«Es ist richtig, die Vorkommnisse aufzuarbeiten»
22.07.2025 BaselbietNadine Jermann sieht ihre Rolle als ehemalige BLKB-Bankrätin nicht als Gefahr für ihre Kandidatur
Die Buusner Gemeindepräsidentin Nadine Jermann (53, FDP) tritt als einzige bürgerliche Frau für den frei werdenden Sitz von Monica Gschwind an. Jermann erhielt ...
Nadine Jermann sieht ihre Rolle als ehemalige BLKB-Bankrätin nicht als Gefahr für ihre Kandidatur
Die Buusner Gemeindepräsidentin Nadine Jermann (53, FDP) tritt als einzige bürgerliche Frau für den frei werdenden Sitz von Monica Gschwind an. Jermann erhielt jüngst Konkurrenz aus der Region: Vorgestern machte SVP-Landrat Matthias Liechti bekannt, in den Regierungsrat zu wollen (siehe Seite 6).
Nikolaos Schär
Frau Jermann, Sie haben lange überlegt und Gespräche geführt. Was hat letztlich den Ausschlag für Ihre Regierungsratskandidatur gegeben?
Nadine Jermann: Eigentlich sind es drei Hauptgründe. Erstens bin ich leidenschaftlich gerne Politikerin. Ich engagiere mich für die Anliegen der Bevölkerung, bin gerne im Austausch mit Menschen und bringe mich aktiv ein. Zweitens: Ich gestalte gerne. Als Gemeindepräsidentin konnte ich verschiedene Projekte führen, begleiten und gemeinsam mit meinem Team umsetzen. Das macht mir Freude. Und drittens bin ich der Ansicht, dass ich sowohl über die politische als auch die berufliche Erfahrung verfüge, die es für das Amt braucht. Ich bin im richtigen Alter und habe einen gut gefüllten Rucksack.
Sie sind erst Anfang Jahr in den Landrat nachgerückt und präsidieren seither den Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG). Einige finden, Ihre Kandidatur komme zu früh. Was sagen Sie dazu?
Ich habe langjährige berufliche Erfahrung in leitenden Positionen und bin seit zehn Jahren Gemeindepräsidentin in Buus. Seit 2021 bin ich im Vorstand des VBLG, wo ich für das Ressort Bildung zuständig war. In dieser Zeit habe ich viele Projekte begleiten können, sowohl auf Gemeindeebene als auch im Verband. Und ich konnte ein gutes Netzwerk aufbauen – zu verschiedenen Direktionen wie auch in den Regierungsrat hinein.
Trotzdem: Sie waren nicht lange im Parlament. Schmälert das nicht Ihre Chancen?
Entscheidend ist aus meiner Sicht die Exekutiverfahrung, die ich über viele Jahre gesammelt habe, beruflich wie politisch. Zudem pflege ich als Gemeindepräsidentin und VBLG-Vorstandsmitglied einen engen Austausch mit dem Parlament. Ich kenne viele Landrätinnen und Landräte, auch über die Parteigrenzen hinweg, und verfüge über ein breites Netzwerk im Landrat.
Sie sind die einzige Frau im bürgerlichen Kandidatenfeld. Das erhöht Ihre Chancen, nominiert und gewählt zu werden. Spüren Sie den Rückhalt der FDP-Frauen?
Ich habe mich sehr gefreut über die positiven Rückmeldungen, die ich von Kolleginnen erhalten habe – und auch von Männern, über Parteigrenzen hinweg. Schon vor meiner offiziellen Kandidatur wurde ich immer wieder gefragt, ob ich mir das Amt vorstellen könnte.
Sie haben als Mitglied der Geschäftsleitung in einem grösseren Unternehmen gearbeitet. Der Baselbieter Regierung wird gelegentlich vorgeworfen, es fehle ihr an Gestaltungswillen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Führen braucht Mut. Und bedeutet, dass man Verantwortung übernimmt, auch wenn es unpopuläre Entscheidungen zu treffen gilt. Das ist nicht bequem, aber notwendig. Von aussen nehme ich den Regierungsrat als gut funktionierendes Gremium wahr. Aber ich glaube, dass ich mit meinem Blickwinkel und meinem Erfahrungshintergrund neue Impulse geben kann.
