Entspannte Ernährung im Alter
19.04.2024 BaselbietTipps vom ehemaligen Ziefner Dorfarzt Edy Riesen
Was sollten ältere Menschen beim Essen beachten? Es gibt da einiges – von Proteinen bis zu Vitaminen. Doch der ehemalige Ziefner Dorfarzt Edy Riesen rät vor allem zu einer vernünftigen und entspannten Ernährung im ...
Tipps vom ehemaligen Ziefner Dorfarzt Edy Riesen
Was sollten ältere Menschen beim Essen beachten? Es gibt da einiges – von Proteinen bis zu Vitaminen. Doch der ehemalige Ziefner Dorfarzt Edy Riesen rät vor allem zu einer vernünftigen und entspannten Ernährung im Alter.
Edy Riesen
Es gibt Hinweise darauf, dass bei gesunden über 70-Jährigen die Änderung ihrer Essgewohnheiten keine Auswirkung auf die weitere Lebensdauer hat. Sein Leben verlängert man also nicht, wenn man im Alter auf vermeintlich nur noch gesundes Essen ausweicht. Hingegen kann eine gezielte Ernährung ein besseres Altern bewirken. Ich lasse in diesem Artikel die politischen und ökologischen Aspekte der Ernährung beiseite und weise auf die wichtigsten Punkte aus medizinischer Sicht hin.
Zum einen sollen zwei alte Zöpfe abgeschnitten werden. Zuerst die viele Jahre alte Empfehlung aus den Vereinigten Staaten, möglichst zwei Liter Wasser pro Tag zu trinken. Im Grundsatz mag das richtig sein, jedoch sollte der Wassergehalt von Nahrungsmitteln wie Suppen, Tomaten, Gurken, Früchten und vielem mehr zur Flüssigkeitsbilanz ebenfalls hinzugerechnet werden, Kaffee inklusive! Das heisst, ein Liter Wasser kann durchaus ausreichend sein, sofern man genügend wasserreiche Nahrungsmittel zu sich nimmt.
Zum Zweiten ist auch die Legende der Eier als «Cholesterinbomben» längst überholt. Zwei oder drei Eier pro Tag (beispielsweise auch als Omeletten) sind gesunde und ausgezeichnete Eiweissspender – und erst noch kostengünstig.
Mehrfach Früchte und Gemüse
Eine einfache Empfehlung gilt für die Einnahme von Früchten und Gemüsen. Häufig spricht man von der Mittelmeerdiät. Ideal wären zwei Einheiten Früchte, zum Beispiel ein Apfel und eine Birne. Dazu drei Einheiten Gemüse, zum Beispiel eine Portion Fenchel, eine grosse Tomate und ein Teller Salat. Das Stichwort dazu lautet: «Alle Farben verteilt über den Tag.» Weisses Fleisch und Fisch gilt als gesünder als rotes Fleisch. Ein Glas Rotwein ist erlaubt. Kaffee und Grüntee sowie dunkle Schokolade (!) sind «Entrostungsmittel», sie dürfen also als gesund gelten.
Ganze wichtig ist, dass Seniorinnen und Senioren mehr Eiweiss (Protein) brauchen als jüngere Erwachsene, nämlich ähnlich viel wie Adoleszente! Etwa vom 50. Lebensjahr an verliert ein Mensch pro Jahr 1 Prozent seiner Muskelmasse, welche durch Fett ersetzt wird. Damit möglichst wenig Muskeln verloren gehen, braucht es genügend Eiweiss. Aber natürlich braucht es dazu auch Bewegung beim Gärtnern, beim Haushalten, beim Wandern, Velofahren, Schwimmen, und für Leute, die es mögen, im Fitnessstudio.
Ein Beispiel für die Schätzung des Eiweissbedarfs: Eine 72-jährige Frau wiegt 65 Kilogramm. Sie braucht 1 bis 1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Ihr Tagesbedarf bewegt sich also zwischen 65 und 80 Gramm Eiweiss.
Viel Protein enthalten Milchprodukte und natürlich Fisch und Fleisch, aber auch Nüsse, Hülsenfrüchte, Sojamilch und Tofu (für Vegis). Alle diese Nahrungsmittel nennt man «proteindicht». Auch beispielsweise Teigwaren, Getreide oder Kartoffeln enthalten Proteine, aber man müsste Unmengen davon essen, um genügend zu erhalten. Fett und Zucker sind sogenannte «leere Kalorien», da sie eben keinen Zusatznutzen haben. Ganz ausgezeichnet eignet sich die Molke, die sowohl als Getränk als auch in Pulverform zum Auflösen angeboten wird.
