Er hat dem Heimatschutz gut getan
28.11.2024 BaselbietDie Krönung von Ruedi Riesens Wirken beim Baselbieter Heimatschutz erfolgte im Frühjahr mit der Verleihung des Wakkerpreises an den Verein Birsstadt. Aber auch sonst hat der kämpferische Architekt einiges erreicht. Jetzt geht er schweren Herzens, doch es sei Zeit, dass Jüngere ...
Die Krönung von Ruedi Riesens Wirken beim Baselbieter Heimatschutz erfolgte im Frühjahr mit der Verleihung des Wakkerpreises an den Verein Birsstadt. Aber auch sonst hat der kämpferische Architekt einiges erreicht. Jetzt geht er schweren Herzens, doch es sei Zeit, dass Jüngere den Altknaben-Verein übernähmen.
Andreas Hirsbrunner
Vielleicht verdrückt Ruedi Riesen heute Abend im «Guggenheim» in Liestal die eine oder andere Träne. Denn er ist ein emotionaler Mensch und er schliesst sein «viertes Leben», wie er es ausdrückt, an der heutigen Jahresversammlung des Baselbieter Heimatschutzes mit ausgesprochen gemischten Gefühlen ab: Nach elf Jahren als Heimatschutz-Präsident tritt er zurück. «Dieser Rücktritt fällt mir sehr schwer. Aber ich bin jetzt 75 Jahre alt und wir sind im Heimatschutz je länger je mehr eine Ansammlung von alten Knaben. Jetzt müssen Jüngere übernehmen.» Unbestritten ist: Auch wenn Riesen vom Alter her zu den Senioren gehört, er hat dem früher leicht antiquiert wirkenden Heimatschutz mit seiner erfrischenden Art Dynamik eingehaucht.
Das war auch sein Ziel, als er 2013 das Zepter übernahm. Er sagte damals, dass er den Verein in der Öffentlichkeit besser sichtbar machen und ihm eine deutlich hörbare Stimme rund um Baufragen geben wolle. Zufrieden mit dem Erreichten? «Teilweise», antwortet Riesen. Nicht gelungen sei, in der Öffentlichkeit klar zu machen, dass der Heimatschutz und die staatliche Denkmalpflege zwei ganz verschiedene Player mit eigenen Rollen sind. Und er fügt an: «Uns als privater und politisch neutraler Verein ist vor allem das Bauen am Bestand wichtig und dass die Gebäude auch genutzt werden. Sonst kann man sie gleich abreissen.» Diesem vorwärts gewandten Denken spiele der Vereinsname nicht eben in die Karten: «Der Begriff Heimatschutz ist altväterlich und unglücklich. Früher ging es um schöne Häuser und Ballenberg-Stimmung, da war er noch zutreffend.»
Vier Jahre gepickelt
Wohin der Baselbieter Heimatschutz heute zielt, zeigen seine Auszeichnungen von guter Baukultur in den vergangenen Jahren. So etwa das Marabu in Gelterkinden, weil es bei der Renovation Altes (Ambiente) und Modernes (Eingangsbereich, technische Anlagen) vorbildlich kombinierte. Oder das reformierte Kirchgemeindezentrum in Reinach für die Neugestaltung des Mischeli-Areals, wo Kirche und neue nebenstehende Gebäude wie Gemeinschaftszentrum und Wohnbauten dem Geviert eine eigene Identität verleihen. Oder die ein halbes Jahrhundert alte Siedlung Im Lee in Arlesheim, die bezüglich verdichtetem Bauen immer noch Vorbildcharakter hat und nun mit Anpassungen an heutige Bedürfnisse schonungsvoll in die Moderne geführt wird.
Überhaupt ging der Blick des Heimatschutzes in den vergangenen Jahren vor allem ins Unterbaselbiet, was in der Verleihung des Wakkerpreises an den Verein Birsstadt in diesem Frühjahr gipfelte. Das war auch für Riesen der klare Höhepunkt in seiner präsidialen Wirkungszeit. Er fügt bei: «Bis Birsstadt ausgezeichnet wurde, habe ich vier Jahre beim Schweizer Heimatschutz gepickelt.» Der Preis steht auch im sogenannten «Forum für Baukultur», das an die heutige Jahresversammlung anschliesst, im Mittelpunkt: Nach Referaten von Vertretern von Birsstadt-Gemeinden und vom Kanton diskutiert das Plenum darüber, wie es nach dem Wakkerpreis weitergehen soll.
