Eine glückliche Kindheit im Schloss Ebenrain
30.10.2025 Sissach, ZunzgenHeinz Schaffner (82), Sohn des früheren Gärtners des Anwesens, erinnert sich
Zurzeit wird die Weiheranlage im Ebenrainpark saniert. Die Baustelle und im Zuge dessen die Publikationen von alten Fotos stiessen bei Heinz Schaffner aus Zunzgen auf besonderes Interesse. Er wuchs im ...
Heinz Schaffner (82), Sohn des früheren Gärtners des Anwesens, erinnert sich
Zurzeit wird die Weiheranlage im Ebenrainpark saniert. Die Baustelle und im Zuge dessen die Publikationen von alten Fotos stiessen bei Heinz Schaffner aus Zunzgen auf besonderes Interesse. Er wuchs im «Ebenrain» auf, denn sein Vater Jakob war dort von 1942 bis 1976 als Gärtner tätig gewesen.
Brigitte Keller
«Ich kann mich noch gut erinnern, als der Weiher Anfang der Fünfzigerjahre schon einmal saniert wurde», erzählt Heinz Schaffner. «Die abgefischten Karpfen hatte man in die Brunnentröge im Schlosshof gesetzt. Am nächsten Morgen fand man sie im Hof zappelnd und nach Luft schnappend vor, denn sie waren herausgesprungen. Sofort setzten wir sie zurück und deckten diesmal die Tröge mit Brettern ab.»
Der junge Heinz war damals einer der «Fischretter» und der «Ebenrain» sein Zuhause. Aber nicht, weil er zur Familie der Schlossherren gehörte, sondern weil sein Vater Jakob als Gärtner und seine Mutter Frieda, geborene Grollimund, als Hilfe in Küche und Haus im «Ebenrain» tätig waren. Jakob Schaffner, geboren 1911 und gelernter Gärtner, hatte im Oktober 1940 beim Liestaler Gärtnermeister Jakob Heinis, genannt «Heinis Joggi», eine Stelle angetreten und war von diesem regelmässig auf den «Ebenrain» geschickt worden, erzählt Sohn Heinz Schaffner.
Dessen Fleiss und Können haben den damaligen Schlossherrn Rudolf Staechelin beeindruckt und bald habe er den jungen Gärtner abwerben wollen. Dieser zögerte, da er ja erst kurz vorher die Stelle in Liestal angetreten hatte und sich deshalb seinem Chef gegenüber verpflichtet fühlte. Das würde er schon regeln, habe Staechelin daraufhin gesagt. Womit er «Heinis Joggi» überzeugen konnte, den Gärtner ziehen zu lassen, ist nicht bekannt, aber kurz darauf zog das Ehepaar Schaffner in das Portierhäuschen beim unteren Tor des «Ebenrains».
Kaum eingezogen, kündigte sich beim Ehepaar Nachwuchs an. Seine Mutter sei damals schon einiges über 30 Jahre alt gewesen und die Schwangerschaft wohl eine ziemliche Überraschung. «Aber das freit uns, so khunnt wieder e kli Läbe in dr Eberain», habe laut Überlieferung Frau Staechelin gesagt, als die werdende Mutter die Botschaft oben im Schloss «gebeichtet» habe. Deren Sohn Peter sei da ja bereits über 20-jährig gewesen und in jener Zeit meistens ausser Haus im Militärdienst.
1943 kam Heinz Schaffner zur Welt. Sein Grossvater mütterlicherseits war Schreiner in Liestal und habe dann extra ein kleines Bett zimmern müssen, das in eines der Zimmerchen im Portierhäuschen passte. Der Gärtnersohn kann sich noch an ganz viele Details aus jener Zeit erinnern. Eines Tages sei er aufgewacht und niemand sei im Haus gewesen. «So habe ich mich als kleiner Knirps im Nachthemd auf die Suche nach meiner Mutter gemacht.» Auf dem Weg Richtung Schloss seien ihm die Hunde der Familie Staechelin entgegengerannt und hätten ihn prompt in den Hintern gebissen. Als der Bub auf einem grossen Fenstersims liegend mit Jod verarztet wurde, soll Fräulein Finkbeiner, die Schwester der Schlossherrin, gesagt haben: «Das Khind het ä Fudeli wie Sammet.»
