Fussball, Floskeln, Fouls
09.07.2024 BaselbietDie Fussball-EM wollen wir nicht vorbeiziehen lassen, ohne auf ein paar gelbwürdige Fouls – auch diese Floskel ist in Dauerschleife zu hören – an der Sprache zu ahnden. Bewusst sind dabei Fernseh-Reporter ausgenommen, die fast zwei Stunden durchplappern, informieren und ...
Die Fussball-EM wollen wir nicht vorbeiziehen lassen, ohne auf ein paar gelbwürdige Fouls – auch diese Floskel ist in Dauerschleife zu hören – an der Sprache zu ahnden. Bewusst sind dabei Fernseh-Reporter ausgenommen, die fast zwei Stunden durchplappern, informieren und unterhalten müssen, ohne über die Löschtaste der schreibenden Zunft zu verfügen.
Diesbezüglich hielt es die «Basellandschaftliche Zeitung» nach dem Deutschland-Spiel der Schweiz anders. Von ihrem Kulturpapst liess sie Sascha Ruefers Kommentare und Helvetismen sezieren. Bei EM und WM dürsten auf allen Redaktionen die anderen Ressorts danach, dem Sport ins Handwerk zu pfuschen. Schreibt eine Sportredaktorin über Bidens Fitnesszustand? Wenn es doch sein muss, lieber Feuilletonist, dann wenigstens ohne Titelfehler. «Trickreich» zählt zur Mannschaft der Adjektive, und die schreibt sich – richtig – klein.
Anderswo zitiert die gleiche Zeitung das «Hamburger Abendblatt» aus der Hauptstadt des deutschsprachigen Journalismus. Dieses berichtete im gleichen Spiel über einen Schweizer Stürmer, dass er «neben dem Pfosten vorbeigezielt» habe. Das grenzt doch an Arbeitsverweigerung! Oder hat er doch auf die andere Seite des Pfostens gezielt, aber einfach nicht getroffen?
Im Radio meldete kürzlich eine Moderatorin, dass im Abendspiel eben «s erschti Tor gfalle isch». Sie korrigierte sich sogleich: «Gool» habe sie natürlich sagen wollen. Ja, tragen wir zumindest in der Mundart und im Schweizer Hochdeutsch Sorge zu den übrig gebliebenen Fussball-Fachausdrücken aus dem Land des Erfinders wie «Offside», «Corner», «Captain», «out», «offside» und natürlich «Goal». Vergessen wir nie, dass unser «Schutte», wie wir die Sportart noch immer nennen, seinen Namen ebenfalls dem chronisch erfolglosen Mutterland verdankt. «Shoot!» («Schiesse!») wurde den Kickern zugerufen.
Die «Basler Zeitung» zitierte vor dem Italien-Spiel der Schweiz in der Überschrift einen Spieler mit dem Satz, man dürfe «Italien nicht unterschätzen». Zweitens tönt es ziemlich anmassend gegenüber einer führenden Fussball-Nation; erstens aber handelt es sich hier um die ziemlich dümmste Floskel im Sport, sagt sie doch nichts anderes als ihr Gegenteil: Die können ja nichts, normalerweise putzen wir die weg. Anzulasten ist das nicht dem jungen Spieler, sondern dem Journalisten, der sicher Gescheiteres notiert hat.
Die Sprachpolizei hat sich an dieser Stelle – offenbar wirkungslos – darüber aufgeregt, dass im Sport gegenwärtig alltäglich «Geschichte geschrieben wird». Im Schweizer Fernsehen springen selbst die Nachrichten mit Beiträgen auf den EM-Zug auf. Zum Beispiel mit einem Beitrag zum Team aus Georgien. Da fällt, Anmoderation inbegriffen, diese Wendung inflationäre drei Mal. Dabei steht die grösste Überraschung, das Weiterkommen der Georgier, noch aus. Später ist der Titel zu lesen: «Österreich will Geschichte schreiben.»
Vergessen wir diese Wendung und überlassen sie den wirklich bedeutenden Ereignissen der Weltpolitik, an denen es aktuell leider wirklich nicht mangelt. Zumal es die Schweiz am Samstag verpasst hat, gegen England Geschichte zu schreiben.
Jürg Gohl