«Film ‹More than Honey› löste Begeisterung für Bienen aus»
28.03.2024 RegionDer langjährige Baselbieter und Solothurner Bieneninspektor Marcel Strub geht in Pension – und blickt zurück
Marcel Strub, der langjährige kantonale Bieneninspektor von Baselland und Solothurn, tritt per Ende März von seinem Amt zurück und wird Ende Juli ...
Der langjährige Baselbieter und Solothurner Bieneninspektor Marcel Strub geht in Pension – und blickt zurück
Marcel Strub, der langjährige kantonale Bieneninspektor von Baselland und Solothurn, tritt per Ende März von seinem Amt zurück und wird Ende Juli pensioniert. Anlass genug für ein Gespräch mit dem leidenschaftlichen Imker an seinem Wohnort in Lupsingen.
Daniel Zwygart
Herr Strub, Sie gehen bald in Pension, doch beginnen wir ganz von vorne: Wie wird man Bieneninspektor?
Marcel Strub: Man muss zuallererst ein passionierter und langjähriger Imker sein. Damit man Inspektor werden kann, muss man zusätzlich eine 30-tägige theoretische und praktische Ausbildung an verschiedenen Orten in der Schweiz absolvieren. Die Ausbildung wird mit einer Prüfung abgeschlossen.
Was sind die erfreulichen und die eher schwierigen Aspekte Ihrer Inspektorentätigkeit?
Man hat mit vielen Bienenhalterinnen und Bienenhaltern zu tun und es ist schön, wenn man mit ihnen Fragen aus der täglichen Imkerei besprechen und ihnen helfen kann, Freude an und mit den Bienenvölkern zu haben. Zu Beginn meiner Tätigkeit machten mir einige Imkerinnen und Imker, möglicherweise aus Neid, das Leben schwer. Nach deren erfolglosen Interpellationen im Landrat kehrte wieder Ruhe ein und ich konnte meine Arbeit in einem guten Umfeld ausführen.
Gab es in Ihrer Zeit als Inspektor grössere Seuchenfälle, bei denen Sie eingreifen mussten?
Ja, in den Jahren 2014 und 2015 wütete die Sauerbrut (europäische Faulbrut) vorwiegend in der Agglomeration Basel, aber auch im oberen Baselbiet. Dabei mussten mehrere Dutzend Völker abgetötet werden. Wenn bei einem Imker oder einer Imkerin mehrere oder alle Völker abgetötet werden müssen, dann ist dies für die Imkerin, den Imker und den Bieneninspektor gleichermassen belastend. In den vergangenen drei Jahren gab es zum Glück keine solchen Brutkrankheiten im Baselbiet.
Wie sieht es nun bei der Varroa-Milbe aus, einem andern Widersacher der Bienen?
Seit 40 Jahren bekämpfen wir mit hohem Aufwand diese Milbe. Es gelingt uns heute bei gewissenhafter Imkerarbeit, bis in den Winter hinein 95 bis 98 Prozent der Milben eines Volkes zu töten. Die Überlebenden werden aber mit jedem Jahr robuster, da nur solche Milben die Behandlung mit den organischen Säuren überleben. Und im nächsten Jahr beginnt der Wettlauf wieder von Neuem …
Wäre es nicht sinnvoller, keine Behandlungen zu machen und dadurch nur die robusten Bienen überleben zu lassen?
Tatsächlich wissen wir aus Freilandversuchen, zum Beispiel in Gotland in Schweden, dass es mit der Zeit Bienen gibt, die nicht eingehen. Allerdings bilden diese deutlich kleinere Bienenvölker. Damit könnte die notwendige Bestäubungsarbeit bei Kultur- und Wildpflanzen nicht garantiert werden und eine Honigernte wäre nicht zu erwarten.
Im Internet werden schon varroatolerante Bienenköniginnen angeboten. Könnte man diese nicht zukaufen?
