Im Auftrag der Dokumentation
04.12.2025 Bezirk LiestalJeannette Rauschert leitet das Staatsarchiv Baselland
Seit April 2021 ist die gebürtige Aargauerin Jeannette Rauschert Staatsarchivarin des Kantons Baselland. Ihr Berufsumfeld wandelt sich stark. Die Kernaufgabe sowie ihr Engagement dafür bleiben aber stets gleich.
...Jeannette Rauschert leitet das Staatsarchiv Baselland
Seit April 2021 ist die gebürtige Aargauerin Jeannette Rauschert Staatsarchivarin des Kantons Baselland. Ihr Berufsumfeld wandelt sich stark. Die Kernaufgabe sowie ihr Engagement dafür bleiben aber stets gleich.
Tobias Gfeller
Im Besucherbereich des Staatsarchivs an der Wiedenhubstrasse in Liestal entlang der Bahntrasse herrscht an diesem Nachmittag eine ruhige Arbeitsatmosphäre. Zwei jüngere Personen durchforsten Dokumente, ein älteres Paar führt ein vereinbartes Gespräch mit zwei Mitarbeitenden.
«Unsere Kundinnen und Kunden sind vielfältig und kommen aus den unterschiedlichsten Gründen hierher», antwortet Staatsarchivarin Jeannette Rauschert auf die Frage, was Private ohne berufliches Interesse dazu bewegt, ins Staatsarchiv zu kommen. Oftmals gehe es um Dokumente aus dem eigenen Leben, die man nicht mehr hat, aber nötig sind, um persönliche Rechte wahrnehmen zu können, oder um Informationen zur eigenen Herkunft und Lebensgeschichte.
In den vergangenen Jahren kamen überdurchschnittlich viele Anfragen zu fürsorglichen Zwangsmassnahmen auf das Staatsarchiv zu. Jeannette Rauschert nahm sich dieser häufig bedrückenden Lebensgeschichten als Leiterin selber an. «Mir ist es ein Anliegen, allen Menschen, die zu uns kommen, auf Augenhöhe zu begegnen», erklärt die Baselbieter Staatsarchivarin eine ihrer Grundprinzipien.
Bei der Recherche gehen die Mitarbeitenden im elektronischen Katalog von Anhaltspunkt zu Anhaltspunkt vor. Die analogen Archivbestände mit
einer Länge von 20 000 Laufmetern (siehe Kasten) befinden sich im Sockelbau und im Untergeschoss des mondänen Gebäudes.
Kantonsfusion, Corona, Esaf …
Nicht immer könne das Staatsarchiv bei einer Anfrage helfen. «Früher waren die Sensibilität und das Bewusstsein für die Bedeutung von gewissen Dokumenten noch nicht so ausgereift wie heutzutage», sagt Rauschert. Auch sei es jeweils schwierig einzuschätzen, was in Zukunft gesellschaftlich bedeutsam werden könnte. Der Grossteil der Dokumente stammt von der Kantonsverwaltung. Im engen Austausch mit den Verwaltungsstellen ent
scheidet das Staatsarchiv, welche Unterlagen für die Nachwelt archiviert werden.
Bei allen Themen sei es jeweils ein Abwägen, ob Dokumente davon archiviert werden. Das letzte Wort dabei hat Jeannette Rauschert als Staatsarchivarin. «Die Dokumente müssen eine gewisse überregionale Bedeutung haben.» In den vergangenen Jahren wurden unter anderem Dokumente der Corona-Pandemie, des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes (Esaf) 2022 in Pratteln, von grösseren Hochwasserereignissen, der gescheiterten Abstimmung über die Kantonsfusion und der Gruppe «Rettet die Rütihard» in Muttenz archiviert. Da Gemeinden selber auch Archive führen, sei es nicht nötig, rein kommunale Themen im kantonalen Staatsarchiv aufzubewahren.
