Keine Amnestie für Stephan Stör
09.05.2025 RegionBasel und die Landschaft im Bauernkriegsjahr 1525 (Teil 2 von 2)
Der Liestaler Pfarrer Stephan Stör versuchte im Mai 1525 heimlich, ein Bündnis zwischen unzufriedenen Städtern und Landschäftlern zu vermitteln. Seine unabgesprochene Aktion erwies sich umgehend als ...
Basel und die Landschaft im Bauernkriegsjahr 1525 (Teil 2 von 2)
Der Liestaler Pfarrer Stephan Stör versuchte im Mai 1525 heimlich, ein Bündnis zwischen unzufriedenen Städtern und Landschäftlern zu vermitteln. Seine unabgesprochene Aktion erwies sich umgehend als kontraproduktiv. Stör musste fliehen und durfte nie mehr ins Baselbiet zurück.
Martin Stohler
Stephan Stör stammte aus dem thurgauischen Diessenhofen. 1503 studierte er in Tübingen und dürfte kurz darauf die Priesterweihe erhalten haben. 1506 setzte er sein Studium in Basel fort und erwarb 1509 die Magisterwürde. Während seines Basler Studiums lernte er Ulrich Zwingli kennen, der damals ebenfalls in Basel studierte. Stör wurde wohl um 1512 als Leutpriester, also als Pfarrer einer Gemeinde, nach Liestal berufen. Dort lebte er mit seiner Haushälterin mehr als zehn Jahre im Konkubinat. Nachdem ihm beim Studium der Bibel klar geworden war, «dass nichts göttlicher, ehrenhafter und der Seele nützlicher sei als ein recht geführter Ehestand», entschloss er sich, seine langjährige Haushälterin und Lebensgefährtin zu heiraten. Dies teilte er im November 1523 im Beisein seiner künftigen Ehefrau und ihrer Kinder dem Liestaler Gemeinderat mit. Der öffentliche Kirchgang fand im Januar 1524 statt – «nicht ohne grosse Freude und Wohlgefallen der Gemeindemitglieder zu Liestal».
Darauf wurde Stör vom zuständigen Domkapitel in Basel als Priester abgesetzt. Auf Bitten des Liestaler Rates und seiner Gemeinde gestattete die Basler Regierung Stör, seine Eheschliessung in einer Disputation zu rechtfertigen. Die Disputation fand am 16. Februar 1524 statt. Störs Thesen über die Priesterehe blieben unwidersprochen. Vertreter des Domkapitels oder des Bischofs waren dem Anlass allerdings ferngeblieben. Seine Liestaler Pfarrstelle bekam Stör nicht zurück.
Die Spannung steigt
Angesichts des Bauernkriegs in Süddeutschland und im Elsass nahmen Ende April, Anfang Mai 1525 die Spannungen auf der Basler Landschaft, aber auch innerhalb der Stadt zu.
Stör zeigte in jenen Tagen ein widersprüchliches Verhalten. Einerseits rief er an den beiden Versammlungen vom 2. und 3. Mai in Liestal dazu auf, sich darauf zu beschränken, die Basler Regierung untertänigst zu bitten, die Abgabenlast zu verringern. Andererseits verfasste er am Abend des 2. Mai einen Brief, der ihn in den Augen der Basler Regierung zum Hochverräter machte.
Rekapitulieren wir hier kurz die Ereignisse: Am 30. April wurden die Klöster Olsberg und Schönthal geplündert. Am 1. Mai verschaffte man sich in Liestal Zugang zum Domherrenwein im Pfrundkeller. In Basel ging unterdessen das Gerücht um, mehrere Hundert Evangelische beabsichtigten, die Klöster, zuerst das Frauenkloster an der Steinen, zu überfallen und den ganzen Klerus auszuplündern. Manche Frauenklöster waren den städtischen Webern ganz besonders ein Dorn im Auge, weil sie ihnen durch billige Handarbeit Konkurrenz machten.
