«Ich bin mit dem Erreichten zufrieden»
30.12.2025 BaselbietRegierungsrätin Monica Gschwind blickt auf ihre Amtszeit zurück
Nach zehn Jahren im Amt tritt Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP) Ende Jahr zurück. Im Interview spricht sie über ihren Leistungsausweis in der Bildungspolitik, die Kultur und darüber, welcher ...
Regierungsrätin Monica Gschwind blickt auf ihre Amtszeit zurück
Nach zehn Jahren im Amt tritt Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP) Ende Jahr zurück. Im Interview spricht sie über ihren Leistungsausweis in der Bildungspolitik, die Kultur und darüber, welcher Sportler sie besonders beeindruckt hat.
Janis Erne
Frau Gschwind, welche Schulnote würden Sie Ihrer Amtszeit geben?
Normalerweise benotet man sich ja nicht selbst (schmunzelt). Ich habe jedoch in der «Volksstimme» einen Kommentar eines Journalisten gelesen, in dem meine Arbeit als gut und solide gewürdigt wurde. Das freut mich – ich teile diese Einschätzung.
In Ihrer Rücktrittsrede im Landrat haben Sie gesagt, Sie hätten alle Ihre Ziele erreicht. Gibt es nichts, das besser hätte laufen können?
Als ich angefangen habe, gab es im Bildungsbereich viele Baustellen. Gerade beim Lehrplan gab es eine riesige Blockade. Hier musste ich mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Auch die Entflechtung der verschiedenen Gremien an den Schulen und die interne Umstrukturierung meiner Direktion waren grössere Herausforderungen. Angesichts des politisch Machbaren bin ich mit dem Erreichten zufrieden. Wir konnten einiges umsetzen und anstossen. Dabei konnte ich mich auf ein tolles Team verlassen.
Was ist Ihre Erkenntnis aus all den Jahren? Wie sollten politische Projekte angegangen werden?
Wichtig ist, dass man sich ein klares Ziel setzt. Zudem sollten alle Beteiligten von Anfang an einbezogen werden. Nur so entstehen praxisnahe Lösungen, die sich im Alltag bewähren und nicht nur auf dem Papier funktionieren.
Ohne Geduld geht es also nicht?
Genau. Es ist ein kontinuierlicher Dialog mit Lehrerverbänden, Schulen, Gemeinden und Wirtschaftsvertretern nötig.
Wenn man sich umhört, gewinnt man den Eindruck, dass sich Ihr Nachfolger Markus Eigenmann in ein gemachtes Nest setzt.
Ich glaube, ich darf sagen, dass die Direktion sehr gut aufgestellt ist. Wir haben hoch motivierte Mitarbeitende mit hohem Fachwissen, die sehr leistungsfähig, innovativ und flexibel sind. Aber selbstverständlich ist die Arbeit nie abgeschlossen – und das ist das Schöne an der Politik. Es geht immer weiter.
Zu den Dauerthemen zählen die Finanzierung der Universität Basel und die als zu theoretisch kritisierte Lehrerausbildung an der Pädagogischen Hochschule (PH). Bei beiden Dossiers konnten Sie nicht allein entscheiden, sondern mussten sich mit anderen Kantonen abstimmen.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Hinsichtlich der Universität war der Dialog mit Basel-Stadt bei meinem Amtsantritt unzureichend. Zusammen mit Conradin Cramer und später Mustafa Atici konnten wir die Situation jedoch verbessern. Heute verhandeln die beiden Basel auf Augenhöhe, informieren transparent und treten geschlossen auf. Der jüngste Globalbeitrag ist ein Beispiel dafür. Bei der Pädagogischen Hochschule arbeiten wir sogar mit drei anderen Kantonen zusammen. Meiner Meinung nach ist die PH – vielleicht etwas entgegen ihrem Ruf – bereits sehr praxisorientiert und arbeitet daran, sich weiter zu verbessern.
Ein anderes Thema: Sie trugen in Ihrer Amtszeit zwei Sparprogramme mit – aus Überzeugung?
Ja, denn letztlich ist der Gesamtregierungsrat dafür verantwortlich, dass wir einen stabilen Kantonshaushalt haben. Es ist unsere Verantwortung, den künftigen Generationen keine zu hohen Schulden zu hinterlassen. Aber klar ist auch: Niemand spart gerne. Auch ich nicht. Die Bildungs-, Kulturund Sportdirektion (BKSD) ist mit einem Budget von mittlerweile mehr als 1,1 Milliarden Franken die grösste Direktion und steht damit bei Sparübungen natürlich immer besonders im Fokus.
