«Erkrankungen werden häufiger»
10.10.2025 BaselbietExperte Benedict Fallet über die Prävention von Rheuma
Der Welt-Rheuma-Tag wurde 1996 ins Leben gerufen und findet jährlich am 12. Oktober statt. Der Aktionstag soll das Bewusstsein für rheumatische Erkrankungen schärfen. Dr. med. Benedict Fallet von der ...
Experte Benedict Fallet über die Prävention von Rheuma
Der Welt-Rheuma-Tag wurde 1996 ins Leben gerufen und findet jährlich am 12. Oktober statt. Der Aktionstag soll das Bewusstsein für rheumatische Erkrankungen schärfen. Dr. med. Benedict Fallet von der Rheumatologie des Kantonsspital Baselland gibt Einblicke in die Volkskrankheit.
Brigitt Buser
Herr Fallet, der Welt-Rheuma-Tag steht bevor. Was denken Sie dabei?
Benedict Fallet: Der Begriff «Rheuma», wie er im Volksmund weitverbreitet ist, gibt es so in der Medizin gar nicht. Er stammt aus dem Griechischen, bedeutet «fliessender Schmerz» und steht für viele unterschiedliche Krankheiten. Rheumatische Erkrankungen sind für viele Menschen wenig bekannt; es sind unterschiedliche, zum Teil komplexe Krankheiten, die chronisch verlaufen können und einen hohen Einfluss auf das Wohlbefinden der Betroffenen haben. Ziel des Welt-Rheuma-Tags ist es, Bewusstsein zu schaffen sowie Früherkennung und Forschung zu unterstützen.
Ihre Berufsbezeichnung ist Rheumatologe. Womit befassen Sie sich bei Ihrer Arbeit?
In der Rheumatologie befassen wir uns mit sehr unterschiedlichen Krankheiten. Einerseits mit Bewegungsapparaterkrankungen, darunter auch degenerativ-mechanische Erkrankungen, worunter man Verschleisserkrankungen des Bewegungsapparats versteht. Andererseits mit entzündlich-systemischen Erkrankungen. Das sind entzündliche Erkrankungen, die unterschiedliche Organe betreffen. Dazu gehören auch Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift.
Ist es wirklich so, dass immer mehr Menschen unter «Rheuma» leiden?
Es gibt schon epidemiologische Daten, die zeigen, dass gewisse Autoimmunerkrankungen häufiger werden – wie etwa die rheumatoide Arthritis, die sich vor allem in Gelenkschmerzen, Schwellungen und Überwärmung in den Gelenken – besonders in den Fingern und Zehen, verbunden mit einer deutlichen Morgensteifigkeit – zeigt. Dasselbe gilt auch für Arthrose, eine Bewegungsapparaterkrankung, deren Ursache ein Gelenkverschleiss ist. Weiterhin können Überlastungen durch Fehlbelastungen, Übergewicht sowie Verletzungen oder andere Gelenkerkrankungen zu Arthrose führen. Einerseits treten bestimmte rheumatologische Erkrankungen tatsächlich häufiger auf. Obwohl die genauen Gründe dafür nicht bekannt sind, spielen etwa das Älterwerden der Bevölkerung und Umweltfaktoren eine Rolle. Andererseits werden rheumatologische Erkrankungen heute dank eines besseren Zugangs zur medizinischen Versorgung und eines erweiterten Wissens über diese Krankheiten früher und genauer erkannt.
Können auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen, dass mehr Leute unter rheumatischen Erkrankungen leiden?
Ja, dies wird vermutet, aber viele kennen wir noch nicht gut. Ein identifizierter Faktor ist das Rauchen. Was mehr Aufmerksamkeit erhielt, ist die Rolle des Mikrobioms. Das sind Darmbakterien, die unter anderem die Verdauung, den Stoffwechsel und das Immunsystem beeinflussen. Ein gestörtes oder unausgewogenes Mikrobiom könnte Fehlregulationen des Immunsystems verursachen. Auch könnte die Verunreinigung unserer Ernährung das Mikrobiom beeinflussen.
Welches sind die häufigsten rheumatischen Erkrankungen?
Man muss zwischen entzündlichen und degenerativen Erkrankungen unterscheiden: Allgemein sind degenerative Erkrankungen wie die Arthrose insbesondere im Alter viel häufiger. Wenn man von entzündlichen Krankheiten spricht, ist die Gicht die häufigste – vor allem bei Männern. Rheumatoide Arthritis ist die häufigste autoimmune Erkrankung und kommt bei Frauen häufiger vor.
Kann man durch bestimmte Ernährungsformen rheumatischen Erkrankungen vorbeugen?
Grundsätzlich ist es immer gut, sich gesund zu ernähren. Es ist aber bis heute – ausser bei Gicht – nicht wissenschaftlich erwiesen, dass bestimmte Ernährungsformen rheumatische Erkrankungen lindern oder gar verhindern können. Bei Gicht, einer Stoffwechselkrankheit, bei der sich Harnsäurekristalle in den Gelenken bilden, wirkt vor allem das Vermeiden von Innereien, rotem Fleisch, Meeresfrüchten, Fisch oder Süssgetränken lindernd, reicht aber in den meisten Fällen nicht aus, um die Harnsäure ausreichend zu senken.
Gibt es noch weitere Massnahmen zur Vorbeugung?
Ja, vor allem den Rauchverzicht, das Verhindern von Übergewicht sowie die Vorbeugung von Fehlbelastungen, indem man auf eine gute Haltung achtet oder sich bei Fehlstellungen der Füsse Schuheinlagen anpassen lässt. Zusätzlich sollte man regelmässig körperlich aktiv sein.
Wie kann man die Schmerzen – ausser durch das Einreiben von Cremen oder Salben – lindern?
Dies hängt von der Ursache ab. Am wichtigsten ist eine baldige Abklärung. Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis ist eine dauerhafte, medikamentöse Basistherapie ein Muss. Bei Arthrose hilft die frühzeitige Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten, eventuell begleitet von Physiotherapie. Es ist wichtig, in Bewegung zu bleiben, denn ein guter Muskelaufbau stützt und schont die Gelenke.