Am 2. Mai kamen Bauern aus den umliegenden Orten nach Liestal. Ohne den Segen des Liestaler Rates führten sie eine Protestversammlung durch. Diese wählte den Liestaler Heine Soder zu ihrem Sprecher.
In seiner Rede sagte Soder, es gehe darum, die Regierung zu bitten, die Abgaben zu erlassen, «die den armen Mann auf dem Lande drückten». Zudem wies er darauf hin, dass die Basler in den Zünften «fast noch mehr beschwert seien». Soder riet, mit den Zünften Kontakt aufzunehmen, um die Beschwerden gemeinsam bei der Regierung vorzubringen. Ein formeller Beschluss blieb aus, aber man schwor, zueinander zu halten.
Ein verhängnisvoller Brief
Stephan Stör machte sich anschliessend daran, ohne dass ihm jemand dazu einen Auftrag erteilt hatte, einen entsprechenden Brief aufzusetzen. Das Schreiben richtete sich an «unsere lieben und getreuen Brüder, Gemeinen von allen Zünften der Stadt Basel». Ihnen wurde zunächst mitgeteilt, dass sich in Liestal Vertreter aller Ämter zusammengefunden hätten, um «unseren gnädigen Herren Oberherren» ihre Anliegen allerdemütigst vorzubringen. Dies in der Hoffnung, eine gnädige Antwort, wie es sich für christliche Herren gebühre, zu erhalten. In einem nächsten Schritt kam der Brief auf die gemeinsamen Interessen zu sprechen. Man wisse, «dass ihr in der Stadt nicht weniger als wir auf dem Land von Abgaben belastet seid». Dann folgte das Angebot, gemeinsame Sache zu machen. Damit verbunden war das Versprechen, «unser Leben, Gut, Lyb und alles so wir sind, zu ych zu setzen».
Mit diesem Schreiben lehnte sich Stephan Stör weit aus dem Fenster. Ziel war es, zusammen mit den Unzufriedenen in der Stadt die Regierung unter Druck zu setzen. Dabei erweckte der Privatbrief den Anschein, dass es sich um ein offizielles Schreiben der Baselbieter Bauern handle, was nicht zutraf. Die Bauernversammlung vom 2. Mai, bei der hauptsächlich Vertreter aus den Ämtern Liestal und Farnsburg anwesend waren, hatte keinen Beschluss gefasst, den Zünften ein solches Angebot zu machen.
Flucht und Verbannung
Den Brief mochte in Basel vonseiten der Unzufriedenen niemand entgegennehmen; die Regierung gelangte rasch in seinen Besitz und ergriff Massnahmen, um die Kontrolle über die Stadt zu behalten. In Liestal gingen die Beratungen der Bauern und die Gespräche mit den Gesandten der Regierung unterdessen weiter, ohne dass definitive Entscheide gefasst worden wären. Da zog ein Trommler durchs Städtchen und rief zum Marsch nach Basel auf. Dort fand man die Tore verschlossen. Und als die Abgesandten der Regierung den Bauern Störs Brief zur Kenntnis brachten, distanzierten sich diese vom Inhalt des Schreibens.
In der Folge liessen sich die Bauern auf ein eidgenössisches Vermittlungsverfahren ein.
Die Abkommen, welche die verschiedenen Ämter mit der Basler Regierung aushandelten, enthielten auch eine Amnestie für die Teilnehmer der Revolte. Ausdrücklich ausgenommen davon war Stephan Stör. Dieser war auf den Rat seiner Freunde bereits am 7. Mai aus Liestal geflohen. Lange hörte man nichts mehr von ihm. Da tauchte er im Januar 1526 in Strassburg auf. Auf Betreiben Basels liess ihn der Strassburger Rat verhaften und verhören. Wohl im April kam Stör zum grossen Ärger der Basler Regierung wieder frei. Er musste allerdings schwören, die Städte und Bistümer Strassburg und Basel bei Strafe der Ertränkung nicht wieder zu betreten.
Neben Stör war von der Amnestie von 1525 noch eine zweite Person ausgenommen worden, nämlich der Trommler, der am 3. Mai durch Liestal gezogen war und zum Marsch nach Basel aufgerufen hatte. Seine Identität scheint allerdings nie geklärt worden zu sein.