Vage Zukunft nach Todesnachricht
Am 3. Januar 1946 erreichte eine Todesnachricht die Herrschaften im «Ebenrain» Sissach: Rudolf Staechelin war in Basel auf dem Weg zu seiner täglichen Arbeit überraschend verstorben – im Alter von 65 Jahren. Dies sei auch für seine Eltern ein schwerer Schlag gewesen, erzählt Schaffner, denn sie wussten ja nicht, wie es jetzt weitergehen sollte. Frau Staechelin sei dann mit ihrer Schwester Elisabeth Finkbeiner, die schon vorher mit ihnen im «Ebenrain» gelebt hatte, nach Basel in die Stadtwohnung am Mühlenberg gezogen. Sie hätte der jungen Familie jedoch versichert, dass sie, so lange sie lebe, den «Ebenrain» nicht hergeben würde.
Um einen «Plan B» zu haben, habe sein Vater in jenen Jahren in Zunzgen ein 36 Aren grosses Grundstück erworben. Dort hätte er eine Gärtnerei aufgebaut, wenn er seine Stelle auf dem «Ebenrain» verloren hätte. Doch Frau Staechelin hielt Wort und die Eheleute Schaffner hatten weiterhin ihre Arbeit und ihr Auskommen auf dem «Ebenrain».
Nach dem Tod von Emma Mina Staechelin 1949 verkaufte Sohn Peter G. Staechelin das Anwesen 1951 an den Kanton Baselland. Da weiterhin jemand zum Haus und zum Park schauen musste, wurden die Eheleute Schaffner vom Kanton weiterbeschäftigt als Gärtner und Verwalter. «Am Gründonnerstag 1952 zügelten wir dann mit einem ‹Leiterwägeli› unser Hab und Gut in den leer stehenden Seitenflügel, dorthin, wo zuvor die Gutsbesitzer gewohnt hatten.» Diese hätten dort und nicht im Haupthaus gelebt, weil dieses damals wegen umfangreicher Renovationsarbeiten, unter anderem wegen Feuchtigkeit und daraus folgendem Hausschwamm-Befall, nicht bewohnbar war.
«Von da an fühlte ich mich wie ein Prinz», erzählt Heinz Schaffner. Sein Reich umfasste ab da drei Zimmer: Ein grosses Schlafzimmer mit zwei Fenstern, ein kleines Zimmer mit einem Fenster und ein weiteres grosses Spielzimmer mit zwei Fenstern. Beheizt werden konnten diese Zimmer damals nur mit einem elektrischen «Öfeli», aber diesen Nachteil nahm er gerne in Kauf im Tausch mit den vielen Vorteilen.
Neben seinem Schlafzimmer in Vogelaugenahorn, das ihm und seinen Eltern von Peter Staechelin geschenkt wurde, gab es im zweiten Seitenflügel auch noch einen Raum voller zurückgelassener Spielsachen: Modellsegelflugzeuge und Modellschiffe, ein Kindervelo der Marke Prester, ein Kasperli-Theater und vieles mehr. Heinz Schaffner hat alles, woran er sich noch erinnern kann – und er kann sich an vieles sehr gut erinnern – fein säuberlich aufgelistet. Ein paar Dinge hätten wahrscheinlich gar noch von den früheren Schlossbesitzern, der Familie Touchard-Hübner, gestammt.
Unter den Hinterlassenschaften befand sich unter anderem auch das Buch «Lamperts kleines Schmetterlingsbuch». Dieses Buch legte damals den Grundstein zu Heinz Schaffners lebenslangem Hobby «Schmetterlinge». Heinz Buser, der bekannte Sissacher Entomologe, dessen Sammlung heute im Kantonsmuseum verwahrt ist, wurde später sein Mentor.
