Jubiläum nicht auf dem Schirm
31.10.2024 BaselbietDie 800-Jahr-Feierlichkeiten von Sissach von 2025 beruhen auf derselben Urkunde wie die Dorffeste von Arboldswil, Lampenberg, Läufelfingen und Tenniken 2026. Im Dokument sind sieben weitere Baselbieter Gemeinden erstmals erwähnt – einige sind sich des Jubiläums nicht ...
Die 800-Jahr-Feierlichkeiten von Sissach von 2025 beruhen auf derselben Urkunde wie die Dorffeste von Arboldswil, Lampenberg, Läufelfingen und Tenniken 2026. Im Dokument sind sieben weitere Baselbieter Gemeinden erstmals erwähnt – einige sind sich des Jubiläums nicht bewusst.
Christian Horisberger
Raclette oder Steak mit Pommes in den Scheunen im Ortszentrum, Päcklifischen und Kinderkarussell beim Sportplatz, Festreden und Konzerte auf der Bühne beim Dorfplatz. Dazu Helikopterrundflüge, Marktstände und eine Lotterie mit einem Auto als Hauptpreis: So oder ähnlich sieht das Programm aus, wenn eine Gemeinde ein Dorffest veranstaltet. 2026 werden gleich vier Gemeinden im oberen Kantonsteil – Läufelfingen, Tenniken, Arboldswil und Lampenberg – zu einem Dorffest einladen, um im grossen Stil ihren 800. Geburtstag zu feiern. Ein weiteres Geburtstagskind ist Ziefen, doch hat die Gemeinde die Festivitäten auf unbestimmte Zeit verschoben. Es soll erst gefeiert werden, wenn die Ortskernentwicklung und die Schulraumerweiterung abgeschlossen sind.
Diese Häufung von 800-Jahre-Jubiläen ist kein Zufall: Die fünf Dörfer sind im selben Dokument erstmals erwähnt worden. Dabei handelt es sich um eine Urkunde, in der Bischof Heinrich von Basel dem Benediktinerkloster Schöntal bei Langenbruck den Besitz von Gütern und Rechten bestätigt. Das in Latein abgefasste Dokument sei auf Bitten der Grafen Ludwig und Hermann von Frohburg ausgestellt worden, die als Verwalter des Klosters in weltlichen Belangen auftraten. Bis 1226 hatte sich der Besitz an Gütern und Nutzungsrechten insgesamt über 49 Dörfer beidseits des Juras ausgedehnt. So oder ähnlich wird die Erstnennung in den Heimatkunden und auf den Websites der genannten und sieben weiterer Baselbieter Gemeinden beschrieben. Denn auch Sissach, Kilchberg, Itingen, Hersberg, Muttenz, Liestal und Benken (1972 mit Biel fusioniert) sind in jenem Schriftstück erstmals erwähnt worden.
Datiert ist die Urkunde, die sich im Staatsarchiv Basel-Stadt befindet, aufs Jahr 1226. Wobei es nach heutigem Kalender auch schon 1225 gewesen sein könnte: Die bischöfliche Kanzlei datierte damals nach dem Weihnachtsstil, bei dem das neue Jahr am Weihnachtstag begann. Die Urkunde kann somit zwischen dem 25. Dezember 1225 und dem 24. Dezember 1226 entstanden sein. Sissach hat als einzige Gemeinde entschieden, ihr Jubiläum bereits 2025 zu begehen. Laut Gemeinderat Robert Bösiger habe man das kommende Jahr gewählt, um gleichzeitig den 500. Geburtstag der reformierten Kirche St. Jakob – fertiggestellt anno 1525 – feiern zu können.
Gemeinderäte überrumpelt
Wie gehen die weiteren in der Urkunde erwähnten Gemeinden mit dem Jubiläum um? Wann feiern sie? Wie feiern sie? Feiern sie überhaupt? Die «Volksstimme» hat nachgefragt – und damit einige Gemeinderatsmitglieder überrumpelt.
