyyne Chlämmerli chönne stoh und bi Durchzuug d Blüeten abgheie. Guet, bim Praliné schänken irgendwie au, schliesslig cha me die alli an eim Ooben ufässe. Woni my au frog, wohär Choolehydrat eigentlig wüsse, wenn Nacht isch und si eus müesse dick mache?
Sunntig: My Dochter het hütt ihres Handy dehäi vergässen und ich han ihre tatsächlig e Noochricht gschriibe – zum säge, ass ihres Handy do lytt. So wyt isch es mit mir, liebs Daagebuech.
Meentig: Hütt am Morgen isch es so chalt gsi, ass i scho die ganz warm Jaggen us em Chäller gholt ha. Und mir isch in Sinn cho, ass i die no ha welle wäsche – bevor sy in Chäller aabe chunnt. Im Jaggesack hani denn tatsächlig es alts Naasdüechli und es Föif-Euro-Nöötli gfunde. Vo däm Gäld hani hütt denn ändlig e neui Glüehbiire kauft. Jetz muess i numme no dra dänke, die in d Lampen yne z drülle. Villicht hilft do jo der Tee, woni hütt trink. Es stoht «Energie» druff. Und die hani jetz au zum do yneschryybe, liebs Daagebuech.
Marianne Lindner-Köhler, 1981 im Baselbiet geboren und aufgewachsen, lebt mit ihrer Familie in München. Als Mary Long tritt sie auf bayerischen und Schweizer Poetry-Slam- und Kleinkunstbühnen auf.

