«Es braucht mehr Ausbildungs plätze»
05.01.2024 ZunzgenDr. med. Matthias Bachmann zum Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten
Rund ein Drittel aller Medizinstudierenden überlegt sich nach den ersten Praxiserfahrungen, den Beruf zu wechseln. Dies zeige eine Umfrage, wie der Verband Schweizer Medizinstudierender kürzlich ...
Dr. med. Matthias Bachmann zum Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten
Rund ein Drittel aller Medizinstudierenden überlegt sich nach den ersten Praxiserfahrungen, den Beruf zu wechseln. Dies zeige eine Umfrage, wie der Verband Schweizer Medizinstudierender kürzlich mitteilte. Matthias Bachmann, Mitinhaber der «Hausarztpraxis Zunzgen», spricht über abschreckende Arbeitsbedingungen und den Fachkräftemangel.
Sander van Riemsdijk
Herr Bachmann, viele angehende Ärztinnen und Ärzte überlegen sich, nach den ersten Praxiserfahrungen den weissen Kittel an den Nagel zu hängen und für immer den Beruf zu wechseln. Warum ist dies so?
Matthias Bachmann: Persönlich kenne ich nur eine Person, die den Beruf an den Nagel gehängt hat. Die ersten Berufserfahrungen als Assistenzarzt sind aber immer noch hart – mit vielen Stunden, Diensten und Nachtschichten. Die geleisteten Stunden werden nun zwar genauer kontrolliert und eingehalten, es ist jedoch immer noch ein beträchtlicher Aufwand. Die Work-Life-Balance nimmt an Bedeutung zu und so ist es logisch, dass weniger Menschen diesen Aufwand leisten wollen.
Wie könnte man diese Entwicklung aufhalten beziehungsweise ihr entgegenwirken?
Da die Nachfrage gross ist, müsste die Schweiz, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, unbedingt die Anzahl Ausbildungsplätze an den Universitäten erhöhen, damit mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden können. Etwa ein Viertel der Hausärztinnen und Hausärzte ist bereits um die 65 Jahre alt, wir werden also in Bälde in eine Unterversorgung hineinkommen. Dem muss unbedingt entgegengesteuert werden. Insbesondere auch, weil sich vermehrt die Babyboomer-Generation mit ihren altersbedingten gesundheitlichen Problemen beim Arzt meldet, was den Druck erhöht.
2016 lancierten Bundesrat und Parlament mit einem Ausbildungsprogramm eine Offensive zur Erhöhung der Abschlüsse in Humanmedizin. Die inländischen Abschlüsse haben zwar zugenommen, trotzdem kommt der grösste Teil der Ärzteschaft nach wie vor aus dem Ausland. Soll die Zuwanderung von ausländischem ärztlichem Personal trotzdem gefördert werden?
Solange wir nicht genügend eigene Ärzte ausbilden, auf jeden Fall. Zudem muss aber auch geschaut werden, dass alle Fachdisziplinen genügend attraktiv sind, damit nicht gewisse Fächer bevorzugt werden. Es kommen immer noch viele Ärzte aus den umliegenden Ländern, die von der Schweiz abgeworben werden. Weil die Ärztinnen und Ärzte in Europa generell knapp sind, versuchen die Nachbarländer aber zunehmend, die selbst ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte im Land zu halten.
Wie gut schlägt sich unser Gesundheitssystem trotz Ärztemangel?
Trotz steigender Nachfrage nach Gesundheitsleistungen aktuell im Vergleich zu anderen Ländern noch ganz gut. Zunehmend bemerkt man aber einen Personalmangel. Dies nicht nur bei den Ärztinnen und Ärzten, sondern auf allen Stufen.
Wo liegen hier die grundsätzlichen Probleme?
Die Schweiz hat es verschlafen, genügend eigene Ärzte auszubilden. Die umliegenden Länder haben die eigenen Arbeitsbedingungen massiv verbessert und somit bleiben diese zunehmend in ihrem Heimatland. Dasselbe gilt für alle anderen Berufe im Gesundheitswesen.
Wie herausfordernd ist der Beruf als Hausärztin und Hausarzt?
Der Beruf ist der schönste, den es gibt, er bringt aber einige Herausforderungen mit sich. Man muss ein breites Basiswissen haben, die Patienten kommen mit praktisch allen Beschwerden zuerst zu uns. Man sollte realisieren, wann ein Patient dringend in spitalärztliche Behandlung gehört. Man muss aber auch den Mut haben, einfach mal zuzuwarten und schauen, ob Beschwerden von selber weniger werden. Der menschliche Körper kann so einiges selbst heilen.
Wie kann man den Beruf für künftige Hausärztinnen und Hausärzte attraktiver gestalten beziehungsweise wie sollen die Rahmenbedingungen verbessert werden?
Ich finde den Beruf attraktiv genug, wie auch die Rahmenbedingungen. Ich habe mit Dr. med. Reto Misteli, der vorher die Hausarztpraxis geleitet hat, aber auch einen hervorragenden Mentor gehabt. Leider fehlen diese Mentoren heutzutage häufig, die den angehenden Ärztinnen und Ärzten während der Weiterbildung und beim Start in eine eigene Praxis ihre Erfahrungen und ihr medizinisches Knowhow hilfreich weitergeben können.
Soll die Rolle einer Hausärztin oder eines Hausarztes eine andere werden?
Wir werden in Zukunft noch mehr zu Datenverwaltern werden, das elektronische Patientendossier wird mit Sicherheit in Zukunft eingeführt. Ansonsten finde ich nicht, dass sich die Rolle ändern sollte.
Insbesondere auf dem Land fehlt es an medizinischer Versorgung. Wie kam es dazu und wie bekommt man eine Hausärztin oder einen Hausarzt auf das Land?
Vielerorts herrscht noch die Vorstellung, dass der Hausarzt auf dem Land gleich im Dorf um die Ecke wohnt und die Patienten auch mitten in der Nacht anrufen können. Dem ist definitiv nicht mehr so. Wir haben ganz normale Öffnungszeiten und gehen abends nach Hause. Dass die Patienten mit fast allen Beschwerden zuerst zu uns kommen, ist wahrscheinlich auch abschreckend. Die Medizinstudenten der Universität Basel müssen während des Studiums ein Praktikum bei einem Hausarzt machen. Hier versuchen wir, die Attraktivität unseres Berufs zu zeigen – und manchmal klappt dies auch.
In Ihrer Hausarztpraxis gab es zuletzt einige Änderungen. Unter anderem konnten Sie die neue Fachärztin Romina Häfelfinger anstellen. War die Rekrutierung schwierig?
Nein. Der Kontakt entstand über eine gemeinsame Kollegin und lief anschliessend sehr unkompliziert ab. Wir sind sehr froh, dass Frau Häfelfinger bei uns arbeitet. Sie bringt frischen Wind und ein breites Fachwissen mit.
Was unternehmen Sie in Ihrer Hausarztpraxis, um die Arbeit positiv zu gestalten und dafür zu sorgen, dass Ihnen die Ärztinnen und medizinische Praxisassistentinnen erhalten bleiben?
Zusammen mit den Mitinhaberinnen der Praxis, den Ärztinnen Ines Brand und Lia Jeker, versuche ich, ein attraktives Arbeitsklima auf Augenhöhe mit allen zu schaffen. Wichtig ist, dass es auch in den hektischen Momenten, die es durchaus gibt, nicht zu einer Überlastung kommt, auch nicht bei den medizinischen Praxisassistentinnen. Wir fördern eine effiziente Zusammenarbeit, die auf die persönlichen und fachlichen Ressourcen aller abgestimmt ist.