Immer, wenn eine Not besteht, gibt es auch Leute, die daraus ein Geschäft machen. Auch wenn es sogenannte varroatolerante Bienen geben sollte, würde eine flächendeckende Einführung in unserer Gegend vermutlich rund 30 Jahre dauern.
Ein weiteres Gefährdungspotenzial geht neuerdings von der Asiatischen Hornisse aus. Wie sieht es da aus?
Wir lernen momentan diesen gefrässigen Bienenräuber kennen. Ich habe mich an der aufwendigen Besenderung von solchen Hornissen beteiligt, um die Nester zu finden und danach zu zerstören. Ich bin aber Realist: Wir werden mit dieser Art leben müssen. Es wird spannend zu beobachten sein, ob dank der vielen Bienenvölker in unserer Gegend die Verluste pro einzelnem Volk gering bleiben werden. Möglich wäre auch, dass sich die Asiatische Hornisse bei uns viel stärker vermehrt als beispielsweise in Frankreich, wo sie schon längere Zeit vorkommt. Denn in Frankreich ist die Dichte der Bienenvölker deutlich geringer als bei uns; dort gibt es nur zwei Völker pro Quadratkilometer. Die Asiatische Hornisse wird jedoch auch die Wildbienen und andere Insektenarten dezimieren und in der Landwirtschaft Schäden anrichten.
Als Sie Ihre Arbeit in der Fachstelle begonnen haben, war die Imkerei in unserer Region im Rückgang begriffen. Nun hat sich der Bestand auf solidem Niveau stabilisiert. Sind Sie stolz auf das Erreichte?
(lacht) Es wäre vermessen zu sagen, dass dies mein Verdienst sei. Im Jahr 2012 kam der Film «More than Honey» des Schweizers Markus Imhoof in die Kinos. Dieser Film löste viel Begeisterung für die Bienenhaltung aus: Die Imkerkurse waren plötzlich wieder ausgebucht und viele neue Völker wurden aufgestellt.
Wie viele Bienenvölker gibt es bei uns im Kanton Baselland?
Wir haben im Kanton zwischen 5800 und 6200 Bienenvölker, das sind 7 bis 8 Völker pro Quadratkilometer. Die Völker sind aber nicht regelmässig verteilt. Es gibt Orte mit nur 2 Völkern pro Quadratkilometer und andere mit sehr vielen aktiven Imkern. Tenniken zum Beispiel hat auf der gleichen Fläche 22 Völker. Noch höher ist die Bienendichte in der Stadt Basel mit etwa 25 Völkern pro Quadratkilometer.
Warum sind es in der Stadt so viele?
In der Stadt ist das Pollen- und Nektarangebot ganzjährig höher und vielfältiger als auf dem Land. Die Stadtpflanzen werden oftmals regelmässig gegossen, was zu deutlich höheren Nektarmengen führt. Stadtimker können folglich häufig auch höhere Honigmengen ernten.
Und die Honigqualität, ist die in der Stadt auch gut?
Ja, denn die Bienen können Russ und
Schwermetalle aus dem Nektar herausfiltern. Der Stadthonig enthält möglicherweise etwas mehr Anteile von exotischen Pflanzen, es ist aber in jedem Fall ein exzellenter Honig.
Gehen wir zu einem weiteren Thema: Die Zahl der Insektenarten und Individuen hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen. Ist es so, dass die vielen Bienen in der den anderen Insekten keinen Nektar übrig lassen?
Nein, dies stimmt generell so für die Schweiz nicht. Am meisten Konkurrenz gäbe es wohl mit den Wildbienen. Ungefähr 150 der rund 600 Wildbienenarten könnten durch die Honigbiene konkurrenziert werden, da sie an denselben Pflanzen Nektar sammeln oder Pollen gewinnen. Etwa 100 von diesen 150 Arten sind nur im Frühling aktiv, da ist das Angebot an blühenden Pflanzen meist genügend gross. Für rund 50 Arten, die nur von Juli bis September aktiv sind, könnten die vielen suchenden Honigbienen auf den nur noch spärlich blühenden Pflanzenarten möglicherweise eine Konkurrenz sein.
