«Indirekter Zwang» bei Kita-Finanzierung?
25.07.2025 BaselbietDie Gemeinden wollen keine neuen Vorgaben vom Kanton
Seit drei Jahren verhandelt der Kanton mit den Gemeinden über einen Gegenvorschlag zur Kita-Initiative der SP. Der Regierungsrat versprach einen substanziellen Beitrag, will diesen aber an Bedingungen knüpfen, was die ...
Die Gemeinden wollen keine neuen Vorgaben vom Kanton
Seit drei Jahren verhandelt der Kanton mit den Gemeinden über einen Gegenvorschlag zur Kita-Initiative der SP. Der Regierungsrat versprach einen substanziellen Beitrag, will diesen aber an Bedingungen knüpfen, was die Gemeinden ablehnen.
Nikolaos Schär
Seit der Kanton Basel-Stadt seine Kita-Subventionen massiv erhöht hat, wächst der Druck auf die Agglomerations- und Zentrumsgemeinden des Baselbiets: Höhere Löhne in der Stadt führen zur Abwanderung von Fachpersonal, Kitas im Landkanton klagen über Fachkräftemangel – von Schliessungen war die Rede.
Der Regierungsrat stellte angesichts der SP-Initiative für eine kostenlose Kinderbetreuung einen Gegenvorschlag in Aussicht, der eine substanzielle Beteiligung des Kantons vorsieht. Denn die Forderungen der Initiative würden laut Finanzdirektion jährliche Mehrausgaben von 172 Millionen Franken verursachen – für den Kanton kaum finanzierbar.
Unter der Federführung von Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer (SP) nahm die Regierung bereits 2022 Verhandlungen mit den Gemeinden auf. Diese sind bisher allein verantwortlich für die Subventionierung von Kita-Plätzen, Tagesfamilien und schulergänzender Betreuung. Die finanzielle Unterstützung erfolgt über Betreuungsgutscheine, abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Haushalte.
Nur: Ein grosser Teil des Mittelstands profitiert kaum davon – wer keinen Anspruch hat, bezahlt für einen Vollzeit-Betreuungsplatz rund 2500 Franken im Monat aus der eigenen Tasche.
Nach drei Jahren keine Einigung
Nun äussert der Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) in einem Newsletter seine Unzufriedenheit mit dem Vorschlag des Kantons. Vorgesehen war, dass dieser einen Sockelbeitrag von 25 Prozent der Betreuungskosten übernimmt – einkommensunabhängig. Die Gemeinden sollten ihr Subventionsmodell beibehalten. Doch kurz vor Abschluss der Verhandlungen stellte die Regierung neue Bedingungen für die Auszahlung des Kantonsbeitrags.
Um zu verhindern, dass Gemeinden ihre Beiträge kürzen, sobald sich der Kanton an den Betreuungskosten beteiligt, verständigten sich Regierung und Gemeinden auf einen minimalen und maximalen Beitragssatz: Bei einem steuerbaren Haushaltseinkommen von 45 000 Franken sollen die Gemeinden 95 Prozent der Betreuungskosten übernehmen. Die obere Einkommensgrenze für eine Anspruchsberechtigung soll bei 165 000 Franken liegen.
Nach einer letzten Klausur des Regierungsrats forderte dieser, dass die Gemeindereglemente hinsichtlich gewisser Parameter angepasst werden müssen. An einer ausserordentlichen Tagsatzung entschieden sich daraufhin 86 Prozent der Gemeinden gegen neue Vorgaben des Kantons.
Die Gemeinden bestehen weiterhin auf ihren flexibel ausgestalteten Reglementen, die bei der Berechnung der Anspruchsberechtigung unter anderem Faktoren wie Vermögen, Kinderzahl oder Abzüge einbeziehen. In der Mitteilung des VBLG heisst es: «Weitere Vorgaben sind aus Sicht der Gemeinden nicht nötig und schränken deren Autonomie ein.» Weiter ist von einem «indirekten Zwang» durch den Kanton die Rede.
In vielen Gemeindereglementen liegt die Einkommensgrenze für Subventionen heute bei 100 000 bis 120 000 Franken. Kleinere Gemeinden dürften diesen Schwellenwert beibehalten – was eine flache Kurve erzeugen würde. Anspruchsberechtigte mit unterschiedlichen Einkommen bekämen den gleichen Betrag. VBLG-Präsidentin und FDP-Landrätin Nadine Jermann sagt, dass man vom neuen Vorschlag der Regierung überrascht worden sei. Die damit verbundenen Vorgaben würden Anpassungen der Gemeindereglemente bedeuten, verzögerten ausserdem die Umsetzung der Vorlage. «Mit dem Kompromiss der beiden Eckwerte wäre die Vorlage schnell umsetzbar», sagt Jermann. Ohne neue Vorgaben würden Erziehungsberechtigte nach der Umsetzung sofort den kantonalen Sockelbetrag erhalten.
Die Sicherheitsdirektion wollte sich auf Anfrage der «Volksstimme» nicht zu den Vorwürfen äussern.Obwohl der VBLG betont, weiter an einem Gegenvorschlag interessiert zu sein und auf ein «Einlenken des Regierungsrats» hofft, übt er Druck aus: «Wenn die Regierung schon Vorgaben machen will, dann soll sie dazu stehen und die Gemeindereglemente mittels Gesetzen direkt übersteuern.»
Die Regierung hatte Ende 2024 angekündigt, die Vorlage diesen Herbst in den Landrat zu bringen – nachdem das Parlament die Frist für den Gegenvorschlag bereits einmal verlängert hatte. Vom Initiativkomitee der SP dürfte ein weiterer Aufschub kaum akzeptiert werden. Das Baselbiet belegt im interkantonalen Vergleich zur Finanzierung der familienergänzenden Betreuung derzeit einen der hintersten Ränge. Schweizer erklärte im Dezember, man wolle ins Mittelfeld aufrücken. Der Sockelbeitrag von 25 Prozent dürfte den Kanton konservativ geschätzt rund 30 Millionen Franken jährlich kosten – ohne Berücksichtigung möglicher Mehrnutzung durch attraktivere Konditionen.
Die Vorlage wird ohne die Zustimmung des VBLG und damit ohne den VAGS-Stempel («Verfassungsauftrag Gemeindestärkung») in den Landrat kommen. Das dürfte ihre politische Unterstützung schwächen – obwohl eine stärkere Subventionierung der Kita-Plätze bis in die politische Mitte hinein Sympathien geniesst. Eine bezahlbare Kinderbetreuung wird zunehmend als Standortfaktor für gut qualifizierte Arbeitskräfte wahrgenommen.