Finanziell wegweisende Monate
16.05.2024 BaselbietSparmassnahmen und Primarschulen beschäftigen den Kanton
Finanzpolitisch stehen dem Baselbiet wegweisende Monate bevor. Zum einen gleist die Regierung ein Sparpaket auf, zum anderen verhandeln Kanton und Gemeinden darüber, ob der Kanton künftig einen Teil der ...
Sparmassnahmen und Primarschulen beschäftigen den Kanton
Finanzpolitisch stehen dem Baselbiet wegweisende Monate bevor. Zum einen gleist die Regierung ein Sparpaket auf, zum anderen verhandeln Kanton und Gemeinden darüber, ob der Kanton künftig einen Teil der Primarschulkosten übernimmt. Bei beidem geht es um Hunderte Millionen Franken.
Janis Erne
Zurzeit kämpft im Baselbiet nicht nur manche Gemeinde mit den Finanzen, sondern auch der Kanton. Finanzdirektor Anton Lauber («Mitte») präsentierte im März ein dickes Minus von 94 Millionen Franken in der Jahresrechnung 2023. Und auch in den Folgejahren rechnet er mit tiefroten Zahlen: Von 2024 bis 2028 resultiert gemäss Schätzungen seiner Direktion ein Defizit von insgesamt 333 Millionen Franken.
Diese Aussichten bezeichnete Lauber als «besorgniserregend». Denn Baselland ist bereits heute einer der am höchsten verschuldeten Kantone. Netto steht das Baselbiet mit 2,45 Milliarden Franken in der Kreide. Um die Schulden nicht weiter wachsen zu lassen, will der Regierungsrat erstmals seit Langem wieder ein Sparpaket schnüren. Wie dieses ausgestaltet ist, wurde teilweise in der landrätlichen Fragestunde vom 11. April dargelegt.
Einerseits hat der Regierungsrat beschlossen, dass bis 2027 über alle fünf Direktionen der Kantonsverwaltung hinweg insgesamt rund 56 Millionen Franken eingespart werden müssen. Davon betroffen sind der «Material- und Warenaufwand» sowie «Dienstleistungen und Honorare». Zudem sollen die Angestellten einen Teil ihres Ferienund Überzeitguthabens abbauen. Andererseits sind die Direktionen und weitere kantonale Behörden angewiesen worden, in ihren Bereichen zusätzliche Sparmöglichkeiten ausfindig zu machen. Die Verwaltung soll dem Regierungsrat in den kommenden Wochen aufzeigen, wie sie von 2025 bis 2028 insgesamt 320 Millionen Franken einsparen kann.
Anschliessend wird der Regierungsrat die Vorschläge prüfen und konkrete Sparmassnahmen beschliessen, die der Öffentlichkeit im Herbst präsentiert werden sollen. Laut der Antwort der Finanzdirektion auf eine Frage von SP-Landrätin Miriam Locher ist die «gesamte Verwaltung von Entlastungsmassnahmen» betroffen. Heisst: Alle müssen sparen.
Ob die Sparmassnahmen im genannten Umfang – sollten sie vom Landrat gutgeheissen werden – genügen, ist zumindest fraglich. Denn gemäss Lauber gibt es für die Kantonsfinanzen verschiedene «politische und wirtschaftliche Risiken».
Dazu zählt er das kantonale Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung, das in Erarbeitung ist, und die eidgenössische Prämien-Entlastungs-Initiative, über die am 9. Juni abgestimmt wird. Sollte das Volk die beiden Vorlagen gutheissen, könnten sie zusammen die Kantonsrechnung mit zusätzlich mehr als 200 Millionen Franken pro Jahr belasten. Ausserdem ist unsicher, wann die Schweizerische Nationalbank wieder Gewinne an die Kantone ausschütten wird und wie sich die Teuerung entwickelt.
Gemeinden fordern Entlastung
Nicht erwähnt an der Medienkonferenz zur Jahresrechnung 2023 wurde die Tatsache, dass der Kanton und die Gemeinden diesen Monat Gespräche aufnehmen, um die Finanzierung der Primarstufe neu auszuhandeln. Das erstaunt ein wenig, geht es doch auch dabei um viel Geld: Alleine im Jahr 2022 gaben die Gemeinden als Trägerinnen der Primarschulen und Kindergärten für deren Betrieb insgesamt 382 Millionen Franken aus.
Die Gemeinden fordern, dass der Kanton künftig mindestens 50 Prozent dieser Kosten übernimmt. «Dies wurde an einer Tagsatzung aller Gemeindepräsidien so beschlossen», sagt Matthias Gysin, Geschäftsführer des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG), auf Anfrage. Die Bildungskosten machen gemäss Gysin bereits heute einen «erheblichen Anteil» an den steuerfinanzierten Gemeindeausgaben aus und steigen stetig.
