«Inklusion basiert auf Chancengleichheit»
17.05.2024 Bezirk Liestal, LausenDie Institution Räbhof feiert im Juni ihr 30-jähriges Bestehen
Die Stiftung Basel-Olsberg für Menschen mit einer Behinderung führt seit 1994 die Institution Räbhof in Lausen. Sie bietet Menschen mit einer Beeinträchtigung moderne Wohn- und ...
Die Institution Räbhof feiert im Juni ihr 30-jähriges Bestehen
Die Stiftung Basel-Olsberg für Menschen mit einer Behinderung führt seit 1994 die Institution Räbhof in Lausen. Sie bietet Menschen mit einer Beeinträchtigung moderne Wohn- und Arbeitsplätze sowie eine abwechslungsreiche Tagesstruktur. Bald wird das 30-Jahre-Jubiläum gefeiert.
Sander van Riemsdijk
«Wir glauben daran, dass jeder Mensch das Recht hat, sein Leben so zu führen, wie es seinen Wünschen, Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht», sagt Emanuel Scheidegger, der seit zwei Monaten Geschäftsführer des «Räbhofs» ist. Dies ganz im Sinne der Inklusion («jeder Mensch gehört dazu»).
In der schmucken Institution im Herzen des Dorfs Lausen und als Teil der 1989 gegründeten Stiftung Basel-Olsberg, wohnen 26 Menschen mit einer kognitiven und körperlichen Beeinträchtigung unterschiedlichen Alters und werden in einem strukturierten und abwechslungsreichen Alltag betreut und auf ihrem Lebensweg begleitet.
Inklusion als Grundgedanke
Im Sinne des Grundgedankens der Institution ist es Emanuel Scheidegger ein grosses Anliegen, die Menschen mit einer Behinderung nicht nur im «Räbhof», sondern allgemein als gleichberechtigt und selbstbestimmt am Wohn-, Arbeits- und Gesellschaftsleben teilhaben zu lassen. «Inklusion basiert auf Chancengleichheit», sagt er erläuternd. «Wir waren eine der ersten Institutionen schweizweit, die sich bereits seit Mitte der 90er-Jahre für die Inklusion von Menschen mit einer Behinderung einsetzten.» Im «Räbhof» wird diese Chancengleichheit auf der Wohn- und Arbeitsebene nicht nur umgesetzt, sondern auch vorgelebt. «Auch heute gelten wir noch als innovativ, was die Begleitung von Menschen mit einer Beeinträchtigung betrifft», so Emanuel Scheidegger.
Ambulante Tagesstruktur
In der Institution, die im Rahmen des traditionellen Räbhoffestes am 21. Juni ihr 30-jähriges Bestehen feiern kann, stehen den Bewohnenden und Mitarbeitenden mit IV-Rente – abgestuft auf ihre Fähigkeiten und dem Grad der Selbstständigkeit – drei verschiedene Wohnformen zur Verfügung: Betreutes Wohnen, teilbetreutes Wohnen und ambulante Wohnbegleitung. Neu im Betreuungsangebot bietet sie im Rahmen eines Pilotprojekts seit Februar dieses Jahres auch eine sogenannte ambulante Tagesstruktur an. Emanuel Scheidegger: «Die Betreuung in einem niederschwelligen Setting findet innerhalb einer Tagesstruktur statt. Das sind unsere Arbeitsplätze. Die Betreuung kann aber auch durchaus einen Spaziergang beinhalten.» Die ambulante Tagesstruktur ist so etwas wie die Integration des zweiten Arbeitsmarkts in den ersten.
Ein Angebot für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit IV-Rente im Rahmen der ambulanten Tagesbetreuung ist die Liaison mit der Spielweltenfabrik in Liestal. Hier werden Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, die zurzeit von drei Menschen aus dem «Räbhof» in Anspruch genommen werden.
Passende Arbeitsstelle
Die Arbeit ist ein wichtiger Teil unseres Lebens, auch für Menschen mit einer Behinderung. Diese möchten in der Regel auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein und dort ihre Fähigkeiten zeigen. Nur ist dies für eine berufliche Inklusion, welche die Institution zwar nach Möglichkeit fördert, um den Menschen bei der Entfaltung ihres Potenzials zu helfen, oft eine (zu) grosse Herausforderung. Der «Räbhof» bietet zusammen mit den institutionsinternen zentralen Diensten und in ihrem Atelier sowie dem Laden «Mosaik» in Liestal insgesamt 36 Arbeitsplätze in Teilzeit an, sowohl für ihre kognitiv beeinträchtigten Bewohnenden als auch für Auswärtige. Die Erzeugnisse, die im Kreativ-Atelier sowie im Werk-Atelier hergestellt werden, können im Laden «Mosaik» in Liestal erstanden werden.
Gelungene Integration im Dorf
Die demografische Entwicklung in der Gesellschaft macht auch vor der Institution Räbhof nicht Halt. Der Altersdurchschnitt im betreuten Wohnen liegt momentan bei rund 50 Jahren. «Solange die Ressourcen der Menschen auch in hohem Alter erhalten bleiben oder sogar noch ausgebaut werden können, ist dies kein Problem», sagt Emanuel Scheidegger. Im Lausen werden die Menschen mit einer Behinderung aus dem «Räbhof» im öffentlichen Raum wahrgenommen und sind gesellschaftlich gut integriert. Scheidegger macht diese Feststellung an den Begegnungen beim Einkaufen, beim Coiffeurbesuch, am Bahnhof oder einfach spontan bei einem Spaziergang durch das Dorf fest.
In diesem Sinne wird die Institution – einen Tag nach ihrem eigenen Räbhoffest mit Jubiläumscharakter – am traditionellen Lausner Unterdorffest mit einer «Räbhof-Olympiade» teilnehmen. Diese Teilhabe ist ein weiterer wichtiger Schritt in die fortschreitende gesellschaftliche Verankerung der Inklusion, die vom «Räbhof» als wichtiger Wert für ein selbstbestimmtes Leben anerkannt und fortschrittlich gelebt wird.
Zur Person
svr. Emanuel Scheidegger ist 34 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist wohnhaft in Lausen und ist seit neun Jahren bei der Institution Räbhof angestellt, davon seit zwei Monaten als Geschäftsführer. Er hat die Ausbildung EMBA (Executive Master of Business Administration) absolviert.
Ein Blick zurück
svr. Vor bald 40 Jahren, in einer Zeit, als viele Institutionen für Menschen mit einer Behinderung entstanden, hatte Beat Thommen eine Vision: Die damals zum Teil schwierigen Zustände in diesen Heimen und die Abgeschiedenheit solcher Einrichtungen veranlassten ihn, eine Stiftung zu gründen. Ziel: Integration und Teilhabe der Menschen mit einer Behinderung am gesellschaftlichen Leben. Nach einem langen Prozess mit vielen engagierten Beteiligten konnte im Jahr 1994 schliesslich der «Räbhof» eingeweiht werden. Beat Thommen war bis vor Kurzem – bis zu seinem altersbedingten Rückzug - Geschäftsführer des «Räbhofs».