Wie könnte man den Wildbienen zum Überleben helfen? Mit Wildbienenhotels?
Diese Wildbienennisthilfen sind gut gemeint, aber sie helfen nur ganz wenigen Arten, die ohnehin noch häufig sind, zum Beispiel die Gehörnte Mauerbiene. Viel hilfreicher wären magere Wiesen mit vielen Blumen und Sandhaufen oder wenig bewachsene Strassenböschungen. Denn viele Wildbienen nisten im Boden. Wichtig ist dabei, dass man Sand verwendet, der nicht gewaschen wurde und somit auch Ton-Lehm-Anteile enthält.
Was ist dann der Grund für den Schwund der Insekten allgemein?
Unsere Umwelt hat sich massiv verändert. Einerseits wurden viele Lebensräume mit Industriebauten, Strassen und Häusern überbaut. Zudem ist die Nutzung der restlichen Grünfläche viel intensiver geworden. Wiesen werden häufiger gemäht, sodass die Blumen nicht mehr zum Blühen kommen. Ich kann mich an die vielen blühenden Matten mit Kerbel, Wiesen-Bärenklau und anderen Blumen erinnern, die es heute so nicht mehr gibt. Gerade die blühenden Doldengewächse sind wichtig für Honigbienen und viele andere Insektenarten.
Sie halten auch Vorträge zur «Apitherapie». Was muss der Laie sich darunter vorstellen?
Der Honig und weitere Bienenprodukte enthalten sehr viele wertvolle Nährstoffe, die unser Immunsystem hilfreich unterstützen können. Wir dürfen dies aber nicht auf die Produkte draufschreiben. So haben wir einen Verein gegründet, der über die Anwendung von Bienenprodukten informiert. Wir unterstützen den Verkauf weiterer Bienenprodukte wie Blütenpollen, Propolis oder Gelee Royal.
Herr Strub, worauf freuen Sie sich nach Ihrer Pensionierung?
Dass ich endlich wieder mehr Zeit und Musse für meine eigenen Bienenvölker habe. In meinem Beruf war ich viel unterwegs und konnte die eigenen Bienen häufig nur so nebenbei betreuen. Nun kann ich dies ändern – und darauf freue ich mich.
Aufgaben der Bieneninspektoren
zwy. Die Haltung von Bienen ist meldepflichtig, die Bienenstände werden beim Kanton registriert. Im Baselbiet gibt es pro Bezirk einen Bieneninspektor, der für die Bienengesundheit und den Bienenverkehr verantwortlich ist. Die Oberaufsicht hat das kantonale Veterinäramt. Wenn Bienenvölker zugekauft werden oder ihr Standort verschoben wird, muss dies dem Bieneninspektor gemeldet werden. Besonders gefragt sind die Inspektoren, wenn eine meldepflichtige Krankheit wie die Faul- oder Sauerbrut auftritt. Zusammen mit dem Imker setzen sie die vom Veterinäramt verordneten Massnahmen zur Eindämmung der Seuche um.
Der Regierungsrat hat per 1. April Dominik Gysin und Raymond Held als neue Bieneninspektoren (anstelle von Thomas Mumenthaler und Dieter Hufschmid) sowie Raphael Giossi als kantonalen Inspektor (anstelle von Marcel Strub) gewählt.