Vitamine aus dem Labor?
Soll man Vitamin D einnehmen oder nicht? Es gibt viele Daten aus der Forschung, aber keine einheitliche Lehrmeinung. Sicher ist, dass 800 Internationale Einheiten (IE, entspricht etwa 20 Mikrogramm) täglich genügen und keine Nebenwirkungen haben. Das entspricht zwei Tropfen einer öligen Vitamin-D-Lösung, wie sie in Drogerien oder Apotheken gekauft werden kann. Alternativ gelten 14 Tropfen der obigen Lösung einmal wöchentlich. Da verschiedene Produkte im Handel sind, müssen die Angaben auf den Fläschchen beachtet werden. Ich selbst habe gewisse Vorbehalte, ob sich alle Versprechungen betreffend der Wirkung von Vitamin D erfüllen. Als positive Effekte werden beschrieben: Stärkung der Knochen und Zähne (gilt als gesichert), Stärkung des Immunsystems und damit der Abwehr (eventuell ja), Stärkung der Muskulatur (Meinung von Altersmedizinern) sowie Verlangsamung des Alterungsprozesses (Theorie).
Ein Grund für die empfohlene Einnahme ist, dass ältere Menschen gegenüber jüngeren nur noch ein Viertel des Vitamin D über die besonnte Haut produzieren können. Zusammenfassend also spricht einiges für die tägliche Einnahme von Vitamin D, zumindest in den Wintermonaten. Oder anders gesagt: Wer nicht dagegen ist, soll es ruhig einnehmen.
Und wie steht es mit dem Vitamin B12? Dieses Vitamin, das vor allem über Fleischprodukte (in Gemüsen kommt es nur in Spuren vor) in den Körper gelangt, wird im Alter nicht mehr so gut aufgenommen. Einerseits kann im Magen ein Transporteiweiss für Vitamin B12 fehlen, andererseits können gewisse Medikamente wie Säurehemmer oder das Diabetesmittel «Metformin» die Aufnahme des Vitamins be- oder sogar verhindern. Ich sehe es als Aufgabe der Hausärztinnen oder Hausärzte, den Spiegel des Vitamins B12 im Labor zu bestimmen, wenn Symptome wie unerklärbare Müdigkeit, Kribbeln, Taubheitsgefühl, Zungenbrennen, Gangunsicherheit oder das Nachlassen des Gedächtnisses auftreten. Bei Vegetarierinnen und Vegetariern gilt es, besonders aufmerksam zu sein. Wenn tatsächlich ein Mangel besteht, kann mit hoch dosierten Tabletten eine Besserung versucht werden. Schneller und sicherer erfolgt die Behandlung aber mit Injektionen.
Das Wichtigste zum Schluss: die Medizin verspricht oft zu viel. Man soll nur brav sein, dann bleibe man gesund und werde uralt. Wenn es so einfach wäre! Die richtige Ernährung ist zwar wichtig, aber kein Allheilmittel! Das Ziel ist nicht, möglichst viele Jahre zu leben, sondern die späten Jahre mit Leben zu füllen.
Darum darf es auch einmal eine Metzgete sein und ein Stück Torte, am schönsten in einer frohen Runde mit andern Menschen. E Guete!
Der pensionierte Dorfarzt Edy Riesen hat kürzlich an einem Seniorinnenund Seniorennachmittag in Ziefen zum Thema Ernährung gesprochen.
Quellen für den Artikel: Diverse Angaben aus medizinischen Journalen, vor allem aber aus dem Buch «Gesund älter werden» (Hg. Prof. Reto Kressig, Felix Platter Spital Basel).
10 Gramm Protein sind enthalten in …
Tierische Proteine
• 3 dl Milch oder Joghurt
• 1,5 Eiern
• 12 g Molkenprotein-Pulver
• 25 g Trockenfleisch
• 30 g Hartkäse
• 50 g Fleisch oder Fisch
• 60 g Weichkäse
• 100 g Quark, Hüttenkäse oder Ziger
Pflanzliche Proteine
• 3 dl Sojamilch
• 50 g Nüssen, Kernen, Samen
• 100 g Tofu
• 50 g Hülsenfrüchten (Rohgewicht)
Seniorinnen und Senioren brauchen täglich 1 bis 1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht, um die Muskelmasse einigermassen erhalten zu können.