Ehrennadel für Schweizer Forscher
11.05.2024 WenslingenPhytomediziner Ueli Gisi wird in Deutschland ausgezeichnet
Ueli Gisi ist Kenner und Könner in der klassischen Musik. Die Ehrennadel, die er mit 77 Jahren entgegennehmen durfte, erhielt der frühere Forscher und Uni-Dozent aber für seine Leistungen in der Phytomedizin.
...Phytomediziner Ueli Gisi wird in Deutschland ausgezeichnet
Ueli Gisi ist Kenner und Könner in der klassischen Musik. Die Ehrennadel, die er mit 77 Jahren entgegennehmen durfte, erhielt der frühere Forscher und Uni-Dozent aber für seine Leistungen in der Phytomedizin.
Jürg Gohl
Joachim Raff heisst der eher unbekannte Schweizer Komponist. Mit den sinfonischen Werken des Romantikers und ihren Einflüssen auf seine berühmteren Zeitgenossen setzt sich Ueli Gisi intensiv auseinander, seit er aus gesundheitlichen Gründen selber nicht mehr musizieren kann. «Mit der Musik aufzuhören, bedeutete für mich den grösseren Einschnitt als alle meine beruflichen Änderungen», stellt der 77-jährige Wenslinger rückblickend fest.
24 Jahre spielte Ueli Gisi im «Orchester Gelterkinden» die erste Flöte und präsidierte dazu den Verein während zehn Jahren. Ausgerechnet bei seinem Abschiedskonzert im Rahmen des Spitteler-Jubiläums vor inzwischen fünf Jahren kam er mit dem Werk von Joachim Raff in Berührung, mit dem er sich heute beschäftigt. Damit entdeckte er den Komponisten zu einem für ihn idealen Zeitpunkt.
Späte Ehrung
So betätigt sich Ueli Gisi wie in seinem früheren Berufsleben wieder als Forscher, wenn auch in einem komplett anderen Gebiet. Der Platz, den heute die klassische Musik bei ihm einnimmt, war damals der Phytomedizin und Bodenbiologie gewidmet. Seine früheren Verdienste wurden vergangenen November gewürdigt, als ihm die «Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft» die Ehrennadel verlieh, obwohl er nicht mehr aktiv in der Forschung tätig ist. Oder, wie es bei Professoren wie ihm heisst: Er ist seit 2011 emeritiert und nur noch als wissenschaftlicher Berater gefragt.
Dass er erst jetzt in Deutschland eine Ehrennadel angeheftet erhält, liegt an seinem langjährigen Engagement in der «Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft», die im Abstand von drei Jahren internationale Fachsymposien durchführt. Seit er 1989 – «noch zu DDR-Zeiten», wie er anfügt – erstmals im Schloss Reinhardsbrunn in der Nähe von Eisenach den Kongress besuchte, war er dort bis 2019 regelmässig als Zuhörer und Referent sowie bald auch als Mitorganisator zu Gast. Von seinem Wissen, dem persönlichen Engagement und seinem Netzwerk habe das Symposium in hohem Masse profitiert, ist in der Laudatio zu lesen.
Experte für Bodenbeschaffenheit
In der Lobesrede steht auch, dass Ueli Gisi immer viel Wert legte auf «die Untersuchung und Wirkungsweise von antifungalen Wirkstoffen und die molekularen Mechanismen der Resistenz in Krankheitserregern sowie deren Populationsdynamik unter Verwendung molekularer Nachweismethoden». Reformator Luther, der einst in der Wartburg oberhalb besagter Stadt Eisenach die Bibel übersetzte und beim Formulieren «dem Volke aufs Maul geschaut» hat, hätte die Verdienste wohl in einfachere Worte gefasst.
Vielleicht so: Ueli Gisi studierte an der Universität Basel Biologie, an der er später als Professor lehrte und forschte. Als Experte für die Bodenbeschaffenheit und für die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln arbeitete er für Sandoz, ihre Nachfolgefirma Novartis und schliesslich für Syngenta. Er entwickelte Nachweismethoden, um die Wirkung dieser Mittel gegen Krankheitserreger zu ergründen. Einen Schwerpunkt bildeten dabei die Resistenzen. Wie entstehen sie? Wie lassen sie sich nachweisen und wie damit umgehen?
Von 2013 bis 2018 begleitete er als Gastdozent an der Universität Turin Forschungsprojekte junger Wissenschaftler. «Meine Arbeit bewegte sich im ganzen Bereich des Pflanzenschutzes, vor allem, wo sich die Phytomedizin und die Humanmedizin begegnen. Das geht auch aus dem Namen der Fachgesellschaft hervor», erläutert er. Seine Töchter hätten es früher am besten auf den Punkt gebracht. Sie pflegten zu sagen, ihr Vater sei ein «Blüemlidoktor».
Als vor zehn Jahren ein Patient eines holländischen Arztes an einer Lungenkrankheit verstarb, die durch einen Schimmelpilz namens Aspergillus fumigatus verursacht wurde, stellte die Ärzteschaft die These auf, er habe Sporen eingeatmet, die in der Landwirtschaft resistent geworden seien. Ueli Gisi recherchierte zwei Jahre lang, um diese Vermutung zu widerlegen. Daraufhin wurde er beauftragt, sämtliche Pilzkrankheiten, die Menschen treffen können, auf ihre Resistenz zu untersuchen. Umgekehrt fand er heraus, dass ein damals in Holland gebräuchliches Pflanzenschutzmittel für Tulpenzwiebeln wahrscheinlich die Probleme in der Humanmedizin verursacht hatte.
Nach der Ehrung vom vergangenen November ist für ihn auch die 35 Jahre umfassende Mitarbeit in der «Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft» abgeschlossen. «Ich will – wie im Orchester – nicht zu den alten weissen Männern zählen, die nicht loslassen können», sagt er. Von seinem Biologie-Fachwissen profitiert einzig noch seine Wohngemeinde Wenslingen. Dort leitet er seit zehn Jahren die kommunale Landschaftskommission.