Heinz Schaffner sagt, dass er eine sehr glückliche Kindheit hatte. Nur einmal, 1952, sei er «dem Teufel vom Karren gefallen»: Eines Morgens im Bett hätte er sich nicht mehr bewegen können. Lange war den Ärzten im Spital nicht klar, worum es sich handelt. Nach ein paar Tagen unterrichteten die Ärzte seine Eltern, es gehe mit ihm zu Ende. «Ich sehe noch heute, wie mein Vater damals mit Tränen in den Augen durch die kleine Glasscheibe in der Türe zum Spitalzimmer «zum Abschied» gewunken hat – hinein durfte er nicht, wegen befürchteter Ansteckungsgefahr.» Das Leiden stellte sich aber als eine Herzmuskelentzündung heraus, die mit «mehr als 150 Penicillin-Spritzen in mein Hinterteil behandelt wurde», erinnert sich der 82-Jährige.
Kanton liess Bauernhof abreissen
Mit Heinrich, dem zweitältesten Sohn der Bauernfamilie Peter vom benachbarten Bauernhof Ebenrain, habe er auch so manches Abenteuer erlebt. Dass der Familie nach der Übernahme durch den Kanton dann der Pachtvertrag gekündigt wurde und das Bauernhaus samt Stall, Scheune und Fasanerie abgerissen worden sei, kann Heinz Schaffner bis zum heutigen Tag nicht verstehen und bedauert es sehr. «Eine Todsünde», findet er. «Man wollte damals sogar sechs Bäume der Lindenallee fällen für die Zufahrt zur neuen Landwirtschaftsschule. Und die zwei Kutschen der Herrschaften befinden sich irgendwo in einem Museumsdepot anstatt auf dem ‹Ebenrain›.»
Vater Jakob Schaffner hegte und pflegte bis zur Pensionierung das ganze Areal und bepflanzte die vielen Rabatten rund ums Schloss. Die Pflanzen habe er selber gezogen und die Sämereien aus der eigenen Tasche bezahlt. Pflanzen, die er nicht selber brauchte, konnte er weiterverkaufen, was bei einer Gärtnerei in Sissach «nicht so gut angekommen» sei.
Der Mutter oblag es, für die zahlreichen Anlässe wie Kunstausstellungen, Konzerte und Empfänge, die der Kanton ab da auf dem «Ebenrain» durchführte, die Abwicklung vor Ort zu betreuen, eine Tätigkeit, die sie mit grosser Freude und Zufriedenheit der Gäste geleistet habe. Zum Beweis legt Heinz Schaffner einen ganzen Ordner mit an seine Mutter gerichteten Dankesschreiben vor.
Zöllner anstatt Bähnler
Das erste Berufsziel von Heinz Schaffner war Bahnhofvorstand. Die Prüfung zum Antritt der Lehrstelle hatte er schon im Sack, als er auf Anraten hin beschloss, zuerst noch die Verkehrsschule in Olten zu absolvieren. Nach dem Abschluss wollte er lieber zum Zoll, weil es hiess, da sei der Lohn besser als bei den SBB. Die anschliessende Ausbildung zum technischen Zollbeamten mit viel Warenkunde und Besuchen bei bekannten Industriebetrieben im ganzen Land hat ihm sehr gefallen. Nach einigen Jahren beim Zoll, unter anderem in Chiasso, holte Schaffner in der Abendschule in Basel die Matur nach, studierte Biologie, Geografie und Chemie, um in Liestal als Sekundarlehrer zu unterrichten.
Schaffners bester Freund, Roland Reber selig, führte ihn ins Tauchen ein und seine Lebenspartnerin ins Westernreiten. Beide Sportarten hat er lange Zeit intensiv betrieben. Eine weitere Leidenschaft gilt bis heute der Privat-Fliegerei. Diese führte ihn von Südschweden bis Spanien und von England bis Kroatien.
Wer hätte ahnen können, welch grossen Einfluss ein Zimmer voller alter Spielsachen, darunter ein Buch über Schmetterlinge, Flugzeug- und Schiffsmodelle sowie die bezaubernde Natur im Schlosspark auf das Leben von Heinz Schaffner haben würde. Er sagt: «Ich bin dankbar, auf ein so reichhaltiges und glückliches Leben zurückblicken zu können.»





