Goht beware!
16.02.2024 Fasnacht, Fasnacht, RegionIn schwierigen Zeiten fragt man sich: Was ist mir wichtig? Was will ich bewahren? Was gilt es zu schützen? Angesichts der angespannten Lage an vielen Orten auf der Welt stellt man sich auch hierzulande diese Fragen – mit ganz unterschiedlichen Resultaten.
Organisationen wie der ...
In schwierigen Zeiten fragt man sich: Was ist mir wichtig? Was will ich bewahren? Was gilt es zu schützen? Angesichts der angespannten Lage an vielen Orten auf der Welt stellt man sich auch hierzulande diese Fragen – mit ganz unterschiedlichen Resultaten.
Organisationen wie der Denkmal- oder Heimatschutz haben es einfach. Sie haben das ja schon in ihrem Namen. Also haben sie ihre Antwort schnell gefunden: Die Tschudy-Villa! Bald zwei Jahre forscht ein Heer von Bewahrern nun schon, um zu beweisen, dass die Sissacher Lotter-Grotte schützenswert ist. Gut möglich, dass dieser Prozess so lange dauern wird, dass auch das monströse provisorische Dach über dem Dach der Villa unverrückbar zum Ortsbild gehören und folgerichtig selbst als schützenswert eingestuft wird. Mit dieser Methode hätte man damals auch auf der Kunsti mit wenig Geld Ornig schaffen können. Jänu.
Auch der Tierschutz muss nicht lange nach einer Antwort suchen: Igeli-Aufpäppeli-Stationen für Tiere unterhalb der Anmutsgrenze und Biber-Beobachtungsposten spriessen wie Pilze aus dem Boden. Die Domizile der Baummörder werden gar grossräumig renaturiert und unnötigerweise kartiert: Wenn du auf dem Reitplatz nasse Füsse bekommst oder die Gemeinde Millionen für Jahrhunderthochwasser-Schutzbauten ausgibt, sind die Biber nicht weit. Tja.
Aber zum eigentlichen Thema: Die hiesige Fasnachts-Unesco hat sich die Bewahrung der Fasnacht auf die (Alkohol-)Fahne geschrieben. In Sissach ortet man einen dramatischen Fantasie-Verlust der Wägeler, Guggen und Cliquen (Gibt’s die noch?). Also im Vergleich mit früher, als alles noch besser und die Fasnacht noch richtig originell war, mit genialen lokalen Sujets und so. «Doch, doch, doch, das war allewyl so!» In den vergangenen Jahren sei dagegen alles so grässlich international geworden mit Trump, Astronauten und Disney – oder aber die Grüppeli und Güggeli schauten nur auf den eigenen Nabel und feierten am Umzug jedes 1,75te Jubiläum. Der jugendliche Autor dieser Zeilen hatte zwar aus eigenen Beobachtungen darauf geschlossen, dass dies längst gute alte fasnächtliche Tradition sei, wurde durch die FGS nun aber eines Besseren belehrt. (Danke!). Früher war nämlich alles viel besser und die Menschen waren noch richtig einfallsreich. Wahrscheinlich sind die Abschaffung des Rechenschiebers und die grassierende Digitalisierung Schuld daran, dass heute alle nur noch saufen und «100 Jahre Durst» als Sujet zelebrieren. Früher konnten nach der Fasnacht emel noch alle problemlos mit dem Auto nach Hause fahren. Ohne Gurte! Item.
Die Sissacher Fasnachtsgesellinnenschaft hat also das Ausbleiben von originellen Sujets zum Sujet der ganzen Fasnacht erhoben. Ein Schelm, wer darin Ironie entdeckt. Ist es in Sissach tatsächlich langweilig geworden? Einfallslosigkeit mit Einfallslosigkeit bekämpfen? Die Wirkung des zum Sujet erhobenen Appells dürfte angesichts der Umzugsaufstellung – sie lässt sich diesem «Gurlifiengger» übrigens handlich inklusive Veranstaltungskalender auf der Rückseite entnehmen – eher in bescheidenem Rahmen halten. Im Motto-Ranking des baslerischen Tagi hat das Sissecher Nicht-Sujet immerhin schon mal zur grösstmöglichen Schmach geführt: Sogar Gelterkinden hat eine bessere Bewertung erhalten als der Versuch der FG*S, den eigenen Mitgliedern ans Bein oder in unanständigere Körperteile zu ginggen. Dabei haben die Geltverschwenderinnen genau dasselbe Motto. Wahrscheinlich geprägt von Jahren voller Angst vor dem finanziellen Kollaps, weil die Chlorbecken im Südwesten und der Kulturtempel im Zentrum alle Steuereinnahmen auffressen, ist das Motto der Gefa einfach fatalistischer: Dort gehört Frau Fasnacht nicht wie in Sissach nur an den Sujet-Tropf, sondern sie liegt gar im «sterbä», wie dem Vers zum Motto zu entnehmen ist. Man müsse Sorge tragen zur Kultur. Dass die Gefa in ihrem Poem die hiesige Mundart mit dem Zweihänder um die Ecke bringt, war wohl nicht beabsichtigt. Aber he, sollen die ewiggestrigen Sprachpolizisten doch nicht rummotzen, nur weil die Gefalerinnen in «Gelterkindä» zur Fasnacht und andere «Brüch» (Mehrzahl von Bruch, oder?, der Setzer) sorgfältig «düen sii» und Angst haben um deren «Überlebä»! Sprache ist nur Sprache, Fasnacht dagegen ist Kultur, und zu der muss man Sorge tragen und «sä guet pflegä». Ihr Wort in Gohtes Or. Ahmen.