«Eine realitätsfremde Entscheidung»
26.07.2024 Bezirk Sissach, Wenslingen, Energie/Umwelt, Bezirk Sissach, LiedertswilDenkmalpflege verweigert Baubewilligung für Solaranlage – Hauseigentümer ist fassungslos
Paul Schild (64) wollte auf seinem Haus im Dorfkern von Wenslingen eine Solaranlage installieren. Obwohl Gemeinderat und Nachbarschaft dem Vorhaben zustimmten, verweigerte ihm die ...
Denkmalpflege verweigert Baubewilligung für Solaranlage – Hauseigentümer ist fassungslos
Paul Schild (64) wollte auf seinem Haus im Dorfkern von Wenslingen eine Solaranlage installieren. Obwohl Gemeinderat und Nachbarschaft dem Vorhaben zustimmten, verweigerte ihm die kantonale Denkmalpflege die Baubewilligung – mit fragwürdiger Begründung.
Janis Erne
Ein Jahr voller Abklärungen und Briefwechsel liegt hinter Paul Schild. Am Ende bleibt ihm nur eines: Enttäuschung. Eigentlich wollte der 64-Jährige einen Beitrag zur Energiewende leisten und auf dem Dach seines Hauses in Wenslingen eine Solaranlage installieren. Doch die kantonale Denkmalpflege verbot es ihm.
Der Grund: Schilds Haus steht im Dorfkern, der im Inventar der Ortsbilder von nationaler Bedeutung (Isos) aufgeführt ist. Zudem weist dieses Gebiet die höchste Schutzwürdigkeit (Typ A) auf. In solchen Fällen sind nur Solaranlagen erlaubt, die vom öffentlichen Grund aus «schlecht einsehbar» sind.
Die Solaranlage, die Schild auf der vorderen Dachseite – zur Mittleren Gasse hin – realisieren wollte, wäre von der Strasse aus gut sichtbar gewesen. Rechtlich ist klar, dass hier keine Solaranlage zulässig ist. Deshalb zeigte sich der in Sissach aufgewachsene Verpackungsunternehmer offen für eine andere Lösung: eine Solaranlage auf der hinteren Dachseite, die einer Wiese mit Baumgarten zugewandt ist. «Mit dieser Ausrichtung hätte ich zwar 20 bis 30 Prozent weniger Energie produzieren können, aber damit hätte ich leben können», sagt Schild.
Doch auch diese Variante konnte nicht realisiert werden, weil sich die Denkmalpflege ein zweites Mal quer stellte. Sein Baugesuch wurde erneut abgelehnt. Ein Schreiben der Bau- und Umweltschutzdirektion, unterzeichnet von Vorsteher Isaac Reber (Grüne), gibt Auskunft darüber, weshalb. Darin steht, dass eine dem Grünraum hinter Schilds Haus zugewandte Solaranlage den wertvollen Baumgarten «wesentlich beeinträchtigen» würde. Und dass die «ansässige Bevölkerung» vom dortigen Feldweg aus die Sicht auf den Dorfkern und seine schützenswerte Dachlandschaft geniesse.
Wenn Paul Schild diese Zeilen liest, kann er nur den Kopf schütteln: «Die Begründung der Baudirektion ist realitätsfremd und technokratisch.» An einem normalen Tag würden nicht mehr als zwei Personen diesen Fussweg benutzen, sagt Schild. Und: «Einer davon ist mein Nachbar.» Schild ist überzeugt, dass eine Solaranlage auf der Rückseite seines alten Bauernhauses, das er vor 20 Jahren aufwendig renoviert hat, niemanden stören und das Ortsbild in keiner Weise beeinträchtigen würde.
Mini-Solaranlage wäre möglich
Ein Augenschein der «Volksstimme» zeigt: Vom besagten Fussweg aus ist Schilds Haus gar nicht gut zu sehen, weil es von Bäumen und Sträuchern verdeckt wird (siehe Bild oben). Zudem scheint der schmale Fussweg – wenn überhaupt – nur sehr wenige Spaziergänger anzulocken, da er lediglich über Privatgrundstücke zugänglich ist (siehe Bilder unten).
Paul Schild kann das Verhalten der Behörden nicht verstehen. «Es heisst immer, dass bei der Energiewende jede Kilowattstunde zählt. In meinem Fall scheint das aber nicht zu gelten», sagt der Oberbaselbieter, der vor einigen Jahren bereits seine Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt hat, um nachhaltiger zu leben. Hätte er nun die Solaranlage bauen können, hätte seine Familie wohl ein Elektroauto gekauft. Jetzt verzichtet sie darauf.
Die Bau- und Umweltschutzdirektion hält auf Anfrage der «Volksstimme» fest, es sei wichtig, «dass die beiden öffentlichen Interessen der Energiewende und des Erhalts der Ortsbilder nicht gegeneinander ausgespielt werden». Auf fast allen Gebäuden im Baselbiet könnten heute Solaranlagen installiert werden – bei 93 Prozent der Gebäude sei nicht einmal eine Bewilligung nötig. Im Fall von Paul Schild habe die Denkmalpflege aufgrund von geltenden Vorschriften nur einen «geringen Auslegungsspielraum». Die projektierte Anlage in Wenslingen und die Gegebenheiten seien vor Ort besichtigt und mit Augenmass beurteilt worden.
Nach langem Hin und Her schlug die Direktion Schild vor, auf einem Teil der Laube eine Solaranlage zu installieren. Diese hätte jedoch nur eine Fläche von etwa 10 Quadratmetern gehabt und wäre wirtschaftlich nicht rentabel gewesen. Schild lehnte ab und gab seine Bemühungen auf, eine Solaranlage zu errichten.
Landrat will Vorschriften lockern
je. Fälle wie der von Paul Schild beschäfnicht als schützenswert gelten, zulässig tigen auch die Politik. FDP-Landrätin Saskia sein sollen, sofern sie «genügend ange-Schenker kritisiert, dass das nationale Raumpasst» sind. Anlagen, wie Paul Schild eine planungsgesetz im Kanton Baselland zu auf der vorderen Dachseite seines Hauses wenig differenziert angewendet werde. geplant hatte, wären damit künftig mög-Die Itingerin setzt sich im Parlament seit lich (siehe Visualisierung rechts).
Längerem für eine Lockerung der Vorschrif-Heute sind Solaranlagen auf Gebäuden ten für Solaranlagen in Kernzonen ein. in Kernzonen mit Isos-Schutztyp A nur Ihr jüngster Vorstoss wurde im vergangezulässig, wenn sie vom öffentlichen Grund nen November an den Regierungsrat überaus «schlecht einsehbar» sind. In Wenswiesen, der das Anliegen seither prüft. lingen, in unmittelbarer Nachbarschaft von Konkret fordert Schenker, dass Solaranla-Schild, hat der Kanton 2022 eine solche gen auf Gebäuden in der Kernzone, die Anlage bewilligt.