Hommage an Carl Spitteler und Isabelle Kaiser
11.02.2025 Bezirk Waldenburg, Gemeinden, Gesellschaft, Kultur, WaldenburgDie Idee zu einem «Dîner Spitteler-Kaiser» hatten Kulturvermittler Thomas Schweizer und Historiker Lorenz Degen. Auf dem speziellen Programm standen ein Dreigänger und Ausschnitte aus den Werken von Carl Spitteler sowie Isabelle Kaiser, die eine langjährige ...
Die Idee zu einem «Dîner Spitteler-Kaiser» hatten Kulturvermittler Thomas Schweizer und Historiker Lorenz Degen. Auf dem speziellen Programm standen ein Dreigänger und Ausschnitte aus den Werken von Carl Spitteler sowie Isabelle Kaiser, die eine langjährige Freundschaft verband.
Brigitte Keller
Carl Spitteler, 1845 in Liestal geboren und heimatberechtigt in Bennwil, erhielt 1919 als bisher einziger gebürtiger Schweizer den Nobelpreis für Literatur. Die Eröffnung der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Nobelpreisübergabe fand in der Stadtkirche Liestal mit Hunderten von geladenen Gästen statt. An der kürzlich stattgefundenen kleinen Gedenkfeier anlässlich des 100. Todestages Spittelers Ende Dezember 2024 in Luzern hätten genau drei Personen aus dem Baselbiet teilgenommen. Diesen Seitenhieb an die Obrigkeiten in Liestal erlaubte sich Thomas Schweizer in seine Begrüssung einzuflechten.
Das sei aber nur ein Grund dafür, dass dieses «Dîner Spitteler-Kaiser» nicht in Liestal, sondern in Waldenburg stattfinde, wie Schweizer fortfuhr. «Ein weiterer Grund ist, weil Spitteler, wie im Folgenden noch zu hören sein wird, sehr viel Lobenswertes über das ‹Stedtli› Waldenburg gesagt hatte.» Carl Spitteler kenne man im Baselbiet, zumindest ein bisschen, so Thomas Schweizer weiter. Aber wer war diese Isabelle Kaiser? «Anfang 20. Jahrhundert eine gefeierte Dichterin, heute vergessen, unbekannt, mit Ausnahme an ihrem Wohnort», führte Schweizer aus.
Hohepriesterin der Dichtkunst
Die Aufgabe, etwas zur Person Isabelle Kaiser und zum erwähnten Wohnort – es handelt sich um Beckenried am Vierwaldstättersee – zu erzählen, übernahm der Historiker Lorenz Degen. «Isabelle Kaiser war eine auffällige und spezielle Gestalt im damaligen Bauern- und Fischerdorf Beckenried», sagte er. Ihr charakteristisches Merkmal seien lange weisse Kleider gewesen, wie auf einer gezeigten Fotografie zu sehen war. «Sie hat sich so auch als Hohepriesterin der Dichtkunst inszeniert und ist entsprechend aufgefallen», erzählte Degen.
Isabelle Kaisers Werke seien heute, 100 Jahre nach ihrem Tod, weitestgehend in Vergessenheit geraten und ihre Bücher nur noch antiquarisch erhältlich, wie der Historiker ausführte. Glücklicherweise sei kürzlich das Buch «Isabelle Kaiser – Ein Lesebuch» herausgegeben worden, das eine Auswahl an Gedichten und Texten wieder verfügbar macht. Um 1900 war Kaiser sehr bekannt für ihr umfassendes zweisprachiges Werk. Ihre Novellensammlungen und Romane wurden mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet und erreichten hohe Auflagen. Bei Lesungen füllte sie Säle mit bis zu 600 Gästen, was zur damaligen Zeit für eine Frau absolut aussergewöhnlich gewesen sei.
Kennengelernt hätten sich Carl Spitteler und Isabelle Kaiser wahrscheinlich über die «NZZ», wo Carl Spitteler in den 1890er-Jahren Redaktor war. Isabelle Kaiser habe ihm dannzumal wohl ihre Bücher zugesandt zum Rezensieren. Daraus wurde eine persönliche Freundschaft mit grosser gegenseitiger Wertschätzung. Beide hätten ihre Bücher mit persönlichen Widmungen an die jeweils andere Person versehen. Mit «Hommage an Charles» in den Büchern von Isabelle Kaiser sei also Carl Spitteler gemeint gewesen, was ein weiteres spannendes Detail war, mit dem die beiden Organisatoren die gut zwei Dutzend Anwesenden unterhielten.
Unverhoffter «Schatz»
Da auch der Kulinarik an diesem Anlass ein wichtiger Teil zukam, folgte der erste Gang des 3-Gänge-Menüs. Im Anschluss daran fuhr Thomas Schweizer fort mit einem Rückblick auf das Leben und literarische Werk Carl Spittelers. 1914 erschien sein Buch «Meine frühesten Erlebnisse», worin unter anderem auch Episoden vorkommen, die Spitteler als kleiner Knabe bei seiner Grosstante Tschopp in Waldenburg erlebt hatte. Diese hätte damals einen Laden betrieben, an dessen Stelle danach das Bezirksgericht entstanden sei und wo sich heute ein Kulturraum befindet. Zur Veranschaulichung las Thomas Schweizer an dieser Stelle zwei kurze Ausschnitte vor, die sich mit Waldenburg und der innigen Verbundenheit Spittelers zu diesem Ort und seinen glückseligen Erinnerungen befassten.
Sehr spannend zu erfahren war auch, dass überraschend vor ein paar Jahren, aus dem Nachlass des befreundeten Jonas Fränkel, kofferweise bisher unzugängliches und damit unbekanntes Material für die Forschung freigegeben wurde, der sogenannte «Kryptonachlass Spitteler». Die Auswertung sei nicht ganz einfach, weil Spitteler viele seiner Manuskripte in «Steno Spittelerscher Art» geschrieben habe, wie Thomas Schweizer zu berichten wusste. Ob es sich «nur» um Alltagsnotizen handle oder sich ganze Erzählungen und Romane darin befinden, wisse man noch nicht. Alles sei möglich und man sei sehr gespannt, was da zutage trete. Vor und nach dem Dessert folgten weitere Textausschnitte, gespickt mit interessanten Episoden und Anekdoten aus den Leben von Isabelle Kaiser und Carl Spitteler.
Die Veranstaltung findet ein weiteres Mal statt am kommenden Sonntag, 16. Februar. Dannzumal in Beckenried und Emmetten mit der besonderen Gelegenheit, Isabelle Kaisers Haus «Ermitage» einen Besuch abzustatten.