Ein Schrift steller-Leben grafisch dargestellt
28.12.2024 Bezirk LiestalMorgen vor 100 Jahren starb Nobelpreisträger Carl Spitteler
Am 29. Dezember 1925 verstarb der Dichter und Nobelpreisträger Carl Spitteler in Luzern. Illustrator Andreas Müller-Weiss erweist ihm mit einer «Graphic Novel» – eine Geschichte aus Bild und Text ...
Morgen vor 100 Jahren starb Nobelpreisträger Carl Spitteler
Am 29. Dezember 1925 verstarb der Dichter und Nobelpreisträger Carl Spitteler in Luzern. Illustrator Andreas Müller-Weiss erweist ihm mit einer «Graphic Novel» – eine Geschichte aus Bild und Text – die Reverenz und beleuchtet einzelne Kapitel aus Spittelers Leben.
Martin Stohler
Carl Spittelers Lebensbahn begann in Liestal und endete in Luzern. Geboren wurde er am 24. April 1845 als erster von drei Söhnen des Richters und Landschreibers Karl Spitteler und seiner Frau Anna Dorothea Spitteler-Brodbeck. Vorübergehend lebten die Spittelers in Bern, wo der Vater eine Stelle als Kassier für den neuen Bundesstaat angenommen hatte. Einen guten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte Spitteler jedoch in Liestal. Wichtige Anregungen erhielt er im Umgang mit der Familie von Pfarrer Widmann, insbesondere von dem drei Jahre älteren Pfarrerssohn Joseph Victor Widmann und dessen Schwester Anna. Sie bestärkten ihn auch in seinem Wunsch, Dichter zu werden.
Der Aufstieg von den prosaischen Niederungen des Baselbiets empor zu den ruhmumstrahlten Höhen epischer Dichtkunst erwies sich allerdings als lang und beschwerlich. Die Wahl eines Brotberufs bereitete dem jungen Spitteler einige Probleme. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Basel begann er ein Studium der Rechtswissenschaften, wechselte dann zur Theologie. 1871 bestand er das theologische Examen zwar, mochte aber eine Pfarrstelle in Graubünden nicht antreten, sondern nahm eine Stelle als Hauslehrer in St. Petersburg an.
Längere Durststrecke
Erst nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1878 kehrte Spitteler definitiv in die Schweiz zurück. Während seiner Zeit in Russland begann er mit den Arbeiten an seinem Prosa-Epos «Prometheus und Epimetheus», das schliesslich 1881/1882 im Druck erschien. Dem Werk war zunächst kein Erfolg beschieden. Anlässlich einer Neuauflage im Jahr 1904 bemerkte Spitteler dazu: «Das Buch wurde damals in Deutschland keiner Besprechung gewürdigt, so dass sein Dasein dem Publikum verborgen blieb.»
Unter diesen Umständen war Spitteler froh, als Lehrer arbeiten zu können; zunächst in Bern, dann in Zürich und schliesslich in La Neuveville. 1883 heiratete er Maria Op den Hooff. Das Paar hatte zwei Töchter, Anna und Marie-Adèle. Ab 1885 war Spitteler als Journalist und freier Schriftsteller tätig.
Spittelers Anstellung als Feuilleton-Redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» im Jahr 1890 beendete die finanziellen Nöte der vorherigen Jahre. Gleichzeitig beanspruchte ihn die Arbeit für die Zeitung dermassen, dass er kaum noch Raum für anderes hatte. Als sich 1892 abzeichnete, dass er künftig nicht mehr auf ein festes Einkommen angewiesen war, gab er die Stelle bei der NZZ auf.
Im gleichen Jahr zog Spitteler mit seiner Familie nach Luzern ins Haus der Schwiegereltern. Dort lebte er bis zu seinem Tod im Jahr 1925 und konnte sich nun ganz der Dichtkunst widmen. In jenen Jahren entstand auch sein monumentales Epos «Olympischer Frühling», für das ihm 1920 rückwirkend auf das Jahr 1919 der Nobelpreis zugesprochen wurde. Geschildert wird darin der Aufstieg einer neuen Generation von Göttern aus den Tiefen des Hades zu den Höhen des Olymps. Der «Olympische Frühling» ist reich an eindrücklichen Bildern, es mangelt ihm nicht an der Gedanken-Fülle – für die Lektüre braucht es allerdings gutes Schuhwerk und eine gehörige Portion Ausdauer.
Künstlerische Annäherung
Carl Spitteler als zentrale Figur einer «Graphic Novel» – kann das funktionieren? Es kann, wie Andreas Müller-Weiss mit seiner eigenwilligen Herangehensweise an Spittelers Biografie beweist. Müller-Weiss zeigt jeweils auf einer Doppelseite mit mehreren Bildern und Textpassagen eine erhellende Szene oder Station aus Spittelers Leben. Dabei werden die einzelnen Bilder durch besondere Bildelemente, die sich über beide Seiten erstrecken, visuell miteinander verbunden.
Aus insgesamt 52 solcher Doppelseiten entsteht ein dichtes Lebensbild. Es zeigt Spitteler im Kreise seiner Familie und mit seinen Freunden, im Gespräch mit seinem Lehrer Jacob Burckhardt, als Zeitungsredaktor und Dichter. Auch politische Töne klingen an. Etwa wenn Spitteler sich mit Ferdinand Hodler solidarisiert, der wegen seines Protestes gegen die In-Brand-Setzung der Kathedrale von Reims durch die deutsche Armee von Parteigängern Deutschlands öffentlich angefeindet wurde. Oder wenn Spitteler in seiner Rede «Unser Schweizer Standpunkt» 1914 seine Landsleute dazu aufruft, nicht einseitig für Deutschland oder Frankreich Partei zu ergreifen.
Mit dem 1945 geborenen Andreas Müller-Weiss hat sich ein Schweizer Künstler und Illustrator in Carl Spittelers Leben und Werk vertieft. Seine Bilder veranschaulichen dabei vieles, das in einer herkömmlichen Biografie erst mühsam in Worte gefasst werden muss. In einem erhellenden Anhang gibt er wichtige Hinweise auf sein Vorgehen.
Der Untertitel «Spiel mit dem Feuer» bezieht sich nur bedingt auf Handlungen Carl Spittelers. Vielmehr ist es Andreas Müller-Weiss, der das Element Feuer in den Fokus rückt und ihm ein Gewicht gibt, das es in Spittelers Biografie in diesem Ausmass wohl nicht hatte. Als Gestaltungselement ist es jedoch ein Gewinn.
Andreas Müller-Weiss: Carl Spitteler – Spiel mit dem Feuer. «Graphic Novel», Edition Königsstuhl. 160 Seiten.