In Itingen, Hersberg und Kilchberg hatte niemand das nahende Jubiläum auf dem Schirm. «Wir werden uns im Gemeinderat darüber Gedanken machen», sagt die überraschte Kilchberger Gemeinderätin Karin Güdel. Auch Pascal Wiget, Gemeindepräsident von Hersberg, und dessen Itinger Amtskollege Martin Mundwiler wollen die «Neuigkeit» zügig in den Gemeinderat bringen und beraten, ob und in welcher Form das Jubiläum begangen werden soll. «Anlässe sind immer etwas Schönes», sagt Wiget, «in einer kleinen Gemeinde wie unserer muss man aber auch berücksichtigen, was in einem vernünftigen Rahmen machbar ist.» Mundwiler scheint vom Gedanken an eine Feier durchaus angetan: «Es müsste ja nicht ein dreitägiges Dorffest wie 2014 sein.» Dafür wäre auch die verbleibende Vorbereitungszeit etwas knapp, so der Itinger Präsident.
Für Liestal ist die Situation speziell: Bereits 1989 feierte das «Stedtli» sein 800-jähriges Bestehen. Die Urkunde, auf der das Jubiläum fusste, stellte sich im Nachhinein aber als Fälschung heraus, wie aus einer Übersicht der Ersterwähnungen von Baselbieter Gemeinden des Staatsarchivs Baselland von 2006 hervorgeht. Somit gilt auch für Liestal das Schriftstück des Klosters Schöntal. Damit konfrontiert, sagt der Liestaler Stadtpräsident Daniel Spinnler mit einem Augenzwinkern: «In meiner Geschichtsschreibung bleibt es beim Jahr 1189. Eine Wappenscheibe in meinem Büro, überreicht 1989 von der Baselbieter Regierung zur Liestaler 800-Jahr-Feier, ist der physische Beweis dafür.» Tatsächlich war sich auch der Stadtpräsident des nahenden Jubiläums nicht bewusst. Er werde sich mit lokalen Historikern verständigen, um Klarheit zu bekommen, sagt er.
Ob mit oder ohne weitere Festivitäten – im Sommer 2026 wird im Oberbaselbiet zünftig gefeiert. Innerhalb eines Monats werden vier Dorffeste stattfinden. Den Reigen eröffnen wird Arboldswil (7. bis 9. August). Es folgen Tenniken (21. bis 23. August), Läufelfingen (28. bis 30. August) und schliesslich Lampenberg am 5. und 6. September.
800 Laternen für Tenniken
Über die Dorffest-Pläne von Arboldswil, Läufelfingen und Lampenberg hat die «Volksstimme» bereits berichtet. Nach bereits einjähriger Planung konkretisiert sich auch in Tenniken, wie sich die Gemeinde, die Dorfvereine und die Bevölkerung ihren Gästen präsentieren wollen: mit Beizen in herausgeputzten Scheunen und auf Hausplätzen, mit kulturellen Darbietungen auf einer zentralen Bühne, Marktständen und einem reichhaltigen Programm für Kinder. Das Ganze kompakt im Dorfzentrum. Beim Unterhaltungsangebot lege das OK Wert darauf, dass Talente aus dem Dorf zum Zug kommen, sagt Severine Martinez, die für die Events zuständig ist. Zusätzlich sollen auch externe Acts verpflichtet werden.
Der Rückhalt fürs Dorffest ist laut Martinez gross. Eine Informationsveranstaltung im September sei gut besucht gewesen: «Die meisten Dorfvereine sind an Bord, ebenso die Schule und auch Private.» Mit Letzteren meint Martinez unter anderem Hausbesitzende im Dorfzentrum, die ihre Scheunen und Hausplätze für die Beizen zur Verfügung stellen. Oder all die Frauen, die sich bereit erklärt haben, an der bunten Lichterkette mitzuwirken, die sich übers ganze Festareal ziehen soll. Diese soll aus insgesamt 800 gehäkelten, 20 bis 30 cm grossen Laternen mit LED-Leuchtmitteln bestehen. Während des Festes sollen die Laternen das Dorf erhellen und hinterher, so die Idee, erworben werden können.
Mit dem Erlös aus dem Dorffest soll der Spielplatz beim Schulhaus Seematt erneuert und mit Bäumen beschattet werden. Aktuell sind die spielenden Kinder der prallen Sonne ausgesetzt; im Hochsommer ist ein Aufenthalt dort oft alles andere als ein Genuss. Der Spatenstich zur Spielplatzerneuerung soll im Herbst 2026 erfolgen. Nach einem Fasnachtsfeuer zur Einstimmung und dem Dorffest wäre dies der dritte und letzte Event im Rahmen des Jubiläums.