Landrats-Vertretung steht auf der Kippe
14.02.2025 BaselbietFünf Jahre lang hat sich die Baselbieter Politik mit einer Stellvertreterlösung für länger abwesende Landräte beschäftigt. Nun scheint das Projekt auf der Zielgeraden zu scheitern: Die Bürgerlichen stellen sich quer.
Janis Erne
...Fünf Jahre lang hat sich die Baselbieter Politik mit einer Stellvertreterlösung für länger abwesende Landräte beschäftigt. Nun scheint das Projekt auf der Zielgeraden zu scheitern: Die Bürgerlichen stellen sich quer.
Janis Erne
Ob gewollt oder ungewollt: In einer langen und emotionalen Debatte redeten die Mitglieder des Baselbieter Parlaments gestern mehrfach aneinander vorbei. Im Kern ging es um die Frage, ob sich Landrätinnen und Landräte bei Krankheit, Unfall oder Mutterschaft während drei bis sechs Monaten von einem Stellvertreter vertreten lassen können. Nach der ersten Lesung zeichnet sich eine bürgerliche Mehrheit gegen eine Stellvertreterlösung und für die Beibehaltung des Status quo ab.
Doch der Reihe nach: Hintergrund der Debatte ist ein Vorstoss der ehemaligen Füllinsdörfer GLP-Landrätin Regula Steinemann aus dem Jahr 2020, die eine Stellvertreterlösung für die zuvor genannten Fälle forderte. Zwei Modelle wurden geprüft: Zum einen, dass ein Fraktionskollege für ein abwesendes Mitglied abstimmt («Super-Landrat»), zum anderen, dass die nächste Person auf der Wahlliste vorübergehend in den Landrat nachrückt. Nach einigem Hin und Her empfahl die zuständige Justiz- und Sicherheitskommission dem Landrat, dem Nachrückmodell zuzustimmen.
So weit, so kompliziert. Doch die Thematik wird noch komplexer, denn während der langen Bearbeitungszeit der Motion Steinemann hat sich auf nationaler Ebene das Gesetz geändert. Parlamentarierinnen (egal ob auf nationaler, kantonaler oder kommunaler Ebene) erhalten seit Sommer 2024 neu auch dann eine Mutterschaftsentschädigung, wenn sie an Parlaments- oder Kommissionssitzungen teilnehmen.
Mit dieser Praxisänderung argumentierten die Bürgerlichen gestern im Landrat. Die Bundeslösung beim Erwerbsersatz genüge, sagte FDP-Landrat Marc Schinzel: «Frauen mit einem Neugeborenen haben die Wahl, ob sie am Parlamentsbetrieb teilnehmen wollen oder nicht. Den Erwerbsersatz erhalten sie so oder so.» Eine kantonale Stellvertreterlösung sei nicht nötig.
Persönliche Betroffenheit
Hier hakte SP-Landrätin Ronja Jansen ein. Sie sagte, es gehe nicht um die finanzielle Entschädigung, sondern darum, dass der Sitz eines abwesenden Landrats nicht über längere Zeit unbesetzt bleiben soll. «Eine Stellvertreterlösung sichert die Parteistärken und damit die kontinuierliche Abbildung des Wählerwillens im Parlament.»
Dafür hatten «Mitte», FDP und SVP jedoch kein Gehör. Die drei Parteien wollen an der nächsten Landratssitzung geschlossen gegen die Einführung einer Stellvertreterregelung stimmen. Sie führten verschiedene Argumente an.
Pascal Ryf («Mitte») sprach von einem «riesigen Aufwand». Dies, weil die Stellvertreterregelung eine Verfassungsänderung und damit eine Volksabstimmung erfordere. Zudem bezeichnete er den Nutzen als gering, da die Stellvertreterregelung nur selten in Anspruch genommen werde und aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung nur wenige Sitzungen betreffe. Zudem, so Marc Schinzel, sei die Stärke der Parteien nie vollständig repräsentiert, da bei jeder Sitzung Landräte fehlten.
Sabine Bucher (GLP) und Flavia Müller (Grüne) widersprachen. Die beiden Landrätinnen sagten, sie wären froh über eine Stellvertreterlösung: Bucher wegen der gesundheitlichen Folgen einer Hirnoperation, Müller, weil sie bald Mutter wird. Die Grünen-Politikerin sagte, bei Müttern sei der Druck gross, möglichst schnell wieder in den Parlamentsbetrieb einzusteigen. Denn sonst fehle der Partei eine Stimme. Bucher stimmte ihr zu: Auch sie spüre eine Verantwortung gegenüber der Partei und der Wählerschaft, im Landrat mitzuarbeiten. Dieses Gefühl stehe im Konflikt mit ihrem Genesungsprozess.
Abstimmen am Computer?
Buchers Appell an ihre Ratskollegen, dass eine Krankheit jeden treffen könne, droht jedoch wirkungslos zu verpuffen. Die Bürgerlichen machten keine Anstalten, von ihrer Position abzurücken. Damit dürften sie in zwei Wochen die Einführung einer Stellvertreterlösung ablehnen.
Eine Entwicklung zeichnet sich dennoch ab: Die «Mitte» zeigte sich offen für eine digitale Sitzungsteilnahme, wie sie Basel-Stadt kürzlich eingeführt hat. Davon könnten Kranke, Verletzte oder Mütter wie die Gelterkinder Grünen-Landrätin Anna-Tina Groelly, die vor wenigen Tagen ihr drittes Kind auf die Welt gebracht hat, zumindest etwas profitieren.