Jeannette Rauschert ist in Birmenstorf im Kanton Aargau aufgewachsen. Mittlerweile lebt sie «zwischen Basel und Zürich», wie sie selber sagt. Rauschert übernahm im April 2021 von Regula Nebiker die Leitung des Staatsarchivs Baselland. Zuvor arbeitete die Historikerin als stellvertretende Staatsarchivarin beim Kanton Aargau. «Wenn man mir als Studentin gesagt hätte, dass ich mal in einem Staatsarchiv arbeiten werde, hätte ich wohl nur gelacht.»
Nach dem abgeschlossenen Studium arbeitete Jeannette Rauschert als Forscherin und Lehrbeauftragte am Departement Geschichte der Universität Basel. Immer mehr verspürte sie den Drang, ihr Wissen vermehrt im Interesse der Öffentlichkeit einzusetzen. Die Arbeit beim Staatsarchiv bezeichnet Rauschert als «interessante Schnittstellenfunktion zwischen Verwaltung, Forschung und Bevölkerung».
Sie lerne noch heute jeden Tag etwas dazu. «Als Historikerin kenne
ich den Wert von Informationen und Dokumenten, die eine Relevanz entwickeln können. Die Überlieferungsbildung des Kantons ist essenziell.» Staatsarchive würden eindrücklich zeigen, wie sich die Medien der Dokumente gewandelt haben. Die Digitalisierung sei demnach auch eine der aktuell grössten Herausforderungen des Staatsarchivs.
Archiv soll vergrössert werden
Das Staatsarchiv Baselland sei diesbezüglich sehr ambitiös unterwegs, lobt Rauschert auch ihre Vorgänger. Als eines der ersten Staatsarchive der Schweiz eröffnete es 2021 einen digitalen Lesesaal (memory.bl.ch), um die Nutzung von öffentlichen Daten ortsunabhängig und rund und die Uhr zu gewährleisten.
Als Staatsarchivarin muss Rauschert den Medienwandel mitgestalten und dafür sorgen, dass sämtliche Dokumente auch für die nächsten Generationen gesichert werden und benutzbar bleiben. Weil das Ende des papierenen Zeitalters nicht so schnell vonstatten ging wie 2007 beim Neubau gedacht, besteht aktuell ein Engpass bei den Archivmagazinen. Der Baselbieter Landrat stimmte vergangene Woche mit 80:1 Stimmen einem Investitionskredit von 5,26 Millionen Franken zu, mit dem das Staatsarchiv in wenigen Jahren baulich erweitert und die Archivmagazine unverzüglich erweitert werden können.
Für Jeannette Rauschert ist klar: «Auch wenn sich die Dokumente und damit die Systeme und Prozesse ändern, die Kernaufgaben des Staatsarchivs bleiben die gleichen.»
20 000 Laufmeter analog, 34 Terabyte digital
gfe. Jeannette Rauschert bezeichnet das Staatsarchiv Baselland im schweizweiten Vergleich als «mittelgrosses Archiv». Eine Spezialität rührt noch von der Kantonstrennung 1832/33 her. Teile der Baselbieter Geschichte befinden sich im Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt.
«Bei der Archivteilung gab es Streit», erinnert sich Rauschert. Dokumente als Beweisstücke für Legitimität seien gerade auch unter den damals herrschenden Verhältnissen von grosser Bedeutung gewesen.
Das Staatsarchiv Baselland ist mit zwölf Mitarbeitenden personell schlank aufgestellt. Zu den 20 000 Laufmetern an analogen Archivbeständen gesellen sich mittlerweile 34 Terabyte an digitalen Archivbeständen. Jährlich nimmt das Staatsarchiv 600 Laufmeter an Dokumenten an. 1,2 Millionen Daten erschliessen die Archivbestände. Online sind 252 000 Erschliessungsdaten und 116 000 Archiveinheiten nutzbar. Das Staatsarchiv leistet rund 4000 Dienstleistungen für Verwaltung und Private im Jahr.


