Ich war einmal ein T-Shirt
30.07.2024 Bezirk Sissach, OltingenZweites Leben für gebrauchte Kleider
Seit 2020 dient der Mühleraum in der Oberen Mühle unter der Bezeichnung «Offener Kleiderkasten» als Ort, an dem gut erhaltene Kleider getauscht werden können. Textilien, die übrig bleiben, werden seit Kurzem zu ...
Zweites Leben für gebrauchte Kleider
Seit 2020 dient der Mühleraum in der Oberen Mühle unter der Bezeichnung «Offener Kleiderkasten» als Ort, an dem gut erhaltene Kleider getauscht werden können. Textilien, die übrig bleiben, werden seit Kurzem zu Teppichen und Körben verarbeitet.
Brigitte Keller
Der Name «Offener Kleiderkasten» kann durchaus wörtlich genommen werden: Die Secondhandkleider im Mühleraum werden in offenen Kleiderschränken und an Kleiderstangen präsentiert. Interessierte Kinder und Erwachsene können sich dort täglich von 9 bis 18 Uhr umschauen und in aller Ruhe anprobieren, wie zu Hause vor dem eigenen Kleiderschrank. Die Dorfbevölkerung macht längst regen Gebrauch von der Möglichkeit, nicht mehr gebrauchte Kleidung vorbeizubringen und vielleicht etwas Passendes von jemand anderem mitzunehmen.
Auch die Gäste der Ferienwohnung schauen sich gerne das Angebot an, ebenso Besucherinnen und Besucher des gegenüberliegenden Restaurants Ochsen und auch zufällig vorbeigehende Wanderer. «Gross und Klein, vom Bébé bis zur Grossmutter, lieben es, hier reinzuschauen und das eine oder andere Stück anzuprobieren», sagt Gabriela Keller dazu, die zusammen mit Jenni Keel die Verantwortung für den Betrieb innehat. Secondhandkleider zu tragen mache Sinn und sei mittlerweile richtig «in Mode», fügt Keller weiter an. «Wer will, kann etwas ins Kässeli legen, aber es geht mehr um den Tausch: Wer etwas bringt, kann etwas mitnehmen und umgekehrt.»
Kleidungsstücke, die keinen neuen Träger finden, werden nach Möglichkeit an karitative Organisationen gespendet oder seit Neustem – wie die kleine Ausstellung zeigt – in Eigenregie zu neuen Gebrauchsgegenständen verarbeitet. Die Idee dazu hatten Thekla Michel und Rahel Schelker, Vorstandsmitglieder der Genossenschaft Obere Mühle, vor rund zwei Jahren. «Ich habe wahnsinnig Mühe mit dem Verschleiss an Materialien. Man kennt ja die Bilder beispielsweise aus Afrika, wo sich Berge von Altkleidern aus westlichen Ländern zum Entsorgen auftürmen», sagt Michel. Es widerstrebte ihr je länger, je mehr, die übrig gebliebenen Textilien einfach in die Kleidersammlung zu entsorgen.
Ideen, was man stattdessen mit den Altkleidern machen könnte, waren gefragt. Als erstes wurden Körbe gehäkelt aus Stoffstreifen, die aus zerschnittenen T-Shirts stammen. Dank der Mithilfe einer fleissigen Helferin aus dem Dorf entstanden so beispielsweise auch über vierzig Kissen, die bei Veranstaltungen zum Einsatz kommen. Neben dem bunten Bild, das sich dadurch den Gästen bietet, gewähren die Kissen mit ihrer Füllung aus – ebenfalls wiederverwendeter – Schafwolle auch bequemes Sitzen.
Alles reine Handarbeit
Gut und recht sei das gewesen, aber damit konnten noch keine grossen Mengen an Altkleidern wiederverwertet werden. «Toll wären Teppiche», sagten sich Michel und Schelker, «denn gerade ältere Leute kennen das noch gut und berichteten von ihren Müttern, die auch ‹Flicken› gesammelt und daraus Teppiche hergestellt haben.» Und so entschlossen sich die beiden Frauen, den Webkurs im Ebenrain, der bis vor Kurzem noch angeboten wurde, zu besuchen. «Und dann kauften wir einen Webstuhl.»
Auf diesem Occasion-Webstuhl werden seither regelmässig Teppiche gewoben. Ein paar Exemplare sind bis zum 18. August täglich in der kleinen Ausstellung «Ich war einmal ein T-Shirt» im Mühleraum zu sehen und zu erwerben. Es können auch Teppiche in Wunschfarben und -grössen in Auftrag gegeben werden. Mit einem zweiten Webstuhl, der mittlerweile ebenfalls ins Atelier der Oberen Mühle eingezogen ist, können Teppiche bis zu einer Breite von 140 Zentimetern angefertigt werden.
Alles geschieht in reiner Handarbeit. Insbesondere das Zerteilen der Kleider in Stoffstreifen brauche sehr viel Geduld und Zeit. Dafür nimmt man gerne die Hilfe weiterer Helferinnen und Helfer in Anspruch. Daraus habe sich ein regelmässiges Treffen jeweils an den Dienstagnachmittagen ergeben. Neben dem Arbeiten, dem Austausch und dem Geselligen wird nebenbei noch das alte Handwerk gepflegt und der Umgang mit einem Webstuhl erhalten. «Das Ganze ist offen, man kann kommen, wenn man Lust hat, und wiederkommen, wenn es einem gefallen hat», erklärt Thekla Michel. Vielleicht bekommt jemand gar Lust, selber einen Teppich zu weben?
Kleine Ausstellung im «Offenen Kleiderkasten», Mühleraum, Oltingen. www.oberemühleoltingen.ch