Teil 1 zum Bauernkrieg («Statt Blut vergossen Wein getrunken») ist am Freitag, 2. Mai, erschienen.
Basel und die Kämpfe im Elsass
sto. Anders als im Elsass und in Süddeutschland war der Bauernkrieg von 1525 auf der Basler Landschaft ein unblutiges Ereignis. Bei näherer Betrachtung kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die Baselbieter Bauern seien mehr an den klösterlichen und domherrlichen Weinkellern interessiert gewesen als daran, die Konfrontation mit der Obrigkeit zu suchen und eine entsprechende Strategie auszuarbeiten.
Im Elsass nahm die Auseinandersetzung zwischen den Bauern und ihrer Obrigkeit rasch gewalttätige Formen an. Dabei befanden sich die Bauern zunächst auf dem Vormarsch. Die Vertretung der österreichischen Regierung mit Sitz in Ensisheim, der wenige Soldtruppen zur Verfügung standen, musste praktisch zusehen, wie von den kleinen Städten eine nach der anderen sich den Bauern ergab. Neben den Untertanen Österreichs und jenen der unter Österreichs Schutz stehenden Adligen und Geistlichen revoltierten auch die Bauern des Abtes von Murbach und des Bischofs von Strassburg.
Der Wind drehte sich jedoch, als Herzog Anton von Lothringen mit einem starken Söldnerheer zu einem Vernichtungskrieg gegen die Rebellen heranrückte. Am 16. Mai erlitten die Bauern des unteren und mittleren Elsass bei Lupfstein eine blutige Niederlage. Tags darauf richteten die Söldner des Herzogs nach der Kapitulation der Stadt Zabern (Saverne) ein riesiges Blutbad an und schlachteten Tausende «Ketzer» ab. Am 20. Mai schliesslich erlitten die Bauern bei Scherweiler eine weitere Niederlage. Der Triumph auf dem Schlachtfeld erwies sich allerdings als Pyrrhussieg für den Herzog. Von den 8000 Bauern blieb zwar die Hälfte tot auf dem Schlachtfeld. Doch der Herzog verlor 500 seiner Söldner und den Hauptmann seiner Reiterei. Darauf kehrte er nach Nancy zurück und überliess es anderen, den Aufstand im Sundgau niederzuwerfen.
Die Bauern im Elsass, auch jene im Sundgau, hätten die Eidgenossen gerne als Verbündete gehabt. Sie mussten aber rasch zur Kenntnis nehmen, dass die Eidgenossen lediglich bereit waren, als Vermittler zu wirken. Insbesondere in Basel war die Bereitschaft dazu gross. Die Stadt hatte alles Interesse, dass im Elsass wieder Ruhe einkehrte. Denn zum einen war das Elsass die Kornkammer für Basel, zum anderen hatte die Stadt dort auch einigen Besitz.
Der Vermittlerrolle der Eidgenossen begegneten die Fürsten und Herren nicht ohne Misstrauen. Solange sie sich in Bedrängnis durch die Bauern sahen, kamen ihnen die Eidgenossen als Vermittler gelegen. Als sich dann das Blatt wendete, waren ihnen die Vermittler lästig.
Anfang September war der Widerstand der Sundgauer und Breisgauer Bauern weitgehend gebrochen. Mit dem Offenburger Vertrag vom 18. September akzeptierten sie ihre Niederlage und die ihnen auferlegten Strafen. Insbesondere in den österreichischen Gebieten konnten die Bauern nicht auf Fairness zählen. In den Worten des Basler Historikers Paul Burckhardt: «Bald begannen die berüchtigten Strafgerichte von Ensisheim. Überall streiften Reiter umher und fahndeten auf ‹Rädelsführer›. Schuldige und Unschuldige wurden in grosser Zahl geköpft und gehenkt, so dass die Entrüstung über das Wüten der Regenten und Adligen auch von denen geteilt wurde, die sonst den Bauern feindlich gesinnt waren.»