Hauseigentümer machen mobil
28.08.2025 BaselbietMehrere Initiativen sollen die Verwaltung einschränken
Der Hauseigentümerverband Baselland wirft dem Regierungsund Landrat vor, sich nicht an die demokratischen Spielregeln zu halten. Deshalb lanciert er vier Initiativen, um die Kompetenzen von Regierung und Verwaltung ...
Mehrere Initiativen sollen die Verwaltung einschränken
Der Hauseigentümerverband Baselland wirft dem Regierungsund Landrat vor, sich nicht an die demokratischen Spielregeln zu halten. Deshalb lanciert er vier Initiativen, um die Kompetenzen von Regierung und Verwaltung einzuschränken.
Nikolaos Schär
Der Hauseigentümerverband Baselland (HEV) ist unzufrieden mit der Arbeit des Staats. In einem juristischen Gutachten der Kanzlei AAK Anwälte und Konsulenten aus Zürich, das der HEV in Auftrag gegeben hat, wird der kantonalen Verwaltung vorgeworfen, sie arbeite zwar formal korrekt, unterlaufe aber den Willen von Volk und Parlament, wie der Verband in seiner Zeitung schreibt. Als Konsequenz dieser Einschätzung reichte der HEV – analog zur Wirtschaftskammer Baselland (Wika) – jüngst gleich vier Initiativen ein.
Mit der Initiative «Verbindliche Umsetzung im Bereich der Planung und des Baus von Strassen» will der Verband die Regierung verpflichten, regelmässig über den Stand von Bauvorhaben zu berichten. Der HEV kritisiert, dass Strassenbauprojekte trotz Aufträgen aus der Stimmbevölkerung «aufgrund von unklaren Zuständigkeiten im Sand verlaufen» – gemeint ist der schleppende Ausbau von Hochleistungsstrassen.
Mit der Initiative «Mehr Demokratie bei strategischen Planungen» fordert der HEV, dass Klima-, Energieund Mobilitätsstrategien der Regierung durch den Landrat genehmigt und dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Solche Strategiepapiere hätten «weitreichende Folgen», würden aber bisher am Parlament «vorbei beschlossen». Derzeit dienen sie der Regierung als Leitlinien und werden dem Landrat lediglich zur Kenntnisnahme unterbreitet.
Das Muster der HEV-Initiativen gleicht jenem der 17 Vorstösse der Wika. Deren Direktor Christoph Buser, der gleichzeitig den HEV präsidiert, versucht damit offenbar, seinen politischen Einfluss auch über den Hauseigentümerverband geltend zu machen. Beide Organisationen verfügen über Tausende Mitglieder. Nur ein Teil der per Post verschickten Unterschriftenbögen reicht, um die tiefe Hürde von 1500 Unterschriften für das Zustandekommen einer Initiative zu schaffen.
Streit um Mehrwertabgabe
Auslöser für das HEV-Powerplay war unter anderem die Regierungsvorlage zur Mehrwertabgabe, die Gewinne auf Ein-, Auf- und Umzonungen von Bauland abschöpfen will. Diese Anpassung wurde wegen eines Bundesgerichtsentscheids nötig: Die Gemeinde Münchenstein hatte erfolgreich gegen das geltende Baselbieter Gesetz geklagt, das den Gemeinden verbietet, eine Abgabe auf Mehrwerten durch Umzonungen zu erheben.
Die HEV-Initiative «Minimalprinzip für Ersatzregelungen nach gerichtlicher Aufhebung von Rechtsnormen» soll sicherstellen, dass kantonale Gesetze nach einem Gerichtsentscheid nur gerade in den beanstandeten Punkten geändert werden dürfen. Der HEV kritisiert, die neue Vorlage der Regierung gehe deutlich weiter als das bestehende, vom Volk einst abgesegnete Gesetz.
Die Interessenlage ist gespalten: Gemeinden im Unterbaselbiet verlangen seit Längerem eine Entschädigung für steigende Infrastrukturkosten infolge verdichteten Bauens. Wird etwa eine Industrie- in eine Wohnzone umgewandelt, steigt der Bodenwert stark, gleichzeitig muss die öffentliche Hand zusätzliche Infrastruktur wie Schulraum bereitstellen.
Eher ländliche Gemeinden im Oberbaselbiet dagegen sind weniger von Auf- und Umzonungen betroffen. Sie müssen im Gegenteil überdimensionierte Bauzonen auf Geheiss des Bundes reduzieren, um die Zersiedelung zu stoppen, wobei Rückzonungen hohen Entschädigungsforderungen gleichkommen können, da Bauland so faktisch zu billigem Landwirtschaftsland wird. Zwar stellte sich das Bundesgericht bisher auf die Seite der Behörden, doch entscheiden die Gerichte im Einzelfall, ob eine materielle Enteignung vorliegt.
