Gesetzgebung hinkt hinterher
06.06.2025 Natur, BaselbietEin riesiger Götterbaum steht in Liestal beim Restaurant Farnsburg, und er steht schon länger dort, als ich lebe. Laut einem Artikel in der «bz Basel» im Jahr 2019 muss dieser Baum gefällt werden. Dem Entscheid ging eine lange Diskussion voraus. Aber der Baum steht noch ...
Ein riesiger Götterbaum steht in Liestal beim Restaurant Farnsburg, und er steht schon länger dort, als ich lebe. Laut einem Artikel in der «bz Basel» im Jahr 2019 muss dieser Baum gefällt werden. Dem Entscheid ging eine lange Diskussion voraus. Aber der Baum steht noch immer – zum Glück!
Heinz Döbeli
Im Zonenplan Siedlung ist dieser Götterbaum geschützt, weil er mit seinen mehr als 80 Jahren das Ortsbild von Liestal prägt. Dem steht die Auflage des Bundes entgegen, dass bei der Revitalisierung des Orisbachs Neophyten bekämpft werden müssen. Bundesgesetz steht über dem kommunalen Gesetz. Der Götterbaum gilt als invasiver Neophyt. Wegen der Freisetzungsverordnung des Bundes ist der Götterbaum verboten.
Der Klimawandel findet statt, schneller als erwartet. Seit 2019 erlebten wir weitere trockene und heisse Sommer und weitere werden folgen. Der Götterbaum gilt als fit für das zukünftige Klima – er ist ein Klimabaum.
Was sind Klimabäume?
Das Buch «Bäume der Hoffnung» von Susanne Fischer-Rizzi nennt folgende Eigenschaften solcher Bäume: Toleranz gegen Trockenheit, Wasserknappheit, Hitze, Extremwetter und karge Böden. Auf der Liste der Zukunftsbäume ist auch der Götterbaum. Dieser Baum wächst dort, wo andere Bäume nicht wachsen können: auf steinigen, unfruchtbaren und trockenen Böden. Und er wächst schnell, auch aus Mauerritzen. Die enorme Wuchskraft macht ihn verdächtig, zumal er aus China stammt … Dass der Götterbaum in Liestal dank seiner Grösse viel Schatten spendet und während heisser Tage das Mikroklima in diesem Teil von Liestal angenehmer macht, wird geschätzt. Ausserdem leistet der üppige Mantel aus Efeu einen wichtigen Beitrag für die Biodiversität.
Menschengemachte Gesetze
Die Freisetzungsverordnung ist ein gut gemeintes Gesetz, das sicherstellen soll, dass uns die einheimische Flora und Fauna erhalten bleibt. Begründet werden diese Verbote damit, dass invasive Neophyten die einheimischen Pflanzen verdrängen und in der Folge die Biodiversität schädigen könnten.
Aber wie nützlich ist diese Verordnung, wenn sich herausstellt, dass viele einheimische Pflanzen das zukünftige Klima nicht vertragen? Wäre es nicht zielführender, die Eignung der Neophyten für das kommende Klima höher zu gewichten als ihre Herkunft? Wenn man den Götterbaum fällt und durch eine junge Buche oder Eiche ersetzt, warten wir Jahrzehnte auf den Schatten. Auch ist nicht sicher, ob die Klimaforscherinnen und -forscher die künftigen Temperaturen richtig berechnet haben. Was, wenn es statt um 2 Grad Celsius einmal um 4 Grad wärmer wird?
Um bis 4 Grad wärmer als in der vorindustriellen Zeit war es schon einmal, nämlich im Pliozän. Das war eine Warmzeit, die vor 5,4 bis 2,4 Millionen Jahren bei uns herrschte. Damals betrug der Kohlendioxidgehalt etwa 400 ppm, also vergleichbar mit dem heutigen Wert von 420 ppm. In der vorindustriellen Zeit, also vor 300 Jahren, lag dieser Wert bei 280 ppm (ppm ist die englische Abkürzung von «parts per million», 400 ppm entsprechen 400 Molekülen Kohlendioxid auf 1 Million aller Moleküle der Luft).
Im Buch «Bäume der Hoffnung» sind Bäume beschrieben, die auch in der Freisetzungsverordnung aufgeführt sind (Götterbaum, Robinie, Blauglockenbaum). Andererseits fand man in Braunkohlegruben in Deutschland fossile Überreste von Bäumen, die bei uns im Pliozän heimisch waren und ebenfalls im besagten Buch beschrieben sind (Tulpenbaum, Tupelobaum). Viele dieser Bäume starben während der darauf folgenden Eiszeiten aus oder wichen in den Süden zurück. Nach dem Ende der Eiszeit fanden sie den Weg nicht mehr zurück, weil die Alpen den Weg versperrten. Jetzt wandern einige zurück, dank Klimaerwärmung und menschlicher Hilfe. Vielleicht sollten wir unseren Blinkwinkel öffnen und mehr auf den Nutzen dieser Pflanzen schauen.