«Jetzt habe ich Zeit, um im Garten zu jäten»
30.07.2024 Bezirk Sissach, Maisprach, PolitikCaroline Weiss gibt ihr Präsidialamt nach vier Jahren weiter
Als erste Frau nahm Caroline Weiss Nyfeler vor 20 Jahren Einsitz im Maispracher Gemeinderat. 16 Jahre später übernahm sie das Präsidialamt, das sie Ende Juni weitergegeben hat. Nun schaut sie auf ihre ...
Caroline Weiss gibt ihr Präsidialamt nach vier Jahren weiter
Als erste Frau nahm Caroline Weiss Nyfeler vor 20 Jahren Einsitz im Maispracher Gemeinderat. 16 Jahre später übernahm sie das Präsidialamt, das sie Ende Juni weitergegeben hat. Nun schaut sie auf ihre Arbeiten mit den Fricktalern, ihre Highlights und die Entwicklung des Dorfes zurück.
Luana Güntert
Manchmal passieren Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat. Und die eigentlich nicht in den eigenen Aufgabenbereich fallen. Weil es mit dem klar definierten Aufgabengebiet bei einer Gemeindepräsidentin aber so eine Sache ist, klingelte eines Nachts bei Caroline Weiss Nyfeler das Telefon. Sie müsse sofort los, flehte der Anrufer in den Hörer. Seine Frau brauche jemanden, der sie ins Spital fahre, da sie in den Wehen liege und das bestellte Taxi einfach nicht komme.
Es ist eine von vielen Anekdoten, die Caroline Weiss Nyfeler sofort einfällt, wenn sie an ihre Zeit als Maispracher Gemeindepräsidentin zurückdenkt. Sie muss lachen, wenn sie erzählt, wie sie damals mit den werdenden Eltern und deren dreijähriger Tochter auf dem Rücksitz aufs Pedal trat, nach Basel raste und im verwinkelten Unispital erst beim zweiten Anlauf die richtige Station fand, wo kurz danach eine junge Maispracherin das Licht der Welt erblickte.
Nicht geplant war auch Weiss Nyfelers Einsitz im Maispracher Gemeinderat, den sie in den letzten vier Jahren präsidierte. Die gebürtige Baslerin kam mit ihrer Familie vor 28 Jahren ins Weindorf, weil ihr Mann in Kaiseraugst arbeitete und sich im nahen Maisprach die Gelegenheit bot, Land zu kaufen und ein Haus zu bauen. Nach ihrem Zuzug wurde Weiss Nyfeler schnell vom Frauenverein angefragt, ob sie das Präsidium übernehmen wolle. Sie sagte zu, nachdem sie zuvor dem Frauenchor mangels Gesangstalent eine Absage erteilen musste.
Bald darauf folgte die nächste Anfrage – ob sie als erste Frau in den Gemeinderat von Maisprach einziehen wolle. «Ich dachte, mich kennt hier sowieso keiner», sagt sie. Doch das Wahlergebnis zeigte etwas anderes. «Das kam überraschend», sagt sie. Die 66-Jährige stimmte damals nicht nur ihrer Spontaneität wegen der Wahl zu: In Maisprach gab es keine Ortsparteien – das kam ihr gelegen. «Klar weiss man, wer in etwa welche Gesinnung hat», sagt sie. Parteibüchlein wären störend gewesen. «Ich habe meine Meinungen, die von links bis rechts gehen, je nach Thema. Da will ich mich nicht einschränken.» Deshalb sei es für sie auch nie infrage gekommen, grössere politische Schritte zu gehen, obwohl sie auch für eine Kandidatur als Landrätin Anfragen erhalten habe.
«Das war auch nicht geplant»
Weiss Nyfeler wurde 2020 in stiller Wahl ins Präsidium gewählt und ist so nicht nur Maisprachs erste Gemeinderätin, sondern sass auch als erste Frau «oben am Tisch». In ihren 20 Jahren im Gemeinderat hatte sie stets die Ressorts Sozialwesen, Gesundheitswesen und Sport unter sich. Dass sie heuer nicht mehr kandidierte, hatte auch familiäre Gründe: «Meinem Mann hat mein Amt schon länger nicht mehr gefallen», sagt sie und lacht. Da sie ein Jahr zuvor beruflich in Pension gegangen war, kam der Zeitpunkt gelegen. Aber mit Vorbehalt: «Ich hätte gerne noch laufende Projekte abgeschlossen. Aber als Gemeindepräsidentin ist man sowieso nie mit allem fertig. Und nach 20 Jahren ist es einfach Zeit für einen Wechsel».
