Ergibt es Sinn, Plastik separat zu sammeln?
06.03.2025 BaselbietDas Recycling von Kunststoff ist herausfordernd – der gesellschaftliche Druck wächst
Wohin mit dem Plastikmüll? Immer mehr Gemeinden beantworten diese Frage mit einer separaten Sammlung von Kunststoff. Weil es aber bei der Verwertung noch hapert, ist der ökologische ...
Das Recycling von Kunststoff ist herausfordernd – der gesellschaftliche Druck wächst
Wohin mit dem Plastikmüll? Immer mehr Gemeinden beantworten diese Frage mit einer separaten Sammlung von Kunststoff. Weil es aber bei der Verwertung noch hapert, ist der ökologische Nutzen geringer als erhofft. Der Kanton empfiehlt, den normalen Hauskehricht zu nutzen.
Regula Vogt-Kohler
Auch die kleine Oberbaselbieter Gemeinde Lauwil ist dabei: Seit dem 1. Februar können die Lauwiler Haushalte Kunststoffe mit dem System «Bring Plastic Back» sammeln und der Wiederverwertung zuführen. Die kostenpflichtigen Sammelsäcke gibt es bei der Gemeindeverwaltung. Sammelstellen sind die Entsorgungszentren der EZB AG in Bubendorf oder Aesch.
Während das separate Sammeln bei Papier, Karton, Glas, Metall, Textilien und Grünabfällen für die Gemeinden Pflicht ist, haben sie beim Kunststoff die Wahl. «Deshalb haben wir im Baselbiet einen Flickenteppich», sagt Monika Bolliger vom Amt für Umweltschutz und Energie (AUE) der Bau- und Umweltschutzdirektion. Neben Lauwil bieten etliche Baselbieter Gemeinden Kunststoffsammlungen an, andere haben sich dagegen entschieden.
Bolliger beantwortet die Grundsatzfrage, ob das Sammeln von Plastik Sinn macht, für den Moment mit einem «Jein». Sammeln und Recycling von Plastik sei eine komplexere Angelegenheit als bei den anderen Wertstoffen. So erhöht der Umstand, dass es zahlreiche unterschiedliche Kunststofftypen gibt, die Hürden für eine effiziente Verwertung. Zudem fallen Kunststoffabfälle häufig verunreinigt und als Verbundstoffe an. Dies erschwert die Sortierung, Aufbereitung und Verwertung.
Gratis beim Detailhändler
Relativ einfach präsentiert sich die Situation bei den PET-Getränkeflaschen und den PE-Flaschen mit Deckel wie etwa Shampooflaschen. Sortenrein rezykliert, werden aus gebrauchten neue Flaschen. Konsumentinnen und Konsumenten können PE-Plastikflaschen gratis beim Detailhändler entsorgen. Aufwendiger wird es bei den zahlreichen weiteren Kunststoffsorten. Oft ist nicht einfach zu erkennen, was überhaupt in die Kunststoffsammlung gehört, und beim Recycling fehlen die geeigneten Technologien.
Vieles könne gar nicht wiederverwertet werden, gibt Monika Bolliger zu bedenken. So landet dann dieser Plastik statt im Recycling als Brennmaterial in Zementwerken oder in der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA). «Wir vom Kanton vertreten die Haltung, dass Wertstoffe, die sinnvoll verwertet werden können, separat gesammelt und dem Recycling zugeführt werden sollen», sagt Bolliger. Konkret sei es in der Region im Moment ökologisch am sinnvollsten, lediglich PET- und PE-Flaschen separat zu verwerten und die restlichen Plastikabfälle direkt im Kehricht zu entsorgen. Dafür spreche, dass die KVA Basel beim Energieeffizienzwert zu den Besten gehört.
Druck aus der Bevölkerung
Das AUE stützt sich bei seiner zurückhaltenden Position auch auf die Studie «Kunststoff Recycling und Verwertung» («KuRVe»), welche die Firma Carbotech AG und das Hochschulinstitut UMTEC im Auftrag von acht Kantonen (darunter Baselland und Basel-Stadt), verschiedenen Verbänden und dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) durchgeführt hat. Das Fazit der Studie: «Mit dem Kunststoffrecycling wird ein vergleichsweise geringer Umweltnutzen ziemlich teuer erkauft.» Die Erkenntnisse der Studie aus dem Jahr 2017 seien nach wie vor gültig, sagt Bolliger.
Dem bescheidenen ökologischen Nutzen gegenüber stehen die Ansprüche einer Bevölkerung, die das Abfalltrennen verinnerlicht hat und auch beim Plastik «das Richtige» tun will. «Die Kunststoffsammelsysteme entstanden unter anderem aufgrund von Druck aus der Bevölkerung, Kunststoff vermehrt separat zu sammeln», heisst es dazu in der «KuRVe»-Studie.
Der gesellschaftliche Druck sei gross geworden, sagt Monika Bolliger, so gross, dass sich auch die nationale Politik für eine sinnvolle Lösung ausspricht. So hat eine Motion den Bundesrat beauftragt, mittels Verordnung festzulegen, dass stofflich verwertbare Anteile von Kunststoffabfällen schweizweit koordiniert und flächendeckend getrennt gesammelt und hochwertig stofflich verwertet werden können. Ein Entwurf soll demnächst in die Vernehmlassung gehen.
Sammelsäcke werden beliebter
sda. Das Plastiksammeln in der Schweiz fasst weiter Fuss. 2024 haben Konsumentinnen und Konsumenten 9090 Tonnen Plastik dem Recycling zugeführt. Mehr als 600 Gemeinden in 17 Kantonen beteiligen sich am System «Bring Plastic Back». Damit haben 2,4 Millionen Personen Zugang zur Sammlung von Haushaltkunststoffen, wie die Sammel- und Verwertungsorganisation Innoway kürzlich mitteilte. Die Steigerung um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr kam zustande, weil weitere Gemeinden und Städte dem Sammelsystem beitraten. 1387 Geschäfte verkaufen die Sammelsäcke, Sammelstellen für die gefüllten Säcke gibt es 674. Die 2024 gesammelten 9090 Tonnen Plastik ersetzen den Angaben zufolge 4545 Tonnen Neumaterial, was rund 14 Millionen Litern Öl entspricht. Mit dem im Recycling gewonnenen Regranulat lassen sich beispielsweise 3550 Kilometer Kabelschutzrohre herstellen. Die nicht wieder verwertbaren Mischkunststoffe schickt «Innoway» an die Zementindustrie, die sie als Brennstoff verwendet. Dort ersetzen sie Braun- oder Steinkohle, was wiederum den CO2-Ausstoss senkt.
Tipps für einen bewussten Umgang mit Plastik
1. Abfall vermeiden ist das oberste Gebot. Konkret: Wiederverwertbare Materialien verwenden, Mehrweglösungen unterstützen und auf Verpackungen verzichten.
2. Wiederverwenden: z.B. Mehrwegsysteme von Take-away-Behältern nutzen.
3. Recycling, soweit sinnvoll: möglichst sortenrein und hochwertig, z.B. PET-Getränkeflaschen und PE-Flaschen mit Deckel wie etwa Shampooflaschen.
4. Mit dem übrigen Hauskehricht verbrennen und energetisch nutzen, z.B. für Fernwärme.