Neben finanzieller Entlastung erhoffen sich die Gemeinden von einer Neugestaltung der Primarstufe-Finanzierung auch tragfähigere Strukturen. Denn der Status quo missfällt vielen Beteiligten seit Längerem. Vereinfacht gesagt, ist es heute so, dass die Gemeinden den Primarschulbetrieb bezahlen, der Landrat – also das Kantonsparlament – aber über wichtige Fragen zu Schülerzahlen, Lehrerlöhnen oder Führungsmodellen entscheidet.
VBLG-Geschäftsführer Matthias Gysin sagt, dass «sich aufgrund dieser Diskrepanz inzwischen viele Gemeinden fremdbestimmt fühlen». Und dass sie sich eine Annäherung ans Prinzip der fiskalischen Äquivalenz wünschten: «Wer zahlt, befiehlt.» Trage der Kanton die finanziellen Folgen mit, könne dies die schulpolitischen Entscheide des Landrats «in einer positiven Weise» beeinflussen. Im Endeffekt solle die einheitliche Schulträgerschaft, die im Jahr 2019 vom Landrat angestossen wurde, eine «konstruktive Bildungsdiskussion» ermöglichen.
Dahingehend äussert sich auch der Kanton, konkret die Finanzdirektion, die zusammen mit der Bildungsdirektion und einer externen Firma für die Verhandlungen mit den Gemeinden zuständig ist. Auf Anfrage schreibt sie: Mit einer Neugestaltung der Primarstufe-Finanzierung solle «ein Mehrwert für die Systemsteuerung und die Entwicklungsfähigkeit der Primarschulen erreicht werden». Bereits im vergangenen Januar sagte Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP) im Interview mit der «Volksstimme», dass die unterschiedliche Trägerschaft die Weiterentwicklung der Primarschulen des Öfteren hemme.
Zur Diskussion stehen nun zwei Modelle: Das eine sieht vor, dass die Gemeinden Trägerinnen der Primarschulen bleiben und der Kanton sich über Schülerpauschalen an der Finanzierung beteiligt. Beim anderen würde der Schulbetrieb, also primär die Unterrichtskosten, an den Kanton übergehen; die Gemeinden wären wie bis anhin für den Unterhalt der Schulhäuser und die Bildung der Schulkreise zuständig. Der VBLG bevorzugt gemäss Gysin das erste Modell, ist aber auch offen für das zweite.
Klar ist: Die Verhandlungen zwischen Kanton und Gemeinden werden nicht einfach. Das zeigt das unmissverständliche «Nein» der Finanzdirektion auf unsere Frage, ob es aus finanzieller Sicht überhaupt denkbar sei, dass sich der Kanton ohne Steueranpassung zu 50 Prozent an den Primarschulkosten beteiligt. Der Minimalforderung der Gemeinden steht der Kanton skeptisch gegenüber.
Eine Einigung könne nur mit einem Steuerfusstransfer gelingen, heisst es von der Finanzdirektion. Ein solcher würde bedeuten, dass der Kanton aufgrund der Mehrkosten durch die Beteiligung an der Primarstufe-Finanzierung seine Steuern erhöht und die Gemeinden gleichzeitig ihre Steuern senken – so, dass das Baselbiet insgesamt attraktiv bleibt für Steuerzahler.
Ob die Verhandlungen dereinst erfolgreich abgeschlossen werden, muss sich zeigen – das letzte Wort hätte ohnehin der Landrat und allenfalls das Stimmvolk.
SVP will Ausgaben reduzieren, SP Einnahmen erhöhen
je. Die angespannte Finanzlage des Kantons Baselland beschäftigt die Parteien. Die SVP will die staatlichen Ausgaben reduzieren und fordert daher, den Uni-Vertrag zu kündigen; der entsprechende Vorstoss ist heute im Landrat traktandiert. Ebenso eine Frage von SP-Landrat Adil Koller: Er will von der Regierung wissen, ob im Zuge der angekündigten Sparmassnahmen die Mittel für die Prämienverbilligungen gekürzt werden sollen.
Bereits in vorherigen Parlamentssitzungen stellten SP-Mitglieder Fragen zu den Sparplänen des Regierungsrats. Und wie die «Basler Zeitung» gestern berichtete, beschäftigt sich die SP ernsthaft mit einer Initiative zur Einführung einer Erbschaftssteuer für Multimillionäre – dies, um die Einnahmen des Kantons zu erhöhen.