Apropos Beruf: Trotz ihres Amts und ihrer Rolle als Mutter von zwei heute erwachsenen Töchtern ging Weiss Nyfeler auch einem Beruf nach. Nach der Latein-Matur studierte sie Physik und Mathematik im Hauptfach. «Eigentlich wollte ich Astronomie studieren. Davon wurde mir aber abgeraten, da es nur alle paar Jahre einen Astronomen braucht.» Es wurde also nur im Nebenfach Astronomie. Es folgte der Besuch des Lehrerseminars. «Ich wollte mir die Möglichkeit offen lassen, unterrichten zu dürfen.» Ein weiser Entscheid.
Ihre erste Anstellung bekam Weiss Nyfeler beim Bankverein, der einen Physiker gesucht hat. «Ich habe mich als Physikerin gemeldet und den Job bekommen», sagt sie. Vor ihrer Tätigkeit sei sie Banken gegenüber jedoch skeptisch gewesen. «Als junge Person war ich eher sozial eingestellt und hatte keine Ahnung von Finanzwirtschaft», erinnert sie sich. Der Beruf war für sie dann aber sehr spannend. Sie war in der Abteilung tätig, die mit Modellen das Risiko der Bank analysierte. Nach der Geburt ihrer Kinder reduzierte sie jeweils das Arbeitspensum. Als erste Frau beim Bankverein wurde sie schliesslich mit einem 50-Prozent-Pensum ins Direktionskader befördert.
Nach der Fusion der beiden Grossbanken zur UBS wurden die Informatiksysteme des «Corporate Controlling» auf eine gemeinsame Plattform migriert und die Risikoauswertungen vereinheitlicht. Weiss Nyfelers Stelle wurde dadurch gestrichen und sie verliess die Bank. Als auch die jüngere Tochter die Primarschule abgeschlossen hatte, nahm sie an der Berufsmaturitätsschule der AGS in Basel ein kleines Pensum als Mathematiklehrerin an. Von Jahr zu Jahr unterrichtete sie mehr Stunden und übernahm dann sogar gemeinsam mit einem Kollegen den Fachvorstand Mathematik. «Das war auch alles nicht geplant. Trotzdem war es sehr bereichernd und eine tolle Zeit.»
Das Dorf am Sonnenberg
Die Zusammenarbeit in der Maispracher Exekutive nahm Weiss Nyfeler kooperativ und kollegial wahr. Auch die Einwohnerinnen und Einwohner seien herzliche Menschen und anerkennen den Einsatz für das Dorf. «An den Gemeindeversammlungen gab es schon Diskussionen, aber es ging meist gesittet zu und her», sagt sie – auch, weil es in Maisprach nur wenige «hitzige» Themen zu besprechen gab. Eine Ausnahme bot die Einführung von Tempo 30 auf Gemeindestrassen und anschliessend auf der Kantonsstrasse Richtung Möhlin, wo es emotional zu und her ging. «Da fand ich: Das ist nicht mehr typisch Maisprach.»
Als Maispracher Gemeindepräsidentin fand Weiss Nyfeler eine im Oberbaselbiet ungewöhnliche Situation vor: die Zusammenarbeit mit den Aargauern. Als Nachbargemeinde von Möhlin, Magden und Zeiningen werden die Abfallbewirtschaftung, der Zivilschutz, die Spitex und die Feuerwehr gemeinsam betrieben. Maispracher Schüler können auch die «Bez» in Rheinfelden besuchen und die Kreisschule Buus-Maisprach bezieht Logopädie-Dienstleistungen aus dem Fricktal. Gemeinsam engagiert man sich für den Unterhalt des Sonnenberg-Turms. Möhlin wollte vor einigen Jahren die Strasse über den Sonnenberg schliessen – was für Maisprach und Magden fatal gewesen wäre. Die Fricktaler haben dann aber Geld in die Hand genommen und die Strasse saniert, was die Verbindung zwischen den «Sonnenberg-Gemeinden» gestärkt habe.
So schön die 66-Jährige diese kantonal übergreifende Zusammenarbeit findet, so mühsam konnten gewisse Konstellationen sein. So blieb Maisprach bei den Diskussionen um die Regionenbildung auf den Karten der bestehenden Verbünde oft einfach weiss, da nur die Zusammenarbeit innerhalb des Kantons dargestellt wurde. Bei der Bildung der Versorgungsregion für Altersbetreuung und Pflege war Maisprach eine der vier Gründergemeinden von «Farnsberg Plus». Dies sei so gekommen, da das Weindorf in der Spitex mit Magden zusammenarbeitet, was Weiss Nyfeler unbedingt so beibehalten wollte. «Es ergibt ja keinen Sinn, dass die Spitex aus Gelterkinden bis hierher kommt, wenn wir im Nachbardorf eine haben.» Die vorliegende Lösung mit elf Gemeinden erlaube eine bessere Mitsprache für Maisprach.