Dieses «Forum für Baukultur» zählt Riesen mit zu seinen Erfolgen: «Mir war wichtig, das Heimatschutz-Jahr zu strukturieren.» Den Start macht jeweils eine öffentliche Begehung meistens eines Dorfes, es folgen die Teilnahme am «Oltiger Määrt» und eine Gesprächsrunde mit einem Gemeinderat. Zu Letzterem präzisiert Riesen: «Wir suchen uns eine Gemeinde aus, in der es Diskussionsbedarf gibt.» Diese Gespräche haben im besten Fall Folgen, wie etwa in Ziefen oder Waldenburg (siehe Kasten). Im Herbst wird in der Regel ein Beispiel guter Baukultur ausgezeichnet und als Schlusspunkt folgt die Jahresversammlung mit dem anschliessenden «Forum für Baukultur».
Riesen setzt auf den Nachwuchs
Zurückhaltend müsse der Heimatschutz mit Einsprachen sein, um sein Image als Verhinderer nicht noch mehr zu zementieren, sagt Riesen. Würden alle gütlichen Einigungsversuche nicht fruchten, sei eine rechtliche Intervention aber manchmal unerlässlich, wie zum Beispiel beim Cheddite-Areal in Liestal, bei dem der Heimatschutz sowohl vor Kantonsgericht wie kürzlich auch vor Bundesgericht obsiegte. Für Riesen muss der Heimatschutz aber den Fokus anders ausrichten. Sein Credo habe fast an jeder Vorstandssitzung gelautet: «Der Heimatschutz darf nicht in einer Negativ-Spirale versinken, sondern muss immer versuchen, prospektiv und positiv zu agieren.»
Grosse Hoffnungen setzt Riesen in den Nachwuchs. Die heutige junge Gilde von Architektinnen und Architekten bevorzuge immer mehr das Bauen am wertvollen Bestand anstelle der leider immer noch verbreiteten Abrissmentalität mit der Vernichtung von viel grauer Energie. Es sei ohnehin viel interessanter, mit der Geschichte zu arbeiten als gegen sie.
Von dieser jungen Gilde von Architekten haben übrigens etliche ihre Grundausbildung als Hochbauzeichner bei Riesen absolviert, womit wir bei dessen drei früheren Leben sind. Denn Riesen teilt sein berufliches und öffentliches Wirken in vier Phasen oder eben Leben ein.
Das erste waren die knapp vier Jahre von 1978 bis 1981 in Kamerun. Dort baute der junge Architekt im Auftrag von Helvetas mit Geldern vor allem des Bundes neue Wasserleitungen, Schulhäuser und Busch-Spitäler, wobei in einem dieser Spitäler auch sein zweites Kind auf die Welt kam. Gebaut wurde jeweils während der Trockenzeit, während der Regenzeit wirkte Riesen als Schulleiter an einer Bauchfachschule, an der die Einheimischen in diversen Berufen ausgebildet wurden.
Schule zu geben habe ihn gepackt, sagt er, weshalb er dem Ausbilden von Fachkräften in seinem «zweiten Leben» treu blieb: Er unterrichtete rund drei Jahrzehnte lang an der Gewerbeschule in Liestal – heute gewerblich-industrielle Berufsfachschule genannt – Statik, Baumaterialkunde, Konstruktionslehre, Mathematik und Freihandzeichnen. Er gehörte als Konrektor für Bauberufe auch der Schulleitung an und baute zusammen mit dem damaligen Rektor Josua Oehler (Arboldswil) das erste Qualitätsmanagement in einer Baselbieter Schule auf. Riesen: «Dabei merkte ich, wie konservativ und wie wenig zukunftsgerichtet der Lehrkörper dieser Schule war, denn es ging lange, bis das Qualitätsmanagement akzeptiert wurde.»
Im Alter ganz ohne Scheuklappen
2002 zog es Riesen in die Politik, sein «drittes Leben»: Als SP-Stadtrat leitete er in Liestal zehn Jahre lang das Ressort Bau und Planung. Zu diesem Zeitabschnitt sagt Riesen: «Das war eine spannende, lehrreiche Zeit und wurde neben dem Beruf manchmal fast etwas zu viel für mich. Hätte mir meine Frau nicht den Rücken frei gehalten, ich hätte das nicht geschafft.» Als kämpferischer und öfters aneckender Stadtrat bewegte Riesen einiges. Als Höhepunkt bezeichnet er das neue Verkehrskonzept, das als wichtigstes Element die Rathausstrasse vom Verkehr befreite. Die neue Verkehrsführung erlaubte auch den Manor-Neubau mit der Passage ins «Stedtli».
Der Tiefpunkt sei gewesen, dass der Quartierplan Ziegelhof mit Coop als Ankermieter, den Riesen noch mit einem Zwei-Drittel-Mehr durch die Volksabstimmung brachte, nach seiner Amtszeit gescheitert ist. Riesen stellt dazu klar: «Daran waren nicht die Einsprecher schuld, die sich auf einen Kompromiss mit der Stadt eingelassen hätten, sondern Coop.» Dies weil der Grossverteiler, auf den der Quartierplan ausgerichtet gewesen sei, nach der Pensionierung des internen Zugpferds vom Projekt abgesprungen sei.
