Kommen und Gehen
22.08.2025 PersönlichIm Juli bin ich zum dritten Mal Mutter geworden, und so sind die Tage aktuell nicht nur der Jahreszeit halber lang und die Nächte kurz.
Unser Sohn ist zu Hause zur Welt gekommen und gehört damit zu den rund 1,4 Prozent der Kinder, die dieses Jahr in der Schweiz daheim geboren ...
Im Juli bin ich zum dritten Mal Mutter geworden, und so sind die Tage aktuell nicht nur der Jahreszeit halber lang und die Nächte kurz.
Unser Sohn ist zu Hause zur Welt gekommen und gehört damit zu den rund 1,4 Prozent der Kinder, die dieses Jahr in der Schweiz daheim geboren wurden oder werden. Dazu ist zu bemerken: Abgesehen von massloser Übelkeit hatte ich eine komplikationsfreie Schwangerschaft und es bestand kein Risiko im Hinblick auf die Geburt. Auch bin ich der Meinung, dass die Entscheidung für eine Hausgeburt eine ganz persönliche ist und ich selber habe sie erst beim dritten Kind gefällt und umgesetzt. Die erste Geburt fand im Spital statt, eine Hausgeburt habe ich damals gar nicht in Erwägung gezogen. Sie endete mit einem Kaiserschnitt, weil es ab einem gewissen Punkt nicht mehr vorwärtsging. Das Kind war und ist gesund, ich habe mich schnell erholt und nie mit diesem Umstand gehadert, aber ich bin der festen Überzeugung, dass er in erster Linie auf eine schlechte Betreuung und ein Spital-Umfeld zurückzuführen ist, das mich mehr gestresst als unterstützt hat. Die zweite Geburt hätte in einem Geburtshaus stattfinden sollen. Dieses Mal ging es erst gar nicht richtig los und nach einigen Stunden stellte die Hebamme fest: «Du kannst wahrscheinlich nicht natürlich gebären, wir verlegen dich ins Spital.» Und das war das Beste, was mir passieren konnte, denn dort bin ich einer Frau begegnet, der ich für immer dankbar sein werde. Die diensthabende Hebamme fragte: «Was willst du denn?» Ich sagte: «Eine natürliche Geburt.» Und sie sagte: «Dann machen wir das.» Eineinhalb Stunden später war meine zweite Tochter da. Auf natürlichem Weg, ohne jegliche Komplikationen.
Ich sehe das Leben so, dass wir die Erfahrungen machen, die wir machen müssen – aus welchem Grund auch immer. Dazu gehören diese zwei aus meiner Sicht nicht idealen Geburten, die beide ein gutes Ende hatten. Sie haben mich ermutigt, beim dritten Mal einen anderen Weg zu gehen. Und die dritte Geburt war die mit Abstand ruhigste, schnellste, leichteste und unkomplizierteste von allen. Im Beisein einer weiteren grossartigen Hebamme. Unaufgeregt und friedlich.
Dass unser Sohn daheim zur Welt gekommen ist, war geplant. Dass es im selben Zimmer geschah, in dem vor zwei Jahren meine Grossmutter gestorben ist, hat sich so ergeben. Geburt und Tod sind im wahrsten Sinne des Wortes die existenziellsten Ereignisse im Leben eines Menschen. Und wir leben in einer Gesellschaft in einer Zeit, in der beides weitgehend institutionalisiert und anonymisiert ist. Also in Institutionen stattfindet, steril, betreut von unbekanntem, zufällig diensthabendem Personal. Dass es diese Institutionen gibt, ist ein Segen. Und doch besteht für mich persönlich ein noch grösserer Segen darin, die Lebensübergänge auch ausserhalb dieser Institutionen gestalten zu können. Ohne medizinische Apparate. Ohne Protokolle. Daheim eben – in physischer und menschlicher Hinsicht.
Laura Grazioli, geboren 1985, ist Landwirtin und ehemalige Landrätin. Sie lebt mit ihrer Familie in Sissach.