Gratis
15.05.2025 PersönlichI han en alti Abneigig gege s Wort «Gratis». My hets drum scho früeh dunkt, in gratis schwing son e gönnerhafti Gnädigkeit mit. Und die goot mer geg ne Stolz.
Gratis erinnert mi nämmlig sofort an Stocki. Vor em Küfi z Lieschtel het d Firma Knorr emol e ...
I han en alti Abneigig gege s Wort «Gratis». My hets drum scho früeh dunkt, in gratis schwing son e gönnerhafti Gnädigkeit mit. Und die goot mer geg ne Stolz.
Gratis erinnert mi nämmlig sofort an Stocki. Vor em Küfi z Lieschtel het d Firma Knorr emol e Stand ufbout, und dört gits dä neu Härdöpfelstock us em Güggli gratis zum Probiere. Der Ruedi nimmt my mit, dä weiss immer, wo s öbbis gratis git. Mer warten in der Schlange, bis mer dra sy. Zringsum schmatze d Lüt: «Mmh, grad so guet wie dä vo der Grossmueter, ganz ohni Bölleli und erscht no gratis!» Und denn gits für eus Buebe vom Knorrli mit der rote Zipfelchappe e Löffel Stocki uf e Tällerli und e Gäbeli derzue. Und won er gnädig nickt und säit: «Chinder, verzellets dehei, Stocki isch vom Knorr!», do hammi undereinisch ganz beschämt gfühlt, und so isch mer das bliibe. Genau das isch «gratis» für mi bis hüt: wie s gönnerhafte Nicke vom ne Knorrli! Aber der Ruedi isch denn no dreimol goo aschtoo.
In der Wärbig isch «Gratis» sit eh und je e Zauberwort, will das der Gryfreflex aaregt, dä Zwang zum Zämmeramüssiere, wo der Mensch vo syne Jeeger- und Sammlervorfahren immer no tief in de Gen het. Wenn s git, denn nimm, sovill de numme chasch! Genau dorum han ich Duubel e paar Joor spööter denn im Schwimbi au die Murattimüschterli agnoo, wo zwee Hostesse grosszügig an eus Teenager verteilt häi, und füfzg Joor spöter rauch I immer no. Aso chumm mer nümm mit gratis!
Amme stoot am Stroosserand e Tisch vor me Huus, voll mit allerlei Ussortiertem us em Chäller und vom Eschtrig. Und immer hangt dört au e Plakätli, wo in Schönschrift druffstoot «Gratis!». Nie stoot «Zu verschenken!» oder «Zum Mitnehmen!», was I no sympathisch fänd, nei, sii schryyben immer «Gratis!». Und dasch ebe der Unterschiid. Das suggeriert doch, as würde guethärzigi Lüt ihri Wärtgegeständ vo alte Vasen über verschnuudereti Globibüecher bis hii zu Barbieschlösser, platte Chindervelööli und Ski samt Skischueh grosszügig de Bedürftigen überloo, eifach nur für Gottes Lohn, au wenn me jo eigentlig no Gäld derfür hätt chönne heusche. Do han I immer sofort s Gfühl, so mildtätigi Gönner und Menschefründ heebe sich in erschter Linie d Chöschte für e Mulde welle spare.
Wo mer letschti d Bedienig e Kaffi mit me Gipfeli bringt, vergheyt das bim Dryybysse grad in tuusig Brösmeli. Ups, do het sich dänk eis vo vorgeschter under die früsche verirrt. I gibs mit me Lächle zrugg, sii luegt echly befrömdet, bringt mer aber e früschs. Spööter bym Zahle säit sii: «Au wenn Siis scho aabisse häi, s erschte Gipfeli isch denn aso gratis, im Fall!» Und derzue nickt sii au so gnädig. «Woow», säg I do, «dasch jo scho schampar grosszüügig vo Ihne, aber wüsse Sii, I zahls doch lieber, wil gratis will I nüt, das halt I närvlig nit us!» Jetz luegt sii no ungläubiger. I ha mer no churz überläit, öbb ere sell vom Knorrli verzelle, aber has denn doch lo sy.
Florian Schneider wurde 1959 geboren und stammt aus Reigoldswil. Er ist Sänger, Schauspieler und Liederschreiber und lebt mit Tochter Mina in Eptingen.