«Gemeinde fusionen stärken die Demokratie»
30.11.2023 BaselbietNationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter zur gescheiterten Fusion von Hersberg und Arisdorf
Sehr interessiert hat «Mitte»- Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter die Fusionsbemühungen zwischen Arisdorf und Hersberg mitverfolgt. Das knappe Nein hat die ...
Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter zur gescheiterten Fusion von Hersberg und Arisdorf
Sehr interessiert hat «Mitte»- Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter die Fusionsbemühungen zwischen Arisdorf und Hersberg mitverfolgt. Das knappe Nein hat die Unterbaselbieterin, die bereits vor 16 Jahren das Thema Gemeindefusion in die Kantonspolitik getragen hatte, enttäuscht.
Jürg Gohl
Frau Schneider, seit 2010 politisieren Sie auf nationalem Parkett. Wie stark haben Sie die Fusionsabstimmung in Arisdorf und Hersberg mitverfolgt?
Elisabeth Schneider-Schneiter: Mit grossem Interesse, gleich wie alle anderen Fusionsdebatten im Baselbiet auf Gemeindeebene. Denn das Dossier habe ich in meiner Zeit als Landrätin immer bearbeitet und mit einem Vorstoss im Jahr 2007 erstmals zum kantonalen Thema gemacht. Es ist mir seither ein Anliegen geblieben.
Haben die beiden Gemeinderäte im Vorfeld etwas falsch gemacht?
Sie haben es offenbar nicht fertiggebracht, aufzuzeigen, wie gross die Synergien und die gemeinsamen Interessen sind, weil sie gemeinsam eine viel stärkere Stimme erhalten würden. Für mich bedeuten Gemeindefusionen immer auch eine Stärkung des Föderalismus. Je grösser eine politische Gemeinschaft ist, umso stärker kann sie zum Beispiel gegenüber dem Kanton auftreten.
Die kleineren Gemeinden im Oberbaselbiet setzen gerne auf Verbünde bei Schule, Verwaltung, Werkhof, Behörden, Spitex und vielem mehr. Da erübrigen sich Fusionen doch.
Nein. Die Kleinstgemeinden verlieren dadurch an demokratischer Stärke, weil das Stimmvolk bei Verbünden nicht mehr mitentscheiden kann, da diese oft dem Kanton unterstehen. Als Demokratin stört mich das sehr. Baselland ist der am zentralistischsten organisierte Kanton des Landes. Die Stärkung der Gemeinden durch Fusionen führt in meinen Augen zu einem Gewinn an Demokratie. Der Kanton muss sich den Vorwurf gefallen lassen, es verpasst zu haben, mit finanziellen Anreizen Fusionen zu unterstützen.
Sie sind bekannt als Promotorin von Gemeindefusionen, engagierten sich 2014 für die Kantonsfusion und immer wieder für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Ist das Ihr politisches Credo?
Absolut. Wir müssen unsere Strukturen generell überdenken und uns überlegen, in welchen Bereichen wir gemeinsam stärker sind. In Bern kann ich beobachten, wie eine starke Nordwestschweizer Regierungskonferenz viel mehr erreicht als jeder Kanton im Alleingang. Es freut mich zu beobachten, dass auch Basel-Stadt und Baselland viel besser zusammenarbeiten als früher, insbesondere in Bereichen von Infrastrukturprojekten. Wir brachten den Rheintunnel, den Gateway Nord und das «Herzstück» in Bern durch, weil wir gemeinsam und geschlossen aufgetreten sind.
Begeben wir uns zurück auf das Gemeinde-Niveau. Was bewog Sie, 2007 das Thema in den Landrat zu tragen? Damals arbeiteten Sie in Biel-Benken als Verwalterin der noch immer einzigen Baselbieter Fusionsgemeinde. Trug dies dazu bei?
Natürlich. Ich sah, wie erfolgreich diese Fusion für die beiden Gemeinden verlaufen ist. Sie ermöglichte ein kostengünstigeres Arbeiten und damit einen günstigeren Steuersatz. Wir wurden attraktiver. Als Gemeindeverwalterin wollte ich nicht einfach die Vollzugsföderalistin des Kantons sein. Zudem hat mich damals Daniel Müller-Jentsch von Avenir Suisse mit seinen Vorträgen zu diesem Thema beeindruckt. Er sagte, Fusionen müssen von unten entstehen und nicht von oben diktiert werden. Zu erwähnen ist auch, dass es schon damals an Behördenmitgliedern fehlte. Gute Gemeinderätinnen und -räte waren schon damals gesucht. Nochmals: Ich bin entschieden für die Stärkung der Gemeinden, ich will sie nicht schwächen. Dazu sind Fusionen ein wertvolles Mittel.
Im Unterschied zum Oberbaselbiet hing Ihre Gemeinde nicht am Tropf des Finanzausgleichs. Welche Rolle spielt er?
Mir ist schon damals im Landrat aufgefallen, dass der kantonale Finanzausgleich benutzt wird, um im oberen Kantonsteil veraltete Strukturen zu erhalten. Da verrät ein Blick, wo die strukturschwachen Gemeinden zu suchen sind. Vielleicht ändert sich das, wenn das Geld nicht mehr im gleichen Mass fliesst. Ich bedaure es, dass die Gemeinden nicht jetzt handeln, wenn sie das Heft noch in den Händen halten, und etwas entstehen lassen, das für sie gut ist. Aber es gibt Gemeinden, denen der Kanton eine Vertreterin in den Gemeinderat setzt und die dadurch vom Kanton bevormundet werden. Da müssen doch die Alarmglocken läuten.
Spielen Sie auf Kilchberg an?
Ja. Und in Hersberg treten nach dem Nein zwei oder sogar alle Räte zurück. Das würde mich als Einwohnerin im Stolz verletzen. Deshalb müssen die Strukturen schnell angepasst werden.
Ist Kilchberg das nächste Fusionsprojekt? Wagen Sie eine Prognose?
Lassen wir den Blick in die Glaskugel. Als ehemalige Gemeindeverwalterin von Biel-Benken sehe ich immer noch die Vorteile der Fusion. Und ich kann beruhigen: Auch 51 Jahre danach gibt es noch in Biel und in Benken je ein Fasnachtsfeuer.
Wie lange werden wir auf die zweite Fusion im Kanton warten?
Schauen wir, was in Kilchberg entsteht. Aufgrund der gescheiterten Fusion vom vorvergangenen Sonntag gehe ich davon aus, dass auf Kantonsebene ein neuer Anlauf unternommen wird, Gemeindefusionen mit Anreizen zu unterstützen. Mein Parteikollege Dario Rigo aus Ormalingen – so viel Werbung sei mir erlaubt – hat im Landrat bereits einen Vorstoss zu «meinem» Thema eingereicht.