Es begann vor 5000 Jahren …
23.08.2024 Gelterkinden, Gelterkinden, KulturErkenntnisse und Schlussfolgerungen der Archäologie Baselland zur Siedlungsgeschichte
Fruchtbare Böden, die Nähe zum Wasser und das Zusammentreffen von mehreren Tälern machten die Region Gelterkinden seit jeher zum beliebten Siedlungsplatz. Im «Jundt-Huus» ...
Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der Archäologie Baselland zur Siedlungsgeschichte
Fruchtbare Böden, die Nähe zum Wasser und das Zusammentreffen von mehreren Tälern machten die Region Gelterkinden seit jeher zum beliebten Siedlungsplatz. Im «Jundt-Huus» blickte Archäologe Andreas Fischer in die Vergangenheit.
Die Funde im nahen Eital – vor allem im «Bärenloch» – legen nahe, dass bereits die Neandertaler die Gegend durchstreiften. Ein paar wenige Werkzeuge auf dem Gemeindegebiet sprechen dafür, dass die ersten Siedlungen in der Jungsteinzeit vor rund 5000 Jahren entstanden.
Auch die darauffolgende Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) hat in Gelterkinden Spuren hinterlassen, die allerdings (noch) wenig Aussagekraft besitzen. Besser sieht es ab der Mitte der Eisenzeit aus: So wurde in der Flur Güllenacker einer der wenigen bekannten Gebäudegrundrisse aus der Zeit um 500 v. Chr. ausgegraben. Nicht weit davon entfernt hoben die hier ansässigen Kelten wenig später eine Vorratsgrube aus. Diese war reich bestückt, unter anderem mit Haushühnern und Eiern. Damit gelang der älteste Nachweis dieses Haustiers in der heutigen Schweiz.
Dass wir von diesen – wie auch von vielen weiteren – Zeugnissen der Vergangenheit überhaupt Kenntnis haben, ist vor allem auch den beiden Heimatforschern Fritz Pümpin und Erich Roost zu verdanken. Ohne ihr unermüdliches Aufsuchen von Baugruben wären viele Hinterlassenschaften unbesehen weggebaggert worden.
Aus Kelten werden Römer
Als die Römer um 50 v. Chr. die Region eroberten, gab es in Gelterkinden wahrscheinlich drei Gehöfte. In der Flur Mühlstett weist einiges darauf hin, dass sich die lokale Bevölkerung ziemlich rasch den neuen Gegebenheiten angepasst hat. Man importierte Tafelgeschirr aus Arrezzo (Italien) und sicherlich auch andere mediterrane Waren. Ob hier am Rickenbächlein eine veritable römische Villa stand, ist derzeit noch nicht sicher belegt.
Zumindest ein grösseres Steingebäude ist aber seit den späteren 1940er-Jahren bekannt und Ausgrabungen von 2008 brachten einen Wasserkanal zum Vorschein. Ein weiterer römischer Gutshof könnte auf der anderen Talseite, auf dem «Bettenberg» gestanden haben. Ältere Berichte sprechen von Mauern, die hier zum Vorschein gekommen sind; neuere Prospektionen von Ehrenamtlichen der Archäologie Baselland förderten einige Münzen aus dem 2. und 3. Jahrhundert. n. Chr. zutage. In der gleichen Zeit gab es auf dem Talgrund, beim «Eifeld», wohl Gewerbebetriebe. Ein 1969 aufgedeckter Kanal enthielt so viele Keramikfragmente, dass zumindest von einer nahe gelegenen Töpferei auszugehen ist.
Das Dorf des Gelterih
Ob diese Siedlungen das Ende des Römischen Reiches um 450 überlebten, ist (noch) unklar. Im 7. Jahrhundert n. Chr. kamen von Südosten neue Leute ins Tal und gründeten den Ort Gelterichingen, aus dem im Lauf der Zeit der Name Gelterkinden wurde. Wo genau die Siedlung stand, entzieht sich bislang der Kenntnis der Archäologen. Im «Eifeld» wurde in dieser Zeit ein Gräberfeld angelegt. Den Menschen, die hier beerdigt wurden, gab man reiche Beigaben wie Schwerter, aufwendig verzierte Gürtelschnallen oder farbige Perlen mit ins Grab. Vereinzelte Gräber wurden auch beim Zeughaus und in der Flur Leieren entdeckt.
Es ist sicher nicht verfehlt, das frühmittelalterliche Dorf im Umfeld des heutigen Dorfkerns am Fuss des Kirchhügels zu vermuten. Die im 9. oder 10. Jahrhundert gegründete Kirche wurde 1969 archäologisch untersucht. Aufsehen erregte ein reiches Frauengrab aus dem frühen 16. Jahrhundert. Insbesondere eine bestickte Haube und eine Paternosterkette mit Münze und einer Figur des heiligen Sebastian zeugen vom Wohlstand der Bestatteten. Vermutungen, es handle sich um die Frau des Obervogts Henmann von Offenburg, Maria geborene Schlierbach, liessen sich nicht beweisen, die Person ist aber sicher dem lokalen Adel zuzuweisen.
Burg Scheidegg: Bau und Brand
Um 1220 erbauten die Herren von Gelterkinden auf gerodetem Land die Burg Scheidegg. Spezielle Funde, wie ein importiertes Handwaschgefäss zeigen, dass sie es zu einigem Wohlstand gebracht hatten. Die rund hundertjährige Geschichte der Scheidegg endete in einem dramatischen Grossbrand: Dabei verbrannten nicht nur wertvolle Objekte, es kamen auch mindestens sieben Pferde ums Leben. Über das weitere Schicksal der Herren von Gelterkinden schweigen die Quellen.
Am Dorfrand von Gelterkinden in Richtung Rünenberg kamen im Jahr 2021 mächtige Mauern zum Vorschein. Sie könnten zu einem sogenannten festen Haus gehört haben. Einzelne Funde datieren ins 14. Jahrhundert. Gut möglich, dass das Adelsgeschlecht nach dem Brand ihrer Stammburg hier ein neues Zuhause errichtet hat.
Diese Streiflichter zeigen auf, wie die Vergangenheit Gelterkindens mit jeder Ausgrabung weitere Facetten erhält. Der anhaltende Baudruck auf die Siedlungskerne werde wohl auch in den kommenden Jahren immer wieder für Neuentdeckungen sorgen.
Andreas Fischer, Archäologie Baselland
Dieses Referat hielt Andreas Fischer an einem Vortragsabend am Rand der aktuellen Ausstellung «50 Jahre – 50 Objekte – 50 Geschichten» im «Jundt-Huus». Wer über den Stand der Altertumsforschung auf dem Laufenden bleiben will, kann sich auf www.archaeologie.bl.ch informieren. Neben der Rubrik «Entdecken» bieten vor allem auch die Jahresberichte reichhaltigen Stoff zur Lokalgeschichte.