Günsel
02.05.2025 BaselbietAHNIG VO BOTANIK
In unserem Kanton kommen sicher drei, vielleicht auch alle vier einheimischen Günsel-Arten vor. Der häufigste ist der Kriechende Günsel. Er wächst in frischen Wiesen, die gut gedüngt sind, oder in Wäldern, an Bahn- oder Strassenböschungen. Wenn er blüht, fällt er durch seine blauen Blüten in einem ährigen Blütenstand auf. Die Blätter im Blütenstand sind ungefähr gleich lang wie die blauen Blüten. Am Grunde bilden die Blätter eine Rosette und am zweiseitig behaarten Stängel stehen sich die Blätter kreuzweise gegenüber. Auffallend sind die oberirdischen Ausläufer, die sich in alle Richtungen ausbreiten. Diese Eigenschaft führte auch zum Namen Kriechender Günsel. Ein Mundartname nennt ihn sogar «Schlangenkraut», weil sich die Ausläufer auf dem Boden dahinschlängeln. Die Blüten sind zweilippig, wobei bei den Günseln die Oberlippe nur einen Millimeter lang ist.
Seltener wächst bei uns an mageren und trockenen Stellen der Genfer Günsel. Er bildet keine Ausläufer und ist auch an den Blättern behaart. Der Stängel ist auf allen vier Seiten behaart und die Blätter im Blütenstand sind deutlich gezähnt und oft leicht bläulich. Die Blüten sind von einem intensiven Blau.
Die dritte Art ist eine Pflanze der Äcker und Brachflächen und wurde in den letzten Jahren nur im Birsfelder Hafen und der Reinacher Heide gefunden. Wie es der Name sagt, hat der Gelbe Günsel gelbe Blüten. Die Blüten stehen meist einzeln in den Blattwinkeln. Die Blätter sind zum Teil dreispaltig mit linealen Abschnitten. Sie riechen leicht aromatisch.
Die Gattung der Günsel gehört zu der Familie der Lippenblütler. Diese Familie ist mit über 200 Gattungen mit rund 7000 Arten weltweit verbreitet. Nur gerade in den trockensten Wüsten fehlen diese Pflanzen. Die Günsel haben viele der typischen Merkmale der Lippenblütler. Dazu gehört der vierkantige Stängel mit den gegenständigen Blättern. Eigentlich wachsen die Blüten an Verzweigungen von Seitentrieben. Weil diese aber stark verkürzt sind, ergibt sich der Eindruck, die Blüten sitzen am Haupttrieb. Die Gattung ist auch zweilippig, auch wenn die Oberlippe sehr kurz ist, und die Blüten haben vier Staubbeutel.
Viele Arten der Familie der Lippenblütler enthalten ätherische Öle, was dazu geführt hat, dass diese als Gewürz- oder Heilpflanzen verwendet werden (Minze, Thymian, Basilikum, Oregano, Lavendel …). Der Kriechende Günsel wurde im Mittelalter als Aufguss gegen Magengeschwüre, Durchfall und Rheuma eingesetzt. Heute wird er noch hie und da Salaten und Suppen beigemischt oder als Spinat gegessen.
Ein alter Spruch aus dem Baselbiet meint: «Gegen die Mundfäule (Herpes-Entzündung des Mundes) ist es gut, wenn man das Schlangenkraut durch den Mund zieht oder an den Hals hängt. Sobald das Kraut abgedorrt ist, vergeht auch die Mundfäule.» Hier kann man mit Sicherheit sagen: «Nützt’s nüt, so schad’s nüt», und es ist erst noch gratis!
Andres Klein ist Botaniker. Er lebt in Gelterkinden.