Ferientraum(a)
11.07.2025 PersönlichIch kroch durch den weissen Strand und habe überlebt. So oder ähnlich beginnen Urlaubsalbträume. Urlaub, alleine schon das Wort klingt nach Hängematte, Meeresrauschen und Longdrinks mit klirrenden Eiswürfeln. Doch was bei Instagram aussieht wie ein Traum, entpuppt sich in ...
Ich kroch durch den weissen Strand und habe überlebt. So oder ähnlich beginnen Urlaubsalbträume. Urlaub, alleine schon das Wort klingt nach Hängematte, Meeresrauschen und Longdrinks mit klirrenden Eiswürfeln. Doch was bei Instagram aussieht wie ein Traum, entpuppt sich in der Realität oft als der Anfang vom nervlichen Ende.
Dank KI wähne ich mich an Orten, die es so gar nicht gibt. Es begann bereits beim Abflug. War ja klar. Mein Koffer hatte entschieden, eine eigene Reise zu unternehmen. Vermutlich nach Island. Oder in den Kongo. Ich hingegen flog mit Handgepäck und einer «Gugge» Gummibärchen. Immerhin, das Bordmenü war lecker. Es gab Hähnchensandwich mit warmer Cola (war das wirklich Huhn?). Egal, der Traum ging weiter. Im glänzenden Prospekt stand: stilvolles Boutique-Hotel mit Meerblick. In echt: ein ehemaliger Schafstall mit Blick auf den Aldiparkplatz. Mehr gab es nicht zu sehen. Das Fenster im Zimmer liess sich nicht öffnen, zog jedoch sämtliche Mücken an, die es gab. Ich glaube, es waren Mücken. Riesengross die Viecher. Das Meeresrauschen? Kam vom defekten Spülkasten.
Dann der Klassiker: um fünf Uhr morgens stürmte eine Frau namens Bertel die Grosse, eine Gestalt aus der germanischen Mythologie, mit vierzehn Handtüchern den Poolbereich. Ihr folgten noch mehr Bertels mit Handtüchern. Alle Liegen, sogar jene hinter dem Müllcontainer, waren belegt. Am Ende sass ich auf keiner Liege, wurde dafür in den Po gestochen. Von einer Riesenmücke. Wahrscheinlich die von meinem Fenster. Sitzen war kein Thema mehr, eher die Sonnencreme des Todes. Ich kaufte Sonnenbrandverhinderercreme der Marke «Sol Protection Ultra Power». Die roch jedoch eher nach wässriger Mayonnaise und zog die UV-Strahlen magisch an. Ergebnis: Ich sah aus wie ein Hummer auf Toast. Kinder zeigten entsetzt mit dem Finger auf mich, die Möwen kreischten panisch und den Mücken wurde schlecht. Ich leuchtete im Dunkeln!
Nun, kulinarisch wurde auch etwas geboten. Ich wusste sofort, als sich die Pasta Carbonara von selbst bewegte: Heute keine Spaghetti! Ich entschied mich für Reis. Schwarzen Reis aus dem Tal der Könige. Der war lecker. Ich kann übrigens lügen, ohne rot zu werden.
«Wollen Sie bei der Wassergymnastik mitmachen?», fragte mich Detlev alias Mister Bizeps, blond, 1.95 gross, 12 Prozent Körperfett. Ich verscheuchte eine Mücke. Mit dem Kopf. Für Chantal, die Animateurin, ein Zeichen: meine Zustimmung. Sie legte Musik auf. «Atemlos, durch die Nacht». Minuten später lag ich wie ein gestrandeter Wal im verdächtig warmen Kinderbecken und lasse mich von Detlev anbrüllen. «Find your Soul!» Ich finde Seitenstechen. Nebenbei war ich davon überzeugt, dass das Kind neben mir das Wasser erwärmte. Ein (Alb-)traum sondergleichen. Aber hey, jetzt habe ich Stoff für zehn Familienfeiern, drei Therapiesitzungen und eine Kolumne. Ob ich wieder von Ferien träume? Fragen Sie mich in einem Jahr wieder, oder wenn mein Koffer zurückkommt.
Claude Lachat ist Schriftsteller, Jahrgang 1963 und wohnhaft in Nunningen. Er arbeitet als Programmleiter von Tandem 50 plus Baselland.