«Hier stehen keine ‹trockenen› Skis im Lager!»
03.10.2025 ZunzgenMit Waltis Sportshop geht viel Rennfahrer-Know-how verloren
Selber begeisterter Rennfahrer, hat Walti Fricker 50 Jahre lang Skifahrer mit Profi-Material, Service oder auch Mietausrüstung versorgt. Jetzt räumt er mit Partnerin Marianne Sahli seinen Shop – und drei ...
Mit Waltis Sportshop geht viel Rennfahrer-Know-how verloren
Selber begeisterter Rennfahrer, hat Walti Fricker 50 Jahre lang Skifahrer mit Profi-Material, Service oder auch Mietausrüstung versorgt. Jetzt räumt er mit Partnerin Marianne Sahli seinen Shop – und drei Aussenlager.
Peter Sennhauser
Er redet in Fachbegriffen: Walti Fricker ist zwar gelernter Maschinenschlosser und hat eine lange Karriere in diesem Beruf hinter sich. Leidenschaftlicher Experte aber ist er auf einem anderen Terrain: Zeitlebens begeisterter Skirennfahrer mit Lizenz, kennt sich der 77-Jährige mit sämtlichen Tricks und Kniffen aus, die das Material im Schnee schneller, besser und sicherer machen. Seit Jahrzehnten dient er Skifahrern in der Region als Servicefachmann, Ausrüster und Vermieter, die letzten 22 Jahre mit «Waltis Sportshop» in Zunzgen. Doch jetzt ist die letzte Saison angelaufen, Fricker und seine Lebenspartnerin Marianne Sahli räumen ihr umfangreiches Lager und verkaufen Miet- und Neuware zu überaus günstigen Preisen.
Vor allem Top-Skifahrer mit Rennlizenz und hohen Ansprüchen werden Walti vermissen: Nur hier in Zunzgen gab es neben dem hochwertigen Service auch gleich Ausrüstung zu kaufen oder zu mieten, die Normalsterblichen eigentlich gar nicht zugänglich ist: Rennskis mit FIS-Zertifizierung, Profi-Material aus einer Qualitätsklasse, die gekonnten Umgang voraussetzt. «Diesen Ski hier würde ich Ihnen zum Beispiel weder vermieten noch verkaufen, ohne zu wissen, wie Sie Ski fahren», sagt Fricker am Donnerstag in seinem Shop und zeigt auf einen Herren-Rennski von Atomic. Denn er weiss auch um die Risiken, die solches Material für Leute birgt, deren Fahrkünsten es nicht entspricht.
Er kennt das aus eigener Erfahrung. Mit 13 fischte der Füllinsdörfer im Dorf ein Paar Ski aus dem Sperrmüll – und brach sich am Tag darauf ein Bein. Das gleiche Bein, an dem er sich Jahrzehnte später wegen einer defekten Bindung anlässlich eines Tests von Profimaterial einen Doppelbruch des Unterschenkels zuzog. Umgekehrt bescherte ihm der Umstieg von knallharten Renn-Skischuhen auf bequemere Amateur-Schuhe einen Achillessehnenriss, weil die Schale des Schuhs mit seinen Kräften nicht mithalten konnte. «Die wenigsten Freizeitskifahrer verstehen, wie wichtig das Material ist», sagt Fricker.
Oder eben auch die richtige Pflege: Fricker wachst die Skis nach wie vor mit dem Bügeleisen. Und er sorgt dafür, dass Belag und Kanten der auf seiner 75 000 Franken teuren Schleifmaschine frisch aufbereiteten Skis den ganzen Sommer über unter einer sicht- und spürbaren Wachsschicht gut geschützt bleiben. «Bei mir stehen keine trockenen Skis herum!», sagt er.
Natürlich sind nicht all seine Kunden Topskifahrer. Umso wichtiger war es Fricker, etwas von seinem enormen Wissen an die weniger sachkundigen Freizeitfahrer weiterzugeben.
Und das seien viele, geben Fricker und seine Lebenspartnerin zu verstehen. «Die wenigsten Leute wissen, wie man einen Skischuh richtig anzieht», sagt Fricker. Oder auch nur, wie man ihn anprobiert, ergänzt Sahli: Deswegen nehme sie sich für jede Kundin und jeden Kunden, vor allem für die Kinder, ausgiebig Zeit für die Anprobe der Mietskischuhe. Dieser Kundendienst verlangte den beiden, Sahli im Rentenalter, Fricker geht auf die 80 zu, am Mittwoch alles ab: Ihre Werbung in Internet und in der «Volksstimme» hatte voll eingeschlagen: «Die Leute standen vor dem Geschäft Schlange, als wir um 13 Uhr öffneten», erzählt Fricker am Donnerstagmorgen im Shop. «Sie sehen ja das Chaos hier, das ich abends nach acht habe liegenlassen», ergänzt Sahli, «ich konnte einfach nicht mehr.»
Allein 500 Paar Skischuhe in Kindergrössen habe Waltis Shop am Standort und in den drei Aussenlagern. Viele davon vielleicht eine oder zwei Saisons vermietet, aber oft nur wenige Male benutzt, sehen die meisten für den Laien aus wie neu. Denn jeder einzelne Innenschuh sei bei der Rückgabe desinfiziert, die Innensohle ausgewechselt und die Kunststoffschale mit Pflegemittel behandelt worden. «Man will sich am Morgen im Spiegel ins Gesicht sehen können», begründet Sahli ihre Motivation, nur bestens gepflegtes Material an die jährlich rund 800 Mietkunden auszuhändigen.
Ein Franken pro Zentimeter Ski
Allerdings wird sie diese Materialhereinnahme, die das Paar jeweils zum Saisonende von April bis Juni beschäftigte, nicht mehr erledigen müssen: Mietmaterial wird derzeit zum früheren Preis einer Saisonmiete verkauft, Neumaterial mit einem massiven Preisabschlag, und Kinderskis teilweise für einen Franken pro Zentimeter Skilänge.
Wer nun glaubt, Fricker und Sahli wollten nur noch schnell ihr Lager zu Geld machen, täuscht sich gewaltig. Demnächst wird neue Ware angeliefert.
Denn im Frühling hatte das Paar seiner Stammkundschaft bereits mitgeteilt, dass die letzte Saison anstehe – und dass alle, die noch eine neue Schuhgrösse oder einen Ski bräuchten, sich melden sollten. «Wir können die Leute nach all den Jahren doch nicht einfach im Stich lassen», sagt Sahli.
Dabei war das Geschäft, trotz des professionellen Outfits der letzten 22 Jahre in Zunzgen, immer ein saisonales: «Ich habe bis zu meiner Pensionierung 2014 im Sommer jeweils in der Schlosserei gearbeitet», erzählt Fricker. Der Shop nahm jeweils ab September mit Halbtages-Öffnungszeiten (Dienstag bis Freitag, 13.00 bis 18.30 Uhr, Samstag 9.00 bis 12.00 Uhr) den Betrieb auf, und bis zur Rückgabe der letzten Mietausrüstungen und deren Aufbereitung konnte es auch schon einmal Juli werden.
Ab kommendem Sommer wollen die beiden viel mehr Wandern gehen. Und zwar «neu nicht nur im Sommer, sondern hoffentlich auch bald im Winter», freut sich Marianne Sahli.