Sie waren bis Anfang 2023 Bankrätin der BLKB. Heute steht der Vorwurf im Raum, der Bankrat habe im Falle der Digitalbank Radicant seine Aufsichtspflicht verletzt. Ist es gerechtfertigt, dass Ihnen dies angelastet werden könnte?
Nein. Ich kann nicht beurteilen, was zu den sehr hohen Wertberichtigungen im Juli geführt hat, wie die Markteinführung von «Radicant» ab Ende August 2023 erfolgte und wie es zum Zusammenschluss mit «Numarics» Ende 2024 kam. Zu diesem Zeitpunkt war ich nicht mehr im Bankrat. Ich finde es aber richtig, dass die Finanzkommission in ihrer Funktion als Oberaufsicht die Vorkommnisse der letzten Monate aufarbeitet. Ob es zu einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) kommt, entscheidet der Landrat.
Sie waren aber bei der strategischen Ausrichtung und der Gründung von «Radicant» involviert.
Ja. Das Projekt wurde 2021 gestartet. Damals herrschte ein Zinsumfeld mit sinkenden Margen, und gleichzeitig stiegen die Regulierungskosten. Zudem wuchs die Nachfrage nach digitalen Bankdienstleistungen und nachhaltigen Anlagemöglichkeiten. «Radicant» war Teil einer umfassenden Wachstums- und Digitalisierungsstrategie der BLKB, mit dem Ziel, den sinkenden Erträgen im Kreditgeschäft zu kompensieren. Es wurde ein Businessplan sorgfältig ausgearbeitet, der auch Bewilligungsvoraussetzung für den Erhalt der Banklizenz durch die Finanzmarktaufsicht im Mai 2022 war.
Haben Sie Angst vor der politischen Aufarbeitung?
Nein. Ich finde es richtig, dass die Vorkommnisse aufgearbeitet werden.
Ein weiteres Thema mit grosser Tragweite ist die Finanzierung der Universität Basel. Wie stehen Sie zur Frage der paritätischen Finanzierung zwischen Stadt- und Landkanton?
In einer starken Partnerschaft darf man über die paritätische Finanzierung diskutieren. Die Steuererträge und das BIP der beiden Kantone sind sehr unterschiedlich. Deshalb halte ich es für legitim, dass man über ein Modell spricht, das diese Unterschiede auch in der Finanzierung berücksichtigt.
Wären Sie bereit, sich für eine solche Neujustierung einzusetzen?
Ja. Eine faire Aufteilung der Lasten ist wichtig. Es geht dabei nicht darum, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Der Kanton Baselland ist Trägerkanton der Universität, und das soll er auch bleiben. Aber man muss anerkennen, dass die Voraussetzungen unterschiedlich sind – und dem muss ein Finanzierungsmodell Rechnung tragen.
Bereits bei den Verhandlungen zur Uni-Finanzierung für die Jahre 2026 bis 2029 kam es zu Misstönen zwischen Stadt- und Landkanton. Gefährden härtere Verhandlungen für die Finanzierung ab 2030 nicht den politischen Zusammenhalt in der Region?
In jeder starken Partnerschaft muss es möglich sein, auch heikle Themen offen anzusprechen. Und es ist legitim, dass der Kanton Baselland seine Interessen einbringt. Entscheidend ist, dass man gemeinsam nach Lösungen sucht. Das Ziel muss sein, die Universität Basel langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Und ja, dazu braucht es Diskussionen – auch kontroverse –, aber eben mit dem Ziel, eine tragfähige Basis für die Zukunft zu schaffen.
Steigende Kosten im Sozial- und Bildungsbereich belasten die Finanzen der Gemeinden. Die Gebergemeinden wollen weniger zum Finanzausgleich beisteuern. Würden Sie sich als Regierungsrätin für ein stärkeres Engagement des Kantons einsetzen?
