Kleine Hürden für kleine Parteien
27.09.2024 BaselbietDie Reform des Baselbieter Wahlrechts hat die erste Lesung im Landrat gegen den Widerstand von SVP und FDP überstanden. Auf höhere Hürden für den Einzug von Kleinparteien ins Parlament wurde verzichtet.
tho./sda. Die vorgeschlagene Wahlrechtsreform ...
Die Reform des Baselbieter Wahlrechts hat die erste Lesung im Landrat gegen den Widerstand von SVP und FDP überstanden. Auf höhere Hürden für den Einzug von Kleinparteien ins Parlament wurde verzichtet.
tho./sda. Die vorgeschlagene Wahlrechtsreform für die kantonalen Parlamentswahlen sieht unter anderem die Einführung einer Sperrklausel vor, die den Einzug von Kleinstparteien ins Parlament verhindern soll. Die SVP-Fraktion forderte während der ersten Lesung des Gesetzes, dass eine Parteiliste in einem Wahlkreis mindestens 10 statt wie im Entwurf der Regierung vorgeschlagen 5 Prozent aller dortigen Parteistimmen oder im ganzen Kanton mindestens 5 statt nur 3 Prozent Wähleranteil erreichen muss, um an der Sitzverteilung teilnehmen zu können.
SVP-Fraktionssprecher Martin Karrer (Pfeffingen) argumentierte, dass mit einer Nichtberücksichtigung von «Exotenlisten» mehr Sitzsprünge von einem in einen anderen Wahlkreis abgewendet werden könnten als mit dem ursprüglichen Vorschlag. Damit verhindere man eine unerwünschte Zersplitterung der Parteienlandschaft, meinte ein FDP-Votant.
Dagegen wehrten sich wenig überraschend die kleinen Parteien. Tim Hagmann (GLP, Bottmingen) warf gestern die Frage auf, ob denn die Grünliberalen und die EVP etwa als «exotische Listen» angesehen werden, da eine so hohe Sperrklausel beiden Parteien bei zurückliegenden Wahlen den Einzug ins Parlament verunmöglicht hätte. Andrea Heger (EVP, Hölstein) sagte, dass mit dem von der SVP verlangten Quorum die Macht derer, die ohnehin schon gross sind, ausgeweitet und die Auswahl für die Stimmbürgerinnen und -bürger kleiner werde. Dabei sei eine vielfältige Teilhabe an der Demokratie wichtig, so Heger.
Unterstützung von der SP
Unterstützung bekamen die beiden kleinen Parteien von der SP, obschon diese als grosse Partei durch die Wahlrechtsreform in geringem Umfang Sitze verlieren könnte. Ronja Jansen (Frenkendorf) sagte, es gebe keinen Grund, warum die Stimmen für eine kleine Partei weniger zählen sollten als die für eine grosse. Mit 50 zu 15 Stimmen beziehungsweise mit 62 zu 14 lehnte das Parlament die SVP-Anträge schliesslich ab. Die Freisinnigen stimmten nicht mit der SVP, weil sie die Reform grundsätzlich ablehnen. Die Revision des Gesetzes über die politischen Rechte sieht vor, dass die Landratswahl ab 2027 nach dem Verfahren des kantonsweiten Doppelproporzes – dem sogenannten doppelten Pukelsheim – erfolgen soll, wie dies in Zürich und in zahlreichen anderen Kantonen der Fall ist. Dadurch soll die tatsächliche Stärke der Parteien besser abgebildet werden als mit dem heutigen Wahlsystem.
Zudem sollen Sitzsprünge zwischen den Wahlkreisen, wie sie mit dem 1919 eingeführten Baselbieter Wahlrecht mit unschöner Regelmässigkeit vorkommen, minimiert werden (die «Volksstimme» berichtete mehrfach).
SVP und FDP wehren sich gegen die Reform, da als unlogisch empfundene Sitzsprünge auch weiterhin nicht ganz ausgeschlossen werden könnten. Und der Wählerwille werde mit dem neuen Gesetz nur um 0,5 Prozent besser abgebildet als heute. Die vorgeschlagenen Verbesserungen seien zu gering, um eine teure Wahlrechtsreform zu rechtfertigen.
Waldenburg verliert einen Sitz
Bisher sind dafür Ausgaben von etwas mehr als 80 000 Franken angefallen. Mit der gleichen Argumentation hatte vor zwei Wochen die vorberatende landrätliche Justizkommission beantragt, auf die Reform gar nicht erst einzutreten. Das Parlament sah dies aber deutlich anders.
Der SVP und der FDP wurde von den anderen Parteien unterstellt, sie seien aus Machterhaltungsgründen gegen die Neuerung, da kleine Parteien tendenziell profitieren könnten. Insbesondere die FDP bestritt dies: Gemäss Simulationsrechnung hätte die Partei keinen Sitzverlust zu befürchten. Die Freisinnigen brachten aber noch ein weiteres Argument in die Diskussion ein: Das Oberbaselbiet werde zugunsten des bevölkerungsmässig stärker wachsenden Unterbaselbiets geschwächt, was nicht wünschenswert sei. Tatsächlich dürfte mit der Reform einer der sechs Sitze aus dem Wahlkreis Waldenburg in die Agglomeration abwandern. SVP-Fraktionschef Markus Graf (Maisprach) stellte die Behauptung auf, dass die SP das neue Wahlgesetz genau aus diesem Grund unterstütze: Es gehe ganz offensichtlich darum, einen eher bürgerlichen Sitz vom Land in die links-grün wählende Agglomeration zu verschieben.
Nach einer zweiten Lesung nach den Herbstferien wird das Parlament abschliessend über diese Reform abstimmen und diese voraussichtlich gutheissen. Das letzte Wort wird dann die Baselbieter Stimmbevölkerung an der Urne haben.