Zur Person
zwy. Marcel Strub ist auf einem Bauernhof in Häfelfingen aufgewachsen. Schon seit der ersten Schulklasse begleitete er seinen Vater bei seinen Arbeiten im Bienenstock. Seine Begeisterung war kaum zu bremsen – er träumte in seiner Jugendzeit davon, einmal vollberuflich mit und von den Bienen zu leben. Doch die Realität sah für ihn anders aus: Er machte eine Lehre als Bäcker-Konditor und war in der Folge in diversen Berufsbereichen aktiv. Die Imkerei übernahm er nach und nach von seinem Vater und engagierte sich in jeder freien Minute für seine mittlerweile mehr als 40 Völker. Vor zwölf Jahren wurde er mit der Leitung der neu geschaffenen Bienenfachstelle der Kantone Baselland, Solothurn und Basel-Stadt am Wallierhof (SO) betraut. Nun hatte er sein Ziel erreicht und durfte vollberuflich mit Bienen und für das Bienenwesen arbeiten. Er organisierte und leitete die Weiterbildung der Imkerinnen und Imker in den Kantonen Solothurn, Basel-Stadt und Baselland und beschäftigte sich mit den verschiedensten Fragen im Zusammenhang mit der Bienenhaltung. Zudem wurde er kantonaler Bieneninspektor für die Kantone Solothurn und Baselland. Marcel Strub lebt mit seiner Familie in Lupsingen.
STICHWORTE
Faulbrut und Sauerbrut
Die europäische Faulbrut wird in der Schweiz als Sauerbrut bezeichnet, weiter gibt es die eigentliche (amerikanische) Faulbrut; beide werden durch Bakterien ausgelöst. Die Bakterien sind oft in kleiner Anzahl bei den Bienen vorhanden. Ist ein Bienenvolk schwach und wenig vital, kann eine Brutkrankeit ausbrechen. Es gibt keine heilenden Hilfsmittel dagegen. Daher müssen betroffene Völker abgetötet werden. Schweizweit betrifft dies pro Jahr zwei- bis dreihundert Bienenvölker. Im Kanton Basel-Landschaft gab es die letzten Fälle im Jahr 2021.
Varroa-Milbe
Die aus dem asiatischen Raum stammenden Varroa-Milben wurden 1984 zum ersten Mal in der Schweiz festgestellt. Die Milben saugen an den Larven und den erwachsenen Tieren, was zu einer allgemeinen Schwächung und bei grosser Milbendichte zum Absterben des Volkes führt.
Zu Beginn wurden die Milben mit synthetischen Mitteln bekämpft. Die Milben entwickelten aber in kurzer Zeit Resistenzen dagegen. Heute werden ausschliesslich diverse organische Säuren (z.B. Ameisensäure, Oxalsäure) zu verschiedenen Zeiten im Jahr angewendet. Der Aufwand für die Milbenkontrolle und die Bekämpfungsmassnahmen ist relativ hoch.
Asiatische Hornisse
Seit wenigen Jahren ist die Asiatische Hornisse auch in der Schweiz auf dem Vormarsch. Sie ist etwas kleiner und insgesamt viel dunkler als unsere Hornisse. Sie fängt verschiedene Insekten, um ihre Brut zu ernähren. Hauptfutter sind zu 60 bis 70 Prozent Honigbienen, aber auch Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten gehören auf ihre Speisetafel. Die ausgewachsenen Tiere ernähren sich von Nektar und kohlenhydratreichen Früchten. Deshalb sind Schäden auch beim Obst- und Beerenanbau zu erwarten. Zurzeit versucht man im Kanton Basel-Landschaft möglichst viele Nester zu finden und diese zu vernichten.
Wildbienen
Im Gegensatz zur Honigbiene sind die meisten Wildbienenarten solitäre Lebewesen. Das heisst, sie leben alleine. In vorhandenen oder selbst gebauten Hohlräumen legen sie eine Anzahl befruchtete Eier ab, denen sie einen Futtervorrat für die Zeit als Larve dazugeben. Die einzelnen Wildbienen leben 6 bis 8 Wochen. Sobald die Hohlräume verschlossen sind und ihre biologische Aufgabe getan ist, sterben sie ab. Ihre Nachkommen entwickeln sich in den Hohlräumen und schlüpfen in der Regel im nächsten Jahr aus. Wildbienen sind ebenso wichtige Bestäuberinnen im Obstund Beerenanbau wie die Honigbiene.
Bilder Wikipedia (1, 2) und Daniel Zwygart (3)