Dass das Feuer für die Liestaler Politik bei Riesen immer noch brennt, merkt man schnell, wenn man mit ihm zu diskutieren beginnt. So spricht er der bei baulichen Fragen immer wieder pointiert kritisch auftretenden Gruppe «Liestal orientiert» um den Architekten Raoul Rosenmund «mehr Fachkompetenz als dem gesamten Einwohnerrat» zu. In seinen Augen sollte der Stadtrat mit der Gruppe das Gespräch suchen, statt sie zu schneiden. Seinen ehemaligen Genossen von der Liestaler SP – Riesen ist aus der Ortssektion ausgetreten – schreibt er ins Zeugnis, dass sie dem Stadtrat «zahm und visionslos hinterhertrampen und nur noch die Finanzen im Auge haben».
Szenenwechsel. Wie stellt sich Riesen das Leben ab morgen ohne Verpflichtungen vor? «Meine Frau und ich sind ‹Reisefüdli›, und wir wollen mindestens noch eine grosse, mehrmonatige Reise nach Asien oder Afrika machen.» Im Vordergrund stünden Indien oder Kamerun, nach dem er immer wieder so etwas wie Heimweh verspüre.
Und noch einen alten Wunsch will er umsetzen: «Ich skizzierte viel in meinem Leben, entweder mit Bleistift oder Tusch. Jetzt will ich endlich wagen, Farbe aufs Papier zu bringen und entsprechende Kurse besuchen.» Ihn faszinierten Details in der Natur wie etwa Pflanzenknospen oder abstrakte Architektur und Landschaften.
Also wirds ruhiger um Ruedi Riesen? «Da bin ich mir nicht so sicher. Ich finde, je älter man wird, desto mehr darf man sich erlauben.» Sofort erhebt sich im Hintergrund Widerspruch von seiner Frau Elsbeth: «Nein, nein und nochmals nein. Manchmal muss man auch aufs Maul hocken.» Spannend zu beobachten, wer sich bei Riesens durchsetzt.
DAS SAGT RUEDI RIESEN ZU STICHWORTEN, DIE IHM DIE «VOLKSSTIMME» VORLEGTE
Villa Tschudy Sissach
«Der Denkmalschutz hat die Villa unter Schutz gestellt. In meinen Augen zu Recht, aber wir haben mit dem nichts zu tun. Wir überlegten, was man aus der Situation machen könnte und suchten das Gespräch mit dem Besitzer. Aber er wollte nicht mit uns reden. Unser Vorschlag: Wie beim Tobler-Areal in Sissach sollte ein Teilzonenplan für das Gebiet von der Migros ostwärts ausgearbeitet werden mit der Auflage, dass die Villa Tschudy wieder aufgebaut wird.»
Bahnhof Liestal
«Das ist eine architektonische Katastrophe. Die SBB haben in Abweichung vom Wettbewerbs-Siegerprojekt einen stillosen 08/15-Klotz hingestellt, der auch keine Orientierung bietet, wo die Durch- und Abgänge sind. Die Behörden reden jetzt den neuen Bahnhof schön.»
Cheddite-Areal Liestal
«Natürlich freut es uns, dass wir vor Gericht Recht erhielten. Doch bevor wir rechtliche Schritte gegen den Quartierplan ergriffen, hatten wir eine Architekturstudie in Auftrag gegeben, wie das Areal unter Einbezug der erhaltenswerten Fabrikgebäude leicht reduziert überbaut werden könnte. Dabei enttäuschte uns, wie die Investoren, der Stadtrat und letztlich auch der Einwohnerrat unsere Vorschläge ignorierten.»
Ortsplanung Ziefen
«Ziefen ist ein Positivbeispiel, wie eine umfassende Planung gelingen und wie man den alten Häusern zwischen Bach und Strasse wieder Leben einhauchen könnte. Unser Beitrag war, mit einer Begehung das Projekt anzustossen. Daraus folgte dann eine Einladung an drei Architekten-Teams, die Vorschläge zur Dorfkernentwicklung machten. Jetzt ist eine eigenständige Kommission am Arbeiten.»
«Stedtli» Waldenburg
«Waldenburg ist eher ein Negativbeispiel. Auch hier stand am Anfang ein Gespräch mit dem Gemeinderat zur ‹Stedtli›-Entwicklung. Wir zogen dann die Fachhochschule bei, und Architektur-Studenten arbeiteten ein tolles Projekt aus, wie der öde Platz bei der Gemeindeverwaltung unter anderem mit einem Café besser genutzt werden könnte. Doch das Ganze ist versandet, weil der Gemeinderat nicht recht mitmachen wollte.»