Wie sind Sie vorgegangen?
Haben Sie jeder Dienststelle gesagt, sie solle 10 Prozent einsparen?
Es gab Vorgaben vom Gesamtregierungsrat bezüglich Entlastungszielen pro Direktion. Die einzelnen Massnahmen der BKSD habe ich zusammen mit den Dienststellen erarbeitet – in sehr kurzer Zeit und nicht selten bei Abendsitzungen mit Essen dazwischen. Wichtig ist, Sparmassnahmen nicht isoliert zu betrachten. Entscheide für die Sekundarschule haben beispielsweise Auswirkungen auf die Berufsfachschule oder die Mittelschulen. Ein gemeinsames Abwägen war daher wichtig.
Ein «Gärtli-Denken» liegt nicht drin?
Nein, definitiv nicht.
Wenn Sie die heutige Bildungslandschaft mit der zum Zeitpunkt Ihres Amtsantritts vergleichen: Was hat sich grundlegend verändert – im positiven wie im negativen Sinne?
Die politischen Diskussionen sind deutlich weniger geworden. Es gibt mehr Ruhe an den Schulen, was letztlich den Kindern und Jugendlichen zugutekommt. Ein Beispiel: Bei meinen ersten Schulbesuchen kamen die Lehrpersonen jeweils in Scharen auf mich zu und klagten, was nicht gut laufe. Heute muss ich zu ihnen gehen und das Gespräch aktiv suchen (lacht).
Und sonst?
Natürlich ist auch die Technologisierung spürbar, die in den Schulen Einzug gehalten hat. Das reicht vom Handykonsum über Social Media bis hin zur Künstlichen Intelligenz. Zudem gibt es Erziehungsberechtigte, die sich praktisch gar nicht um ihre Kinder kümmern, oder die sogenannten Helikopter-Eltern, die ihren Kindern alle Steine aus dem Weg räumen wollen. Die Schulen können die Erwartungen dieser Eltern jedoch nicht erfüllen – und sollen es auch nicht.
Es gibt Situationen, in denen bis zu drei Beteiligte ein Elterngespräch protokollieren, um sich gegenseitig abzusichern …
Ja, solche Situationen gibt es. Ich habe von Lehrerinnen und Lehrern auch gehört, dass Eltern bereits in der 1. Klasse mit der Erwartung an sie herantreten, dass ihre Kinder einmal ins «P» kommen. Ich glaube, es ist kontraproduktiv, wenn man seinem Kind so früh einen solchen Druck auferlegt.
Mit dem Projekt «2040+», das Sie noch angestossen haben, sollen die Schulen fit für die Zukunft gemacht werden. Was würden Sie Ihrem Nachfolger raten? Worauf sollte er das Augenmerk legen?
Bei diesem Projekt geht es darum, die Veränderungen in Gesellschaft, Technologie und Wirtschaft sowie die Anforderungen an Jugendliche zu erkennen. Ziel ist, dass die Schulen ihren Bildungsauftrag auch über das Jahr 2040 hinaus wahrnehmen können. Die Kick-off-Veranstaltung mit rund 200 Beteiligten hat im September in Sissach stattgefunden. Nun analysiert eine Arbeitsgruppe die Ergebnisse und bereitet sie auf. Ich denke, das ist eine gute Ausgangslage für Markus Eigenmann.
Sie haben auch eine umfangreiche Evaluation zum Frühfranzösisch durchgeführt …
… als erster Kanton sogar. Der Bericht ist eine gute Grundlage, um über das Sprachenkonzept zu diskutieren.
Der Bundesrat denkt über eine Frühfranzösisch-Pflicht nach. Was halten Sie davon?
Wie die Erziehungsdirektorenkonferenz lehne auch ich es ab, dass der Bund in die Bildungskompetenz der Kantone eingreift.
Der nationale Zusammenhalt könnte durch die Abschaffung des Frühfranzösisch gefährdet sein, sagt der Bundesrat.
Da bin ich anderer Meinung. Es geht nicht darum, den Französischunterricht abzuschaffen. Das Ziel ist, die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Darauf müssen alle Massnahmen abzielen, die künftig diskutiert werden.
Im Wahlkampf um Ihre Nachfolge haben alle Kandidierenden gesagt, die Primarschulen bräuchten mehr Freiheit. Was können Sie mit solchen Schlagworten anfangen?