Die Vorlage des Kantons sieht daher vor, die Mehrwertabgabe künftig nicht nur bei Ein-, sondern auch bei Auf- und Umzonungen zu erheben. Damit will er Mittel generieren, um Gelder von urbanen zu ländlichen Gemeinden umzuverteilen. Zudem sollen die Gemeinden bei der Höhe der Abgabe Spielraum behalten.
Für Grundeigentümer – oft Hauseigentümer – entstünden durch die Mehrwertabgabe Mehrkosten bei Bauprojekten. Gemäss Berechnungen des Kantons wären über einen Zeitraum von acht Jahren fast dreistellige Millionenbeträge zusammengekommen.
Als die Beratungen der Vorlage in der Bau- und Planungskommission (BPK) bereits weit fortgeschritten waren, lancierte der HEV im Januar die Initiative «Fairer Kompromiss bei der Mehrwertabgabe». Sie fordert tiefere Sätze, verzichtet gänzlich auf eine Abgabe bei Aufzonungen und will, dass die Einnahmen ausschliesslich im Zusammenhang mit den abgeschöpften Projekten eingesetzt werden. Mehrere Kommissionsmitglieder bestätigen, dass die Initiative zustande kam, als die Beratungen in der BPK schon beinahe abgeschlossen waren. Damit sorgte der HEV für Doppelspurigkeiten im parlamentarischen Prozess.
Kritik am Milizsystem
Die vierte neue Initiative «Keine Gemeinderäte im Landrat» richtet sich gegen die Doppelrolle vieler Lokalpolitiker. Rund ein Fünftel der Landrätinnen und -räte bekleidet zugleich ein Gemeinderatsamt. Laut HEV lassen sie sich bei der Gesetzgebung von Gemeindeinteressen leiten – als Beleg wird wiederum die Mehrwertabgabe genannt. Analog zum Verbot, wonach Regierungsräte kein Nationalratsmandat innehaben dürfen, fordert der Verband diese Regel auch für Gemeinderäte. Kritik, dass damit das Schweizer Milizsystem angegriffen werde, wurde quer durch die Parteien (die «Volksstimme» berichtete) laut.
Insgesamt hat der HEV nun sechs Initiativen lanciert. Bereits zustande gekommen ist auch die Transparenz- und Mitwirkungsinitiative, die verlangt, dass Klagen im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Kantonsgesetzen mit Bundesrecht künftig erstinstanzlich am Kantonsgericht behandelt werden. Damit sollen lange Wartezeiten wie im Fall Münchenstein (Mehrwertabgabe) verhindert werden, obwohl ein Weiterzug ans Bundesgericht weiterhin möglich wäre.
Initiativflut fordert das Parlament
je. Die Zahl ist rekordverdächtig: Aktuell sind im Baselbiet beinahe 40 Initiativen hängig. Fast zwei Drittel davon (23 Stück) stammen aus dem Umfeld der Wirtschaftskammer und des Hauseigentümerverbands Baselland. Ob die Stimmbevölkerung über alle hängigen Initiativen befinden muss, ist fraglich. Sicher ist, dass viel Arbeit auf den Landrat und seine Kommissionen zukommt. Sie müssen die Initiativen behandeln und über deren Annahme oder Ablehnung sowie die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags oder die anderweitige Umsetzung der Anliegen entscheiden. Insbesondere die Behandlung des Pakets der Wirtschaftskammer, das zur Förderung der Baselbieter Wirtschaft 16 Initiativen umfasst, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Geschäftsleitung des Landrats, die den Parlamentsbetrieb organisiert, habe Kenntnis von der grossen Zahl an Initiativen genommen, schreibt Landratspräsident Reto Tschudin auf Anfrage. «Wir haben allerdings noch nicht diskutiert, wie wir damit verfahren wollen.» Der Schaffung einer Spezialkommission zur gebündelten Behandlung der Wika-Initiativen steht Tschudin aktuell eher ablehnend gegenüber. Er geht davon aus, dass die Initiativen auf die jeweils zuständigen Kommissionen verteilt werden und dort nach und nach abgearbeitet werden. Eventuell seien Zusatzsitzungen nötig. Die Geschäftsleitung wird das definitive Vorgehen noch besprechen.
Informationsanlass des HEV BL am kommenden Montag, 1. September, ab 18 Uhr, im Gemeindesaal in Gelterkinden.