Aber der Schmetterlingsflieder ist unschuldig
Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii), eine dekorative Gartenpflanze, kam in Verruf, weil sie angeblich unsere einheimischen Pflanzen verdrängt und Schmetterlinge, die ihren Nektar saugen, süchtig macht und sie schädigt. Doch ...
Aber der Schmetterlingsflieder ist unschuldig
Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii), eine dekorative Gartenpflanze, kam in Verruf, weil sie angeblich unsere einheimischen Pflanzen verdrängt und Schmetterlinge, die ihren Nektar saugen, süchtig macht und sie schädigt. Doch wie solide ist dieser Verdacht?
Heinz Döbeli
Ob Tagpfauenauge, Admiral oder Zitronenfalter – der Schmetterlingsflieder (auch Sommerflieder genannt) zieht Schmetterlinge magisch an. Sein Nektar soll Koffein enthalten, das die Falter süchtig machen und ihren Bestand gefährden soll. Dieses Gerücht hält sich hartnäckig, obwohl dazu keine belastbaren wissenschaftlichen Studien vorliegen.
Ein Beispiel für giftigen Nektar liefert uns der Pontische Rhododendron. Dieser wächst in der Türkei an der Schwarzmeerküste. Der aus dieser Pflanze erzeugte Honig kann sehr giftig sein. Bei Menschen verursacht er niedrigen Blutdruck, verlangsamten Herzschlag und Schwindel.
Die Wirkungen von Schwarzmeerhonig waren schon in der Antike bekannt. Als die Römer 65 Jahre vor unserer Zeitrechnung das Land des Königs Mithridates von Pontus erobern wollten, liess dieser an der Einfallsachse der römischen Legionen Honigwaben aufstellen. Die Legionäre sahen darin ein Geschenk der Götter und assen reichlich davon. Am Ende der Völlerei waren sie bekifft und entsprechend kampfunfähig. Die Einheimischen konnten die Römer massakrieren, was zum Ende des Feldzuges führte. Chemische Kriegsführung schon vor mehr als 2000 Jahren …
Auch für Insekten giftig
Viele Pflanzen schützen sich mit Gift davor, gefressen zu werden. Auch wenn viele Teile dieser Pflanzen giftig sind, ist der Nektar meist ungiftig. Giftiger Nektar würde bestäubende Insekten schädigen.
Der Pontische Rhododendron ist eine Ausnahme, bei ihm ist alles giftig, auch der Nektar. In England gelten diese dekorativen Pflanzen als invasive Neophyten. Ursprünglich in botanische Gärten als Zierpflanzen eingeführt, fanden sie den Weg in die Wälder, wo sie dichte Bestände bilden. Für englische Honigbienen ist dieser Nektar tödlich.
Eine Pflanze, die bestäubt werden will und die Insekten, die dabei helfen, sogleich vergiftet? Auf den ersten Blick ist das unlogisch, auf einen zweiten Blick aber raffiniert. An der Küste des Schwarzen Meeres gibt es eine Unterart der Honigbienen, denen der giftige Honig nicht schadet. Aber viele anderen Insekten meiden diesen Nektar. Dadurch wird der Pollen nicht auf andere Pflanzenarten verteilt, sondern selektiv auf die gleiche Art. Marketingexperten würden dieses Zusammenspiel als Kundenbindung bezeichnen.
Resistente Erdhummel
Wird der Pontische Rhododendron aus seinem angestammten Gebiet nach England verschleppt, sterben die englischen Bienen und giftiger Honig entsteht nicht. Trotzdem kann sich der Rhododendron vermehren, weil es in England eine Erdhummel gibt, die resistent ist gegen das Gift und die Rhododendren bestäubt.
Dank Globalisierung und Klimaerwärmung werden bei uns noch weitere Tiere und Pflanzen einwandern und unser Ökosystem verwirren. Aber Angst vor giftigem Honig aus Pontischem Rhododendron müssen wir nicht haben, denn der wächst auf unseren kalkhaltigen Böden nicht.