Jede Schule braucht Gestaltungsspielraum – das ist klar. Die Schulen sollen die Bedürfnisse vor Ort aufnehmen. Das können sie aber bereits heute durch das Schulprogramm, das sie gemeinsam mit der Trägergemeinde festlegen. Dabei geht es zum Beispiel um die Infrastruktur, aber auch um ganz konkrete Fragen; zum Beispiel, ob ein Lager durchgeführt werden soll. Selbstverständlich müssen dabei Ziele, Vorgaben und Qualitätsstandards eingehalten werden. Denn jedes Kind im Baselbiet soll die gleichen Bildungschancen haben.
Die Schulen sollen Jugendliche auf die Berufswelt vorbereiten. Gelingt ihnen das?
Wir konnten in diesem Bereich viel erreichen. Die Jugendlichen sollen sich aktiv damit auseinandersetzen, was sie einmal werden wollen. Seit dem Schuljahr 2018/19 befassen sich in der 2. Sekundarklasse die Schülerinnen und Schüler aller Niveaus eine Stunde pro Woche mit der Berufsorientierung. Ab 2026/27 werden es sogar zwei Lektionen sein. Zudem haben wir Laufbahnverantwortliche an den Sekundarschulen eingeführt und eine Koordinationsstelle in der Direktion geschaffen. Als Nächstes sollen eine Plattform für Schnupperlehren und weitere Angebote aufgebaut werden, damit der Zugang noch einfacher wird. Und wir sind dabei, ein Kommunikationspaket zu erstellen, um die Eltern noch besser über die Möglichkeiten der Berufsbildung informieren zu können.
Einige Kulturschaffende wünschen sich kleinere, dafür regelmässige Beiträge des Kantons statt grosser, einmaliger Swisslos-Projektförderungen – schlicht, um verlässlicher planen zu können. Wie stehen Sie zu einem solchen Systemwechsel?
Die Bedürfnisse der Kulturschaffenden sind je nach Sparte sehr unterschiedlich. Dem kommen wir entgegen, indem einerseits professionelle Kulturschaffende mit substanziellen Projektbeträgen unterstützt werden. Andererseits unterstützen wir viele, meist ehrenamtliche Engagements von Kulturschaffenden mit kleineren Beträgen. Grössere Vorhaben werden in der Regel aus dem Swisslos Fonds unterstützt. Hier stehen wir meistens bereits im Voraus im Kontakt mit den Kulturschaffenden, um ihre Bedürfnisse zu klären. Entsprechend glaube ich, dass der Kanton bereits viel zur Planungssicherheit beiträgt.
Welche sportliche Leistung im Baselbiet hat Sie in Ihrer Zeit als Sportdirektorin am stärksten beeindruckt?
Ich durfte zahlreiche beeindruckende Sportlerinnen und Sportler kennenlernen und teilweise auch auszeichnen. In besonderer Erinnerung ist mir Tobias Fankhauser geblieben.
Weshalb?
Er gewann mit dem Handbike Medaillen an den Paralympics 2012 und 2016 und viele weitere Auszeichnungen für Spitzenplätze an Weltmeisterschaften und im Weltcup. Damit war er der erfolgreichste Para-Sportler unseres Kantons. Als ehemalige Gemeindepräsidentin von Hölstein konnte ich seine Entwicklung hautnah mitverfolgen und sehen, welche Leidenschaft und welcher Aufwand hinter seinen eindrücklichen Leistungen stehen. Im Jahr 2016 durfte ich ihm sogar den Baselbieter Sportpreis übergeben. Ich bewundere auch sein grosses Engagement für mehr Inklusion im Sport, zum Beispiel als Verantwortlicher für Para-Cycling bei der ersten inklusiven Rad-Weltmeisterschaft 2024 in Zürich.
Nach zehn Jahren hören Sie auf. Worauf freuen Sie sich?
Regierungsrätin zu sein, ist eine sehr bereichernde und interessante Aufgabe. Allerdings hat man einen sehr vollen Kalender – auch am Wochenende – und wenig Zeit für die Familie. Das ist der Hauptgrund, warum ich jetzt aufhöre. Ich möchte wieder mehr Zeit für die Familie haben, insbesondere für meinen Mann und meine hochbetagten Eltern, aber auch für meine Töchter und mein kleines Enkelkind. Zudem möchte ich wieder mehr Sport treiben.
Zur Person
je. Monica Gschwind (FDP) zog 2015 in die Baselbieter Regierung ein und trat die Nachfolge von Urs Wüthrich (SP) an. Zuvor war sie Landrätin und Gemeindepräsidentin von Hölstein. Beruflich war Gschwind als Treuhänderin tätig. In der Freizeit fährt die 62-Jährige gerne Rennvelo. Die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern lebt mit ihrem Mann mittlerweile in Bubendorf.


