Faustkeil aus der Neandertaler-Zeit
18.06.2024 Baselbiet, Kultur, Gemeinden, Bezirk LiestalFüllinsdorf | Überraschender Neufund eines Archäologie-Scouts
Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Archäologie Baselland hat bei Füllinsdorf einen Faustkeil entdeckt. Rund 50 Jahre nach der Entdeckung des berühmten Faustkeils von Pratteln ist ...
Füllinsdorf | Überraschender Neufund eines Archäologie-Scouts
Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Archäologie Baselland hat bei Füllinsdorf einen Faustkeil entdeckt. Rund 50 Jahre nach der Entdeckung des berühmten Faustkeils von Pratteln ist dies erst das zweite Steingerät seiner Art im Baselbiet. Das Werkzeug dürfte 45 000 Jahre alt sein.
vs. Der Faustkeil von Pratteln war in den 1980er-Jahren ein fester Bestandteil des Geschichtsunterrichts in Baselbieter Schulhäusern. Kopien des Werkzeugs aus Silex gingen durch Tausende Schülerhände. Der Fund von 1974 war eine Sensation: Analysen ergaben ein Alter von mindestens 300 000 Jahren, was die Begehung unserer Gegend durch eine frühe Menschenform – den Homo erectus – belegte.
Beim Fund, den Georges Sprecher, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Archäologie Baselland, vor einiger Zeit in der Flur Oberholz bei Füllinsdorf machte, ist erst das zweite Steingerät seiner Art in unserem Kanton, wie die Archäologie Baselland mitteilt. Der neu entdeckte Faustkeil von Füllinsdorf hat eine rekonstruierbare Länge von 88 Millimetern, eine Breite von bis zu 58 Millimetern und ist bis zu 24 Millimeter dick. Untersuchungen sprechen für ein Alter des Fundes von mindestens 45 000 Jahren – eine Zeit, als hier Neandertaler lebten.
Sprecher ist Entdecker zahlreicher steinzeitlicher Fundstellen in der Region, lokalisierte bereits im Jahr 2016 eine Siedlungsstelle im «Oberholz» bei Füllinsdorf und barg seither mehr als 1000 Silex- und Felsgesteinartefakte aus der Jungsteinzeit (um 4000 v. Chr.), wie die Archäologen weiter schreiben. Seinen neuesten Fund – einen Faustkeil aus der mittleren Altsteinzeit – bezeichnen sie als archäologische Sensation. Das sehr gut erhaltene Handwerkzeug gehört typologisch in die Moustérien-Kultur, genauer das Moustérien de tradition acheuléenne (vor 60 000 bis 40 000 Jahren).
Eine erste Analyse des gesamten Fundmaterials brachte weitere mittelpaläolithische Werkzeuge zum Vorschein, zum Beispiel einen Schaber aus Radiolarit (Sedimentgestein) und das Fragment eines sogenannten Levalloiskerns aus Silex. Dies belege, dass der Faustkeil nicht zufällig verloren ging, sondern dass er von einem Rastplatz stammt, an dem sich Neandertaler aufgehalten haben.
Untersuchung bestätigt Alter
Um mehr über die Herkunft der Artefakte herauszufinden, hat die Archäologie Baselland beim Fundort eine Untersuchung des Untergrunds durchgeführt, heisst es weiter. Bei den angetroffenen Schichten aus Löss und Verwitterungslehmen mit Lössanteilen handelt es sich um Windstaub, der unter arktischen Bedingungen aus dem vegetationsarmen Rheintal ausgeweht und hier abgelagert wurde.
Mit modernsten Analysemethoden wurde das typologische Alter des Faustkeils bestimmt: mindestens 45 000 Jahre.
Das Rohmaterial des Werkzeugs stammt von einer Lagerstätte bei Alle, Noir Bois im Jura, rund 50 Kilometer vom Fundort entfernt. Dort wurden bei umfangreichen Grabungen auch mehrere moustérienzeitliche Aufenthaltsplätze dokumentiert. Aufgrund des Rohmaterials und der gleichartigen Datierung könnten die beiden Fundstellen in Beziehung gestanden sein. Möglich ist, dass eine Gruppe von Wildbeutern auf ihren Wanderungen beide Orte aufsuchte.
Älteste Werkzeuge von Menschen
Faustkeile sind zweiseitig bearbeitete Steinartefakte mit runder Basis und gegenüberliegender Spitze. Die Allzweckgeräte gehören zu den frühesten Werkzeugen der Menschheit. Der Faustkeil von Pratteln ist mit einem Alter von mindestens 300 000 Jahren das älteste archäologische Objekt aus dem Gebiet der heutigen Schweiz. Der Neufund von Füllinsdorf ist mit seiner Zeitstellung hierzulande bislang einzigartig. Auch die weiteren Exemplare sind so selten, dass sie sich an einer Hand abzählen lassen.