«Gute Löhne alleine reichen nicht»
07.11.2023 Ormalingen, Ormalingen, BaselbietSo bleibt man als Arbeitgeber attraktiv
Das Zentrum Ergolz lud zur Gesprächsrunde ein. Die Teilnehmenden sprachen darüber, wie Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels genügend Personal finden. Mit dabei: der Personalchef des bei Arbeitnehmern beliebtesten ...
So bleibt man als Arbeitgeber attraktiv
Das Zentrum Ergolz lud zur Gesprächsrunde ein. Die Teilnehmenden sprachen darüber, wie Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels genügend Personal finden. Mit dabei: der Personalchef des bei Arbeitnehmern beliebtesten Unternehmens der Schweiz.
Paul Aenishänslin
Der Fach- und Arbeitskräftemangel ist mittlerweile in nahezu allen Branchen spürbar – so auch im Gesundheitsbereich. Wie der Leiter des Zentrums Ergolz, Stephan Kunz, festhielt, sei seit der Corona-Pandemie nichts mehr, wie es war: «Es gibt deutlich mehr Stellenwechsel. Gerade junge Mitarbeitende bleiben weniger lange als früher.»
Dabei kann das Zentrum Ergolz noch von Glück reden: Momentan sind alle Stellen besetzt. Ungefähr 180 Mitarbeitende kümmern sich um 107 Heimbewohner.
Im Ormalinger Alters- und Pflegeheim fand unter der Moderation von Michael Sokoll vergangene Woche eine Gesprächsrunde statt. Sie war der Frage gewidmet, wie man als Arbeitgeber trotz akuten Fachkräftemangels gutes Personal findet, das einem lange erhalten bleibt.
Illustre Runde
Teilgenommen haben Marc Brändli, Personalverantwortlicher beim bekannten Chips-Hersteller Zweifel, der kürzlich als bester Arbeitgeber der Schweiz ausgezeichnet worden ist, Brigitte Baur, Leiterin Human Resources bei der Stiftung Alterszentrum Bülach, und ihr Pendant beim Zentrum Ergolz, Nicole Schneeberger, die seit Kurzem diese Stelle innehat.
Doch bevor die drei Podiumsteilnehmenden zu Wort kamen, malte Gesprächsleiter Sokoll ein düsteres Zukunftsszenario an die Wand: «Weil die Babyboomer-Generation mit Geburtsjahren zwischen 1945 und 1960 demnächst in Pension geht, werden in der Schweiz bald einmal eine halbe Million Arbeitskräfte fehlen. Grund genug also für Arbeitgeber, sich besonders attraktiv aufzustellen.» Nur: Was heisst das genau?
Als Erster verriet Marc Brändli von Zweifel-Chips sein Rezept, um ein Arbeitgeber zu sein, bei dem man gerne tätig ist. Seines Erachtens ist von zentraler Bedeutung, dass seine Firma, die schon 125 Jahre alt ist, immer noch von der Familie Zweifel geführt wird. «Sie stellt einen CEO, dem das Wohlergehen der Mitarbeitenden sehr am Herzen liegt.» Jeder einzelne Angestellte erhalte für seine geleistete Arbeit eine hohe Wertschätzung, so Brändli. «Es ist darum kein Zufall, dass wir über einen hohen Anteil von Mitarbeitenden verfügen, die schon 25 und mehr Jahre bei uns tätig sind.»
Die Familie Zweifel organisiere jedes Jahr ein grosses Firmenfest für alle Mitarbeitenden, und die gesamte Belegschaft erhalte einen Bonus, wenn das Geschäftsjahr gut gelaufen sei, so Brändli. Er sei auch offen für Neuerungen im Personalbereich, aber, wie er sagt, müssten diese zur Firma passen. «Eine Rutschbahn im Büro mag zu Google in Zürich passen, aber nicht zu Arbeitgebern einer anderen Branche.» Brändli schloss mit der Feststellung, dass das Umfeld am Arbeitsplatz stimmen müsse. «Denn zufriedene Mitarbeitende sind die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs eines Unternehmens.»
Einsitz in Geschäftsleitung
Brigitte Baur von der Stiftung Alterszentrum Bülach berichtete, dass die kürzliche Einführung der 38-Stunden-Woche ein Pluspunkt für alle Mitarbeitenden sei. In ihrem Fall sei es ferner positiv, dass sie als Personalverantwortliche in der Geschäftsleitung Einsitz habe, «womit Personalfragen bei allen strategischen Entscheiden eine grosse Bedeutung zukommt».
Es sei wichtig, dass die Anliegen der Mitarbeitenden gehört und auf höchster Ebene eingebracht werden. So seien in der Pflege zahlreiche junge Mütter tätig. Viele wünschten sich, ihre Kinder in einer Kindertagesstätte unterbringen zu können. Solch «berechtigten» Wünschen sei, wenn möglich, Rechnung zu tragen.
Nicole Schneeberger vom Zentrum Ergolz sagte, dass die Sinnhaftigkeit der Arbeit wichtig sei. Diese sei insbesondere in der Pflege und den anderen Gesundheitsberufen gegeben. Um aber ein guter Arbeitgeber zu sein, wie es das Zentrum Ergolz auch anstrebe, brauche es noch mehr, nämlich gute Arbeitsbedingungen. Wobei hier nicht nur der Lohn zähle, sondern auch Weiterbildungsmöglichkeiten und eine «Flexibilisierung der Arbeitszeiten». In diesem Punkt stehe das Zentrum Ergolz noch am Anfang. Projekte dazu seien jedoch initiiert worden.
Junge wechseln Stelle häufiger
Während der gut besuchten Diskussionsrunde wurden verschiedenste Aspekte beleuchtet. So war man sich einig, dass gute Löhne alleine nicht alles seien, um als guter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Vielmehr brauche es Wertschätzung für die geleistete Arbeit, einen respektvollen Umgang untereinander auf allen Hierarchiestufen, Weiterbildungsmöglichkeiten oder Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit.
Besondere Erwähnung erhielt die Generation Z. Dazu gehören junge Menschen, die nach 2000 geboren wurden. Sie stellten die Arbeitgeber vor besondere Herausforderungen, so der Tenor. Denn sie suchten in der Arbeit möglichst viel Spass und Eigenverantwortung, wechselten aber gerne ihre Stelle. Das laufe den Interessen eines Arbeitgebers entgegen, wenn er an langjährigen Mitarbeitenden interessiert sei.