Heikle Geschichten
19.08.2025 PersönlichLokaljournalisten werden entweder von wohlwollenden Kolleginnen und Kollegen gewarnt oder die eigene Erfahrung ist ihre Lehrmeisterin: Finger weg von Tiergeschichten! Die Jagd beschreiben ist erlaubt, Blut zeigen nicht. Piekse besser keine Impfgegner mit einer Story und widersteh der Versuchung, ...
Lokaljournalisten werden entweder von wohlwollenden Kolleginnen und Kollegen gewarnt oder die eigene Erfahrung ist ihre Lehrmeisterin: Finger weg von Tiergeschichten! Die Jagd beschreiben ist erlaubt, Blut zeigen nicht. Piekse besser keine Impfgegner mit einer Story und widersteh der Versuchung, dich mit einem vermeintlichen Kesb-Opfer zu solidarisieren und in die Tasten zu greifen. Es ist nicht die Frage, ob, sondern wann einem Autor solche Geschichten um die Ohren fliegen – oder gehauen werden. Denn: Bei Themen wie diesen geht es längst nicht nur um Fakten und öffentliche Relevanz. Es geht um Empfinden und persönliche Betroffenheit. Da gelten andere Regeln.
Die «Volksstimme» hat vor einiger Zeit über die Sissacher «Exotic» berichtet. Der gleichnamige Verein beziehungsweise dessen Vogelhaltung wurde vom Kanton kontrolliert, es wurden Massnahmen verfügt. Im Wissen, dass es sich um eine dieser «Finger-weg-Geschichten» handelt, habe ich den Fall möglichst neutral und unaufgeregt geschildert und es wurde im Artikel auch niemand vorverurteilt. Die Quelle der Informationen wurde im Beitrag deklariert, die beteiligten Parteien erhielten gemäss den journalistischen Regeln die Möglichkeit, sich zu äussern. Eine Seite hat sie genutzt, die andere nicht.
Trotz aller Bemühungen, den Ball flach zu halten, kam es zu einigen Reaktionen. Diese zeugen von Betroffenheit und es kommt darin Solidarität mit dem Verein Exotic zum Ausdruck. Die Reaktionen per E-Mail und auf der Facebook-Seite «Sissach informiert» (die der «Volksstimme» schon viele Vorlagen für schöne Lokalgeschichten geliefert hat; Danke an dieser Stelle) richteten sich nicht etwa an die am Tierschutz-Konflikt beteiligten Parteien oder Vorschriften, sondern gegen die Überbringer: die «Volksstimme» und mich persönlich als Autor des Beitrags. Auf Facebook-Kommentaren werde ich als einseitig und uneinsichtig beurteilt, der Artikel – der dort übrigens nicht verlinkt wurde – sei «nicht recherchiert». Schliesslich wurde auch noch mein Foto von der «Volksstimme»-Website ungefragt auf «Sissach informiert» kopiert.
Ich wünschte, ich hätte mir einreden können: «So ist Social Media eben. Was ist das schon im Vergleich mit Menschen, die digital gemobbt werden oder über die auf Tiktok und Instagram Shitstorms hereinbrechen? Die würden sagen: ‹Vergiss es einfach!›» Aber ich wollte mich ärgern. Darüber, dass Meinung über Tatsache gestellt wird. Darüber, dass blind ausgeteilt wird, anstatt sich mit der Ursache auseinanderzusetzen. Und hätte man gefragt, hätte ich ein Foto aufgetrieben, auf dem ich besser wegkomme.
Mein Ärger ist längst verflogen. Jetzt wünsche ich der «Exotic», dass sie mit dem Kanton eine gute Lösung für den Verein und ihre Tiere findet. Ich hoffe ferner, dass alle, die sich über unsere Berichterstattung aufgeregt haben, nach den bösen Worten an die «Volksstimme» und mich dem Voliere-Verein nun mit guten und handfesten Taten für die Vögel beistehen.
Christian Horisberger, stv. Chefredaktor «Volksstimme»