«Immer positiv denken und handeln»
03.10.2024 NiederdorfAlt Bundesrat Adolf Ogi zu Gast im Alterszentrum Gritt
Auch wenn seine Zeit im Bundesrat fast ein Vierteljahrhundert her ist, begeistert Adolf Ogi noch heute. Der Kandersteger war zu Gast an einem Podiumsgespräch im «Gritt» und unterhielt die Besucher mit seinen ...
Alt Bundesrat Adolf Ogi zu Gast im Alterszentrum Gritt
Auch wenn seine Zeit im Bundesrat fast ein Vierteljahrhundert her ist, begeistert Adolf Ogi noch heute. Der Kandersteger war zu Gast an einem Podiumsgespräch im «Gritt» und unterhielt die Besucher mit seinen Erzählungen. Zum Beispiel von einer Fahrt in einem alten Volvo in Frankreich.
André Frauchiger
Er kam, sah und siegte: Adolf Ogi ist nach wie vor ein Meister des rhetorischen Fachs. Der 1942 in Kandersteg geborene Alt-Bundesrat ist als Erzähler nach wie vor beeindruckend. Er weiss Ernsthaftes in Spass und Witz zu verpacken, sodass er trotz zum Teil pointierter Äusserungen niemandem ernsthaft «an den Karren fährt».
Ogi war zu Besuch im Seniorenzentrum Gritt in Niederdorf. Sein Auftritt an einer Podiumsveranstaltung hat zweifellos Spuren hinterlassen. Spuren der Begeisterung der meist älteren Besucherinnen und Besucher. Zum Schluss erhielt er im voll besetzten Saal verdientermassen einen Riesenapplaus.
«Dienen ist die Devise»
Doch der Reihe nach: Auf dem Podium, das als «Grittstube» eingerichtet war, stimmte Zentrumsleiter Stephan Hall auf seinen prominenten Gast ein. Ogi habe es sich im Bundesrat zum Ziel gesetzt, zu «dienen, wo er könne, aber niemandem zur Last zu fallen». Dies ziehe sich wie ein roter Faden durch seine Karriere.
Ogi war von 1987 bis 2000 Mitglied des Bundesrats, dazu Bundespräsident in den Jahren 1993 und 2000. Auch sein letztes grosses Amt nach dem Rücktritt aus dem Bundesrat – UNO-Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden – entsprach seinem Willen und Talent.
Was hat Ogi in seiner Jugend geprägt? Er zögert nicht lange mit einer Antwort: sein Vater gleichen Vornamens. Und, fügt er später an, auch seine Mutter Anna. Sein Vater war Förster, Bergführer, Gemeinderat und -präsident, Präsident der Schulkommission und Gemeindekassier.
Sohn Adolf konnte seinen Vater schon in jungen Jahren auf Bergtouren begleiten. Sein ausgesprochen fürsorglicher Vater habe ihn gelehrt, «immer positiv zu denken und zu handeln». Der Vater verdiente als Bergführer genügend, um seinem Sohn nach der Primarschule drei Jahre Handelsschule in La Neuveville am Bielersee zu finanzieren, damit dieser die Kultur der Romands kennenlernen und auch Französisch lernen konnte. Ebenso ermöglichte er ihm einen Kurs an der Swiss Mercantile School in London. In der Nähe von Liverpool absolvierte Adolf Ogi junior in der Folge ein Praktikum im Textilunternehmen eines deutschen Industriellen, den sein Vater vom Wandern kannte.
1964 kam Ogi dann zum Skisportverband. Die Olympischen Winterspiele des gleichen Jahres seien eine Katastrophe gewesen – «es hat keine einzige Schweizer Medaille gegeben», erzählt Ogi. Das Chaos sei gross gewesen. Erst 1972 in Sapporo habe es dann auch wieder Goldmedaillen gegeben. 1975 folgte die Beförderung Adolf Ogis zum Direktor des Verbands. 1981 trat er von diesem Posten zurück und übernahm bei Intersport Schweiz den Job als Generaldirektor.
Gespräch und Vertrauen
Adolf Ogi hielt im Gespräch mit Hall mehrfach fest, er habe gelernt, seine Gegenüber in Politik und Wirtschaft «im Gespräch zu überzeugen und Vertrauen aufzubauen».
Amüsantes konnte er aus seiner Bundesratszeit erzählen: Zum Beispiel habe er sich in seiner Funktion als Energieminister mit seinen westeuropäischen Kollegen an einer Konferenz in der Nähe von Paris getroffen. Der damalige französische Staatspräsident François Mitterrand habe davon Wind bekommen, dass der Schweizer Bundespräsident in Frankreich weilt, und habe ihn telefonisch eingeladen, ihn sofort im Elyséepalast in Paris zu besuchen. Gesagt, getan: Es konnte jedoch nur ein älterer Volvo aufgetrieben werden.
Beim Eintreffen vor dem Palast hätten der Staatspräsident und die Mitglieder seiner Ehrengarde ihren Augen nicht getraut – der Schweizer Bundespräsident mit vielen Mitarbeitern «zusammengequetscht» in einem Auto! Das folgende Gespräch mit Mitterrand habe trotzdem ganze 90 Minuten gedauert.
Beim Gegenbesuch Mitterrands in der Schweiz habe er dem Staatspräsidenten dann aus dem Helikopter einzelne Ortschaften des Emmentals vorgestellt. Beim Empfang im bürgerlichen Emmental sei es ihm, Ogi, sogar gelungen, unter den Gemeindebehörden einen Sozialisten zu finden – sehr zur Freude des französischen Präsidenten.
Beim Empfang des chinesischen Staatschefs Jiang Zemin 1999 in Bern ist es Ogi beim Bankett gelungen, einen politischen Eklat zu verhindern: Als Tischnachbar verhinderte Ogi, dass der Gast das Bankett verliess. Er hielt ihn einfach fest und drückte ihn auf seinen Stuhl. Grund: Jiang Zemin musste irrtümlich zwei Mal um den grossen Tisch gehen, bis er seinen Stuhl gefunden hatte. Deshalb war er beleidigt. Ogi konnte ihn mit einem Geschenk aus seinem Heimatort besänftigen: einem schönen Kristall, den er bei sich hatte.
YB-Ärger
Ogi hat immer einen kleinen Kristall in der Hosentasche. Als Glücksbringer sozusagen. Und er ist stolz auf seine Auszeichnungen, darunter mehrere Ehrendoktortitel. Er ist unter anderem auch Ehrenpräsident der Swiss Olympic Association, der Organisation Green Cross International und der eigenen Stiftung «Freude herrscht». Letztgenannte wurde nach dem Tod seines Sohnes Mathias 2009 – er wurde nur 35 Jahre alt – von Freunden und Bekannten des Sohnes 2011 gegründet. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Kinder mit Events für sportliche Aktivitäten zu begeistern.
Die beiden «Gritt»-Bewohnerinnen Rosemary Hachen und Rosemarie Buser sowie die Lernenden Tabea Bürgi und Ramona Tschopp erhielten die Gelegenheit, sich vorzustellen und sich mit Adolf Ogi auszutauschen. Dabei verriet Ogi zwei Dinge, über die er sich ärgert: Dass die Krankenkassenprämien für das nächste Jahr wieder steigen und so zur grossen finanziellen Belastung führen, und dass sich die Berner Young Boys zurzeit nicht gerade auf Erfolgsspur befinden.