«Dolce far niente» – von wegen!
22.07.2025 PersönlichDie Sommerferien sollten dieses Jahr gemächlicher werden. Ganz klassisch: weisser Sand, «dolce far niente» (süsses Nichtstun) – Sardinien. Der Umwelt zuliebe verzichteten wir aufs Fliegen und wählten die Fähre ab Genua. Es gibt Schöneres: eine fensterlose ...
Die Sommerferien sollten dieses Jahr gemächlicher werden. Ganz klassisch: weisser Sand, «dolce far niente» (süsses Nichtstun) – Sardinien. Der Umwelt zuliebe verzichteten wir aufs Fliegen und wählten die Fähre ab Genua. Es gibt Schöneres: eine fensterlose Kabine, Hunde, die in die Teppichgänge urinieren – wer baut heute so was noch ein? – und ein Bordrestaurant, das diesen Namen nicht verdient. Immerhin: die laue Meeresbrise stimmte auf die Ferien ein.
Auf der Insel angekommen, fuhren wir spontan an den nächsten Strand – zur Überbrückung bis zum Check-in. Weisser Sand, wenig Touristen und türkisblaues Wasser – perfekt. Wir räkelten uns im Glück. Zurück beim Auto (ein ziemlich mitgenommener Honda Jazz mit Kratzern) die Ernüchterung: die hintere Beifahrerscheibe eingeschlagen, der Rucksack mit Kamera und Notebook weg. Im Kofferraum fehlten auch die beiden übrigen Rucksäcke – samt all unseren Kleidern.
Im Sekundentakt wechselten unsere Gesichtsausdrücke zwischen Wut, Unglauben und verzweifeltem Lachen. Die Polizei? «Wir kommen nicht vorbei.» Wir müssten nach Sassari, zum Polizeiposten. Ein letzter Blick auf die unversehrte Mercedes-Limousine mit italienischem Nummernschild direkt hinter uns.
Das stattliche Polizeihauptquartier war beeindruckend, der Empfang freundlich – und folgenlos. Es war Freitag, kurz vor zwölf. Der Posten mache jetzt zu, hiess es, und ein Dolmetscher sei keiner da – für das Protokoll sei das aber nötig. Nach Diskussionen schickte man uns weiter zur Lokalpolizei, den «Carabinieri». Dort warteten wir drei Stunden mit einem entnervten Einheimischen, der im Zehnminutentakt fluchte. Wir verstanden neben dem Gefluche kaum ein Wort – ausser «rotonda». Ein Kreisel, sinnbildlich für die italienische Bürokratie?
Der «Englischspezialist» rief uns ins Büro. Trotz Diplom an der Wand erledigte der Google-Übersetzer die Arbeit. Im Zweifingersystem tippte er unsere Angaben ein. Um 18 Uhr war es geschafft. Der fluchende Bürger sass immer noch im Wartezimmer.
Im Einkaufszentrum deckten wir uns mit Billigkleidern ein, kauften Hygieneartikel und ein Abendessen. Mit dröhnendem Fahrtwind – wegen der fehlenden Scheibe – ging’s zur Unterkunft. Fast idyllisch, wenn man den Lärm ignorierte. Am nächsten Tag wieder nach Sassari, ein Plexiglas-Provisorium wurde eingebaut. Die Versicherung teilte uns mit: Die Ersatzscheibe müsse in Mailand bestellt werden, Lieferzeit acht Tage.
Wir badeten und assen uns den Frust weg. Die Tage waren entspannt. Die Scheibe wurde nie bestellt – sie wäre nach unserer Heimreise gekommen. In Muttenz baute die Garage fünf Tage nach Rückkehr eine falsche ein. Die getönte Version wurde dann direkt in Japan bestellt – per Luftpost. Dank der Billigkleider und der Autoscheibe sah unsere Klimabilanz ziemlich miserabel aus. Wir stellen sie unserem Gewissen halber dem Langfinger in Rechnung. «Dolce far niente» ist wohl doch nicht so unser Ding.
Nikolaos Schär, Redaktor «Volksstimme»