Hochwasser, Dürreperioden, Hitzewellen, Kälteperioden
29.12.2023 BaselbietKlimaschwankungen gab es schon immer
Werden traditionelle archäologische Methoden mit Techniken aus Physik, Chemie und Biologie kombiniert, erlaubt dies einen detaillierten Blick auf das Klima vergangener Jahrtausende. Etliche Klimaänderungen können so nachgewiesen werden. ...
Klimaschwankungen gab es schon immer
Werden traditionelle archäologische Methoden mit Techniken aus Physik, Chemie und Biologie kombiniert, erlaubt dies einen detaillierten Blick auf das Klima vergangener Jahrtausende. Etliche Klimaänderungen können so nachgewiesen werden. Wie es einigen der damaligen Hochkulturen erging, sollte uns zu denken geben.
Heinz Döbeli
Vermehrt trockene und heisse Sommer, rekordhohe Nullgradgrenze über den Alpen, Temperaturmittel im September fast vier Grad über dem langjährigen Durchschnitt! Wer zweifelt noch daran, dass sich das Klima ändert? Einzig über die Ursache wird noch kontrovers diskutiert. Ist dieser Wandel menschgemacht?
Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass in historischer Zeit mehrere Dürren auftraten. Dokumentiert sind drei Dürreperioden vor etwa 5200, 4200 und 3200 Jahren im sogenannten fruchtbaren Halbmond. Dieser umfasst die heutigen Gebiete von Iran, Irak, Syrien, Türkei, Palästina, Israel und Ägypten. Dort entwickelten sich die ersten Hochkulturen. Dank der in Stein gemeisselten Hieroglyphen oder auf Tontafeln festgehaltenen Keilschriften liegen uns vielfältige Informationen vor.
Es gibt starke Hinweise, dass diese Klimaereignisse für den Kollaps etlicher Hochkulturen verantwortlich waren. Ein gut dokumentiertes Beispiel ist der Untergang des im nördlichen Mesopotamien entstandenen Reiches der Akkad. Dieser flächenmässig grosse Staat entstand vor 4300 Jahren, zerfiel aber bereits wieder nach 150 Jahren.
Kein Regen, kein Korn
Ein sumerischer Text liefert Hinweise, dass der Zusammenbruch des Reiches auf einen plötzlichen Klimawandel zurückzuführen war. Aus den Keilschriften übersetzten die Archäologen Folgendes: «Grosse Bereiche des Ackerlandes lieferten kein Korn mehr, die überschwemmten Felder keinen Fisch und die bewässerten Obstgärten lieferten weder Sirup noch Wein. Die dicken Wolken brachten keinen Regen.»
Untersuchungen von Sedimenten aus Seen, Meeren oder von Stalagmiten in Höhlen bestätigen, dass zu dieser Zeit eine Dürre herrschte, die fast 300 Jahre anhielt. Ähnlich wie die Jahresringe bei Bäumen beobachtet man bei Sedimenten und Tropfsteinen oft ebenfalls Jahrringe. Mit der Kohlenstoff-C-14- oder der Uran-Thorium-Methode kann das absolute Alter der Sediment- oder Gesteinsschichten bestimmt werden. In Sedimenten bleiben oft auch Pollen von Pflanzen erhalten. Das Verhältnis zwischen Pollen von Bäumen und Pollen von Steppenpflanzen lässt darauf schliessen, ob in dieser Gegend Wald oder Steppe vorherrschte und somit welche Art von Landwirtschaft möglich war. Archäologische Ausgrabungen zeigten zudem, dass viele Siedlungen zu dieser Zeit aufgegeben wurden, was als sozialer Umbruch und Entvölkerung interpretiert wird.
Im Gegensatz zu einfachen Ackerbaugesellschaften war das Reich der Akkad bereits hierarchisch organisiert und bestand aus einer Elite mit König, Beamten und Priestern, einem Heer sowie Handwerkern, Fischern und Bauern. Die gute Organisation führte zu guten Ernten, niemand musste hungern. Die Bevölkerung wuchs und mehr Wälder wurden gerodet, um Ackerland zu schaffen. Heutige Ökonomen würden das als Wirtschaftswachstum bezeichnen. Über die Grenzen des Wachstums machte sich damals kaum jemand Gedanken.
Übernutzung schon damals?
Wenn es aber während mehrerer aufeinanderfolgender Jahre infolge von Dürreperioden zu Ernteausfällen kam, wurden die Grenzen des Wachstums oft sehr schnell erreicht. Das führte zu Hungersnöten, sozialen Unruhen und dem Zerfall von staatlichen Strukturen. Eine Folge davon war eine Massenmigration und Entvölkerung. Auch dass andere Staaten Mauern bauten, um diese Flüchtlingsströme fernzuhalten, ist dokumentiert.
Erinnert das nicht an aktuelle Ereignisse? Bevölkerungswachstum, Übernutzung von Ackerland, Abholzung von Regenwäldern, um Weideland oder Palmölplantagen anzulegen, Wassermangel in der Sahelzone, Streit um Wasser zwischen den Ländern am Nil, Bürgerkriege am Horn von Afrika, im Sudan und in Palästina, Flüchtlingsströme über das Mittelmeer oder über die Balkanroute, Grenzzäune und so weiter.
Die Wissenschaft datiert das Ende des Akkadreiches sehr genau und auch die Zeit und die Länge der Dürreperiode. Über die Ursachen liegen aber erst Spekulationen vor: Höhere Macht wie kosmische Ereignisse, zum Beispiel veränderte Sonnenaktivität oder Vulkanausbrüche, wie zum Beispiel der Ausbruch des Tambora in Indonesien von 1815, der auch in der Schweiz zu einem Jahr ohne Sommer führte. Menschengemachte Klimaveränderungen werden ebenfalls diskutiert, grossflächige Brandrodungen, Bodendegradation infolge von Übernutzung und Übervölkerung.
Heute beobachten wir ebenfalls eine Klimaveränderung, und dies weltweit. Viele Wissenschaftler erklären uns ziemlich einleuchtend, dass die jetzt beobachtete Erwärmung auf den Treibhauseffekt zurückzuführen ist. Bei den Klimaänderungen der Antike handelte es sich wahrscheinlich um regionale Ereignisse, heute stolpern wir in ein globales Ereignis. In der Antike wurden Wälder verbrannt, um Landwirtschaft zu betreiben. Wir verbrennen die Wälder, die sich während Jahrmillionen in Form von Kohle und Öl abgelagert haben und so das Kohlendioxid speichern.
Alt-Bundesrat Ueli Maurer sagte einmal, dass sich Senf, der einmal aus der Tube gedrückt worden ist, nicht einfach wieder in die Tube füllen lässt. Gleich verhält es sich mit dem Kohlendioxid. Einmal freigesetzt, lässt es sich nicht so schnell wegzaubern. Die jetzt beginnende Klimaänderung wird sich ebenfalls über einen sehr langen Zeitraum erstrecken. Es reicht also nicht, Landwirtschaft, Wälder, Siedlungen und Gärten enkeltauglich zu machen, sie müssen ururururururenkeltauglich sein.
Das Wissen ist da, aber kann man es der Bevölkerung auch zumuten? Politiker, die das Volk vor diesem Wissen verschonen wollen, beschwichtigen die Situation häufig mit dem Argument: «Klimaänderungen gab es schon immer.» Ehrlicher wäre der Satz: «Klimaänderungen gab es schon immer, oft mit verheerenden Folgen für die betroffene Bevölkerung!»
Übersichtsliteratur: «Klimawandel und der Untergang von Hochkulturen» von Gerhard Gerold (Springer, 2021)