Ab aufs E-Mountainbike
Trotz ihres intensiven Amts konnte Weiss Nyfeler Familie und Gemeinderat klar trennen. «Wir haben beim Nachtessen nicht über Gemeinde-Angelegenheiten diskutiert.» Ihr Mann «Rolli» habe sich rausgehalten und kam auch nie an von ihr geleitete Gemeindeversammlungen.
Auch wenn sich Weiss Nyfeler bewusst dafür entschieden hat, ihr Amt weiterzugeben, wird sie es vermissen. «Am meisten den Kontakt mit anderen Menschen», erklärt sie. Auch die Vielfältigkeit an Themen, mit denen sich eine Gemeindepräsidentin befassen muss, wird ihr fehlen, und «dass immer etwas läuft». Sie hat ein wenig Respekt vor der Zeit, in der sie nicht mehr «up to date» sein wird. In der Bank und in der Schule war sie, was die Digitalisierung betrifft, immer auf dem neusten Stand. Auch in Maisprach ging in ihrer Amtszeit technisch sehr viel. «Früher musste man immer ins Gemeindehaus, um die Unterlagen zu studieren. Heute läuft alles online ab», sagt sie. Um trotzdem am Ball zu bleiben, hat sie sich vorgenommen, sich in «ChatGPT» einzuarbeiten, da sie bis jetzt noch keinen Kontakt mit KI hatte.
Langweilig wird der ehemaligen Gemeindepräsidentin nicht. In ihrer neu gewonnenen Freizeit will sie wieder sportlicher werden und mit ihrem Mann Mountainbike-Touren durchs Baselbiet oder im Bündnerland – sie haben eine Ferienwohnung in Lenzerheide – unternehmen. Auch reisen, lesen, kulturelle Anlässe besuchen und sich mit ihrer Mutter der Ahnenforschung widmen stehen auf dem Plan. «Und ich möchte unbedingt wieder einmal in den Zolli. Ich war schon seit Jahren nicht mehr dort.» Bevor sich Weiss Nyfeler aber den positiven Seiten des Rentnerinnen-Daseins widmen kann, wartet Arbeit auf sie: «Ich muss dringend mal intensiv jäten. Das Unkraut in unserem Garten wuchert fürchterlich, und da muss ich mich darum kümmern.»
«Ich rate, nicht alles gleichzeitig machen zu wollen»
Frau Weiss Nyfeler, was waren Ihre persönlichen Highlights im Amt?
Caroline Weiss Nyfeler: Das erste Highlight erlebte ich noch als Gemeinderätin: die 800-Jahre-Maisprach-Feier 2006. Weiter war auch die 1.-August-Feier nach dem ersten Lockdown eindrücklich. Ganz speziell ist auch die Beleuchtungssteuerung der Hauptstrasse. Wenn man nachts ins Dorf hineinfährt, geht ein Licht nach dem anderen an – das ist, als würde man auf einem fremden Planeten landen (lacht).
Welche Ziele haben Sie erreicht?
Ich bin sehr froh, dass wir die Kita und die Kreisschule im zweiten Anlauf realisieren konnten.
Welche Projekte hätten Sie gerne noch abgeschlossen?
Den Radweg zwischen Buus und Maisprach, damit die Kinder mit dem Velo zur Schule fahren können. Auch das Liegenschaftskonzept hätte ich gerne weiter begleitet. Wir wollen im Gemeindezentrum betreutes Wohnen und vielleicht sogar Pflegewohnungen anbieten.
Wie sehen Sie das Maisprach der Zukunft?
Aktuell leben im Dorf nicht so viele Kinder, doch ich bin überzeugt, dass sich das ändern wird. Dies, weil es im Wohngebiet Richtung Magden bald einen Generationenwechsel geben wird und Familien mit Kindern die Häuser übernehmen werden. Dieser Prozess hat schon begonnen.
Welchen Rat geben Sie Ihrem Nachfolger Dorian Wernli?
Dorian ist sehr aktiv. Man kann als Gemeindepräsident viel bewegen, und man will viele Ideen unterstützen, doch der Zeitaufwand ist enorm. Ich nahm zum Beispiel nie an kantonalen, regionalen und trinationalen Anlässen teil, da das meine Zeit nicht zugelassen hätte. Zudem zeigt die Erfahrung, dass es auch Überraschungen gibt. Ich rate ihm also, nicht alles gleichzeitig machen zu wollen.
Ihr Vorgänger, Paul Spänhauer, sagte vor vier Jahren, dass er Ihnen nicht reinreden will. Hat er sich daran gehalten?
Ja (lacht).