Es braucht eine sachliche Überprüfung der Aufgabenverteilung und Lastenentwicklung. Wenn Sie den Gegenvorschlag der Regierung zur Finanzausgleichsinitiative ansprechen, dann bin ich der Meinung, dass der Vorschlag des Kantons nicht ausreicht. Die erhöhte Belastung der Gemeinden muss miteinbezogen werden. Und zwar mit einer Anpassung des «Lastenausgleichstopfs». Schon bei der Überprüfung des Finanzausgleichs im Jahr 2021 kam eine unabhängige Studie zum Schluss, dass die Entwicklung der Lasten eine Anpassung des seit 2010 fixierten «Lastenausgleichstopfs» nötig macht.
Trotzdem schreiben viele schwarze Zahlen, während der Kanton finanziell unter Druck steht. Ist die Klage der nicht übertrieben?
Nein. Schauen Sie: Auf allen drei Ebenen – Bund, Kanton, Gemeinden – sind die Finanzen unter Druck. Auch bei den Gemeinden. Zwei Drittel ihrer Ausgaben sind gebunden, da bleibt wenig Spielraum. Es geht nicht darum, wer besser dasteht, sondern wie man die Aufgaben effizient und im Sinne der Bevölkerung erfüllen kann. Ich bin eine leidenschaftliche Verfechterin der interkommunalen Zusammenarbeit. Ich habe als Gemeindepräsidentin zum Beispiel gemeinsam mit unserer Nachbargemeinde Maisprach den Zusammenschluss der beiden Dorfschulen zu einer Kreisschule umgesetzt. Wir konnten so – zum Beispiel durch die Einführung von Jahrgangsklassen – die Qualität verbessern und die Effizienz steigern.
Aufgrund der Fusionsbemühungen von «Rü-Ki-Ze» hat der Kanton nun finanzielle Unterstützung signalisiert.
Ich finde, das ist ein guter Schritt. Bei Fusionen braucht es diverse Abklärungen, zum Beispiel raumplanerische Fragen, steuerliche Aspekte, Verschuldungssituation, unterschiedliche Steuerfüsse. Diese können Gemeinden alleine nicht stemmen.
Reicht das aus oder müsste der Kanton weitergehen?
Das ist ein erster Schritt. Andere Kantone wie Aargau oder Graubünden unterstützen Fusionsprojekte noch umfassender – zum Beispiel mit Ausgleichszahlungen bei ungleichen Steuerfüssen oder bei der Verschuldung. Es geht nicht um Druck, sondern um Anreize. Aber klar ist: Eine Fusion muss freiwillig bleiben. Letztlich entscheidet das Volk an der Urne.
Zurück zur Bildung: Was wären Ihre inhaltlichen Schwerpunkte in der Volksschule als mögliche Bildungsdirektorin?
Mir ist wichtig, dass wir in der Frühförderung gezielt ansetzen – gerade bei sprachlich benachteiligten Kindern. So schaffen wir gute Startbedingungen. In der Volksschule selbst sollten wir den Fokus wieder stärker auf die Grundkompetenzen legen: Lesen, Schreiben, Rechnen. Dafür braucht es auch eine Entlastung der Lehrpersonen und Schulleitungen von administrativen Aufgaben.
Was sind Ihre Pläne, wenn Sie nominiert werden?
Falls ich nominiert werde, würde ich gerne den Wahlkampf nutzen, um auch das Gespräch mit der Bevölkerung zu suchen, in die Gemeinden zu gehen und zuzuhören.
Grüne fordern ebenfalls eine PUK
nsc. Nachdem das Kommitee der BLKB-Initiative um den SVP-Parteipräsidenten Peter Riebli eine Petition angekündigt hatte, die den sofortigen Rücktritt des BLKB-Bankratspräsidenten Thomas Schneider und deren CEO John Häfelfinger fordert, doppeln nun die Baselbieter Grünen nach. Die Grünen fordern eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Aufarbeitung des «Radicant-Debakels» (Wertberichtigung von 105 Millionen Franken) und kritisieren in einer Medienmitteilung die geplanten Rücktritte von Schneider und Häflefinger im nächsten Jahr als zu spät. Die aufgegleisten «Placebo-Selbstuntersuchungen» der Bank würden dem Ernst der Lage nicht gerecht, schreibt die Partei.