Gegen die ständige Verfügbarkeit
27.09.2024 BaselbietDie Baselbieter Sekundarschulen können unabhängig vom Kanton entscheiden, wie die Handy-Nutzung an ihrer Schule geregelt werden soll. Dabei sprechen sich alle Oberbaselbieter Schulen grundsätzlich gegen ein komplettes Verbot aus.
Tobia Benaglio
Das ...
Die Baselbieter Sekundarschulen können unabhängig vom Kanton entscheiden, wie die Handy-Nutzung an ihrer Schule geregelt werden soll. Dabei sprechen sich alle Oberbaselbieter Schulen grundsätzlich gegen ein komplettes Verbot aus.
Tobia Benaglio
Das Thema «Handy-Verbot» an der Oberstufe hat in den vergangenen Monaten für einigen Gesprächsstoff gesorgt. In den Kantonen Solothurn und Zürich beispielsweise gab es Vorstösse von Parlamentariern über kantonale Smartphone-Verbote an Sekundarschulen, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Die Regierungen vertreten allerdings die Ansicht, dass jede Schule individuelle Regeln bezüglich der Handy-Nutzung aufstellen soll.
Dies gilt auch im Baselbiet. Doch hier werden die Regeln immer wieder angepasst und in letzter Zeit oft verschärft. «Das ist eine schweizweite oder sogar europaweite Diskussion», sagt der Rektor der Sekundarschule Sissach, Matthias Schafroth, gegenüber der «Volksstimme». Es gebe Schulen, die ein komplettes Handy-Verbot ausgesprochen haben, beispielsweise im Kanton Aargau. Teilweise müssten Schülerinnen und Schüler ihre Smartphones abgeben, bevor sie die Schule betreten.
Auch in Sissach wird laut Schafroth darüber diskutiert, die Regeln zu verschärfen. Stand jetzt dürfen die Schülerinnen und Schüler das Handy während des Unterrichts und in den Gebäuden nicht benutzen. In den Pausen sowie vor und nach dem Unterricht im Aussenbereich, und über Mittag auch in den Gebäuden, dürfen die Lernenden online sein. Eine Umfrage der «Volksstimme» bei zwei Sissacher Sekundarklassen zeigt: Die Schülerinnen und Schüler sind grundsätzlich einverstanden mit dieser Regelung. Während ein Drittel der Befragten die Regel gerne abschaffen würde und auch drinnen das Handy verwenden will, finden zwei Drittel die Regelung fair. Dies begründen sie damit, dass sie sonst schon zu häufig online seien.
Einzelne Schülerinnen und Schüler würden die Regel sogar verschärfen, indem beispielsweise das «Gamen» und Filmen in der Pause verboten wird und das Handy nur als Kommunikationsmittel verwendet werden darf.
Darüber, inwiefern die geltenden Regeln eingehalten werden, sind sich die Schülerinnen und Schüler nicht einig. Ein Drittel der Befragten findet, dass die Regeln gut eingehalten werden, während ein Drittel der Meinung ist, dass dies nur «meistens» der Fall ist. Ein letztes Drittel gibt zu, dass die Einhaltung der Regel nicht immer klappe – besonders auf der Toilette seien die Schülerinnen und Schüler «oft» am Handy.
«Unsichtbar und lautlos»
Auch an der Gelterkinder Sekundarschule ist das Thema «Handy-Verbot» hoch aktuell. Erst Anfang dieses Schuljahres wurden die Regeln für die Smartphone-Nutzung geändert: von «unsichtbar und lautlos im Gebäude» auf «unsichtbar und lautlos auf dem ganzen Gelände». Vor Unterrichtsbeginn am Morgen und nach Unterrichtsende am Abend sowie am Mittag darf das Handy weiterhin benutzt werden. Dies sei wichtig, da die Schülerinnen und Schüler so erreichbar sind und Kontakt mit ihren Eltern aufnehmen können, erklärt Schulleiter Roger Leoni.
Grund für die Regeländerung in Gelterkinden ist die zunehmende Digitalisierung im Privatleben und im Unterricht. Die Schule versucht, Gegensteuer zu geben. Besonders in den Pausen sollen die Schüler mehr miteinander reden und nicht nur am Bildschirm hängen. Die Verschärfung sei von den Lehrpersonen gekommen und die Schulleitung sei «positiv überrascht», wie gut die Regel eingehalten werde und wie gut die Schüler darauf reagiert haben, so Leoni. «Die Atmosphäre in den Pausen wirkt entspannter, da mit den Smartphones auch ein gewisser Druck wegfällt: Man muss nicht ständig verfügbar sein.»
Einbezug aller ist wichtig
In der Sekundarschule Waldenburgertal in Oberdorf sind die Regeln prinzipiell dieselben wie in Gelterkinden. Das Handy ist auf dem ganzen Areal verboten, ausser über den Mittag. Die Einführung der Regel war jedoch speziell: Als die Schulordnung umgeschrieben wurde, hat die Schulleitung die Handy-Regeln in Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrpersonen erstellt. Somit seien sie sich sicher, dass die Lernenden damit zufrieden sind und sie diese verstehen können, sagt Rektorin Caroline Stähelin.
Dieser Aspekt sei sehr wichtig, findet Experte Tim Rohr von der Suchtprävention Aargau: «Bevor ein Verbot oder eine Einschränkung ausgesprochen wird, sollte die Regel mit den Eltern, Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen sowie der Schulleitung besprochen werden.» So könne ein gemeinsamer Nenner gefunden werden und besonders die Jugendlichen könnten die Regel besser verstehen und vielleicht auch einhalten, so Rohr.
Ausserdem müssten die Jugendlichen von Lehrpersonen und Eltern durch die Einschränkungen begleitet werden. «Eine reine Regulierung reicht nicht aus, um die Medienkompetenz zu erlernen. Den Jugendlichen muss auch erklärt werden, was für Risiken das Internet mit sich bringt und wie sie damit umgehen können», sagt Rohr. Die Schule in einen «Offline-Raum» zu verwandeln, könne auch eine Chance sein – diese Offline-Zeiten seien rar geworden. Wenn die Verantwortlichen den Kontakt mit den Jugendlichen suchen und helfen, Alternativen zu fördern und einen interessierten Austausch pflegen würden, könnten die Lernenden die Regeln besser verstehen, so Rohr.
Komplett verboten sollte das Handy seiner Meinung nach aber nicht werden. Denn die Schülerinnen und Schüler sollen den Umgang mit dem Internet lernen. Dann könnten Smartphones auch existieren, Freude bereiten, und die Sorge um die Handy-Nutzung der Kinder und Jugendlichen werde im besten Falle auch kleiner.