Frosch und Kröte am Start
01.03.2024 BaselbietWarten auf warme, feuchte Nächte
Die alljährliche Wanderung der Amphibien zum Laichen und Eierablegen zu den Weihern und Tümpeln ist mit vielen Gefahren verbunden. Mit technischen Mitteln und dem Vernetzen der Lebensräume versucht der Mensch, den Aderlass unter den ...
Warten auf warme, feuchte Nächte
Die alljährliche Wanderung der Amphibien zum Laichen und Eierablegen zu den Weihern und Tümpeln ist mit vielen Gefahren verbunden. Mit technischen Mitteln und dem Vernetzen der Lebensräume versucht der Mensch, den Aderlass unter den Amphibien zu begrenzen.
Otto Graf
Dass Vögel, eben die Zugvögel, weltweit jedes Jahr strapaziöse Reisen unternehmen, um ausreichend Futter vorzufinden, weiss jedes Kind. Weniger bekannt ist, dass sich auch Amphibien auf Wanderschaft begeben, allerdings aus anderen Gründen. Die Hauptreisesaison steht unmittelbar bevor. Die «Volksstimme» wollte Näheres wissen und befragte den Amphibienexperten Martin Küng, Vorstandsmitglied des Nuvrao, des Natur- und Vogelschutzvereins Rothenfluh/Anwil/Oltingen.
«Der Grund, warum Kröten, Frösche, Molche und andere Kleintiere dem Wasser zustreben, ist das Sicherstellen der Fortpflanzung», sagt Küng, der hauptberuflich als Forstwart beim Zweckverband Forstrevier Ergolzquelle arbeitet. So folgen die Kreaturen einem inneren Sinn und streben jeweils im Frühjahr einem stehenden Gewässer zu, um dort ihren Laich oder ihre Eier abzulegen. Danach geht es in umgekehrter Richtung zurück in die heimatlichen Gefilde, in die Lebensräume, die sich, je nach Tierart, bis zu 3 Kilometer weit vom «Geburtsort» befinden.
Ein Hotspot der Amphibien ist das Naturschutzgebiet Tal zwischen Rothenfluh und Anwil. Dort und in den angrenzenden Gebieten sind vor allem, wie Küng berichtet, die Erdkröte, der Grasfrosch, der Bergmolch, der Fadenmolch und die Geburtshelferkröte, auch «Glögglifrosch» genannt, heimisch. Je nach Art legen die Tiere ihren Nachwuchs in grösseren oder kleineren Wasserflächen und Tümpeln ab.
Viele Strassenverkehrsopfer
Die alljährliche Wanderung läuft ziemlich zielstrebig ab. Der Weg zum Ziel ist mit vielen Gefahren verbunden. Tausende Tiere fallen dem Strassenverkehr zum Opfer oder werden von anderen Tieren gefressen. Während Nebenstrassen oder Wege zur Hauptreisezeit temporär für den Verkehr gesperrt werden können, ist dies auf Hauptstrassen kaum möglich. «Ein Gesuch, um die Strasse von Rothenfluh nach Anwil mit einem befristeten Fahrverbot zu belegen, ist leider nicht bewilligt worden», sagt der Experte. Das bedeutet aber nicht, dass dem Kanton das Schicksal der Frösche gleichgültig ist. Im Gegenteil: Der Kanton hat die Strasse Anfang der 1990er-Jahre entlang der Weiher mit mehreren kleintiergerechten Unterführungen versehen, damit die Tiere unversehrt zum Wasser beziehungsweise in den Wald gelangen. Damit die Frösche den Eingang finden, werden an kritischen Stellen zudem Amphibienschutzzäune aufgestellt. Weiter wurden die Strassenentwässerungen mit Ausstiegshilfen versehen.
Ganz ohne menschliches Zutun geht die Unterstützungsaktion der Amphibien aber doch nicht über die Bühne. Waren früher oft ganze Schulklassen, ausgerüstet mit Stiefeln, Pelerine und Eimer, in warmen und feuchten Frühlingsnächten auf und an den Strassen unterwegs, um die Frösche einzusammeln, obliegt diese Aufgabe heute den örtlichen Naturund Vogelschutzvereinen. Freiwillige, die bereit sind, etwas für die Natur zu tun, sind höchst willkommen.
Die ersten Strassenunterquerungen, so auch jene bei den Anwiler Weihern, wurden noch auf Amphibien ausgerichtet. Inzwischen sind die Anwiler Tunnel vergrössert worden und neue werden von Anfang an grösser dimensioniert. Diese Kleintierdurchlässe werden rege benutzt: Wie Aufnahmen mit Wildtierkameras zeigen, dienen diese Unterführungen einer vielfältigeren «Kundschaft». So schlüpfen neben Amphibien auch Wiesel, Iltisse, Waschbären, Dachse, Füchse und andere Geschöpfe durch den Tunnel. Laut Petra Ramseier von der Koordinationsstelle für Amphibienund Reptilienschutz in der Schweiz (Karch) gibt es im Kanton Baselland heute 17 solcher Kleintierdurchlässe.
Fressen und gefressen werden
Der Aderlass der Amphibien bis zum Erreichen der Geschlechtsreife ist gewaltig, was aber im Tierreich nicht aussergewöhnlich ist, wie Küng weiter berichtet. Denn das tierische Dasein ist auf das Fressen, das Erhalten der Art und somit auch auf das Gefressenwerden ausgerichtet. Nur so kann das Gleichgewicht gewahrt und das Überleben gesichert werden. Der Experte schätzt, wenn von tausend Rossköpfen deren zwei das Fortpflanzungsalter erreichen, sei der Fortbestand der Art gesichert. In der Tat stehen die millionenfach abgelegten Eier und der Laich sowie die sich daraus entwickelnden Kreaturen auf dem Speiseplan von Fischen, Vögeln, Insekten und Kleintieren. Frosch und Kröte wiederum bedienen sich als eigentliche Raubtiere mit Vorliebe an Insekten, Würmern und anderem Getier.
Es gehört zum Kerngeschäft der Natur- und Vogelschutzvereine, die Natur zu unterstützen. Dazu gehört das Vernetzen der Lebensräume. So hat der Nuvrao, um bei den Amphibien zu bleiben, in den vergangenen Jahren zahlreiche Teiche und Tümpel angelegt.
Wer sich für den Schutz der Amphibien engagieren will, kann sich bei den örtlichen Naturschutzvereinen oder bei Pro Natura BL (Tel. 061 921 62 62) melden.