«Dieser Kompromiss ist wenig zielführend»
27.09.2024 BaselbietRegierungsrat Anton Lauber («Mitte») äussert sich zur Gemeindeinitiative zum Finanzausgleich
Der Baselbieter Finanzdirektor warnt vor den Folgen der Gemeindeinitiative, mit der Gebergemeinden das Finanzausgleichsgesetz zu ihren Gunsten anpassen wollen. Systemischen ...
Regierungsrat Anton Lauber («Mitte») äussert sich zur Gemeindeinitiative zum Finanzausgleich
Der Baselbieter Finanzdirektor warnt vor den Folgen der Gemeindeinitiative, mit der Gebergemeinden das Finanzausgleichsgesetz zu ihren Gunsten anpassen wollen. Systemischen Handlungsbedarf beim Finanzausgleich sieht Anton Lauber weniger, doch das Umverteilungsvolumen sei unbestritten hoch.
Tobias Gfeller
Herr Lauber, im Frühjahr stoppte der Regierungsrat den zwischen den Geber- und Empfängergemeinden in der Konsultativkommission (KKAF) ausgehandelten Kompromiss für eine Revision des Finanzausgleichsgesetzes. Das hat bei vielen Gemeinden für Verärgerung gesorgt. Was war ganz konkret der Grund für die Sistierung?
Anton Lauber: Der besagte Kompromiss ist in erster Linie eine Abmachung zwischen den Gemeinden selbst. Er basiert im Wesentlichen darauf, dass der Kanton die Ausfälle bei den Empfängergemeinden bezahlen soll. Nur deswegen haben sich die Empfängergemeinden auch kooperativ gezeigt: Für die meisten entsteht nur deshalb kein Ausfall, weil die Entlastung der Gebergemeinden durch den Kanton zugunsten der Empfängergemeinden bezahlt werden soll.
Selbst Gemeinderätinnen und Gemeinderäte von Empfängergemeinden – unter anderem der Vizepräsident von Oberdorf – kritisierten die Sistierung durch den Kanton.
Selbstverständlich wurde die Sistierung in der KKAF diskutiert. Die effektive Unterstützung der Initiative durch die Empfängergemeinden erkenne ich aktuell als verhalten. Das ist gut nachvollziehbar, denn mittelfristig wird sich mit dem Kompromiss die Lage der allermeisten Empfängergemeinden verschlechtern. Der Regierungsrat sieht den Kompromiss zwischen den Gemeinden kritisch, weil es nicht Sache des Kantons ist, die Ausfälle beim horizontalen Finanzausgleich zwischen den Gemeinden zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Regierungsrat den besagten Kompromiss eben nicht. Zudem ist der Kompromiss wenig zielführend. Das von den Gebergemeinden effektiv beklagte hohe Umverteilungsvolumen im Baselbieter Finanzausgleich wird ja wegen der Kompensationszahlung des Kantons faktisch gar nicht korrigiert. Die Gebergemeinden werden entlastet, der Kanton belastet.
Der Kanton sass bei den Verhandlungen im Rahmen der Konsultativkommission mit am Tisch. Weshalb hat der Regierungsrat nicht schon früher «Stopp» gesagt?
Eine Konsultativkommission ist eine beratende Stimme, die eine Empfehlung an den Regierungsrat aussprechen kann. Die Entscheidung über Millionenbeträge trifft der Gesamtregierungsrat.
Können Sie die Verärgerung der Gemeinden nachvollziehen, dass nach jahrelangen Verhandlungen und dem vorliegenden Kompromiss das Geschäft vom Regierungsrat sistiert wurde?
Ja, ich habe ein gewisses Verständnis für den Unmut bei den Gebergemeinden. Sie wollen ja möglichst rasch finanziell entlastet werden. Aber einem Kompromiss in der Konsultativkommission müssen nach den Verhandlungen immer alle Parteien zustimmen, also auch der Regierungsrat. Das gilt umso mehr, wenn er die finanziellen Konsequenzen zu tragen hat. Bei den Empfängergemeinden dürfte sich der Ärger zum heutigen Zeitpunkt in engen Grenzen halten. Gemäss Kompromiss wäre ja vorgesehen, dass der Kanton kurzfristig ihre Ausfälle bezahlen würde. Mittelfristig aber wird ein grosser Teil der Empfängergemeinden mit dem Kompromiss finanzielle Einbussen hinnehmen müssen. Nach Ablauf von zehn Jahren werden wohl die allermeisten Empfängergemeinden weniger Ausgleichszahlungen erhalten.
Was wären die Folgen, wenn die Gemeindeinitiative angenommen würde?
Die Folge wäre eine finanzielle Mehrbelastung für den Kanton von anfänglich 7 Millionen Franken pro Jahr. Diese Mehrbelastung nimmt dann voraussichtlich jedes Jahr um rund 900 000 Franken zu, beläuft sich nach acht Jahren auf geschätzte 13,5 Millionen pro Jahr und steigt weiter. Anzumerken ist, dass die Gemeindeinitiative effektiv deutlich weiter geht als der ursprünglich zwischen den Gemeinden vereinbarte Kompromiss. Dieser sah einzig anfängliche Mehrkosten für den Kanton von 2 Millionen Franken vor. Neu sollen gemäss Initiative neben dem Lastenausgleich zusätzlich die Kompensationszahlungen miteinbezogen werden. Das ursprüngliche Ziel bestand darin, die Kompensationsleistungen durch einen modernen Steuerfusstransfer abzulösen. Das wäre für alle die deutlich elegantere Lösung, auf die man sich in der Konsultativkommission ursprünglich auch geeinigt hatte.
Wie soll es aus Sicht des Finanzdirektors nun weitergehen beim Finanzausgleich – einfach weiter wie bisher? Wo könnte man leicht korrigierend eingreifen?
Der Baselbieter Finanzausgleich schneidet bei externen Überprüfungen regelmässig gut ab. Das ist erfreulich. Am System mit der klaren Trennung von Ressourcenausgleich und Lastenabgeltung muss nichts geändert werden. Das System begünstigt keine Fehlanreize. Insofern sehe ich also keinen systemischen Handlungsbedarf. Einig ist man sich allerdings bei der Tatsache, dass das Baselbieter Umverteilungsvolumen vergleichsweise hoch ist. Und klar ist auch, dass die Empfängergemeinden auf die Zahlungen aus dem Baselbieter Finanzausgleich angewiesen sind.
Das Umverteilungsvolumen ist zu hoch und die Empfängergemeinden sind auf die Zahlungen angewiesen. Wie konkret könnte man das Finanzausgleichsgesetz korrigieren, um das Volumen zu senken, die Empfängergemeinden aber nicht zu belasten?
Man kann das Volumen nicht reduzieren, ohne die Empfänger zu belasten. Eine Reduktion würde bedeuten, dass die Empfängergemeinden weniger Geld bekämen.
Falls die Gemeindeinitiative zustande kommt: Wäre es für Sie eine Option, einen Gegenvorschlag vorzulegen? Und wie könnte dieser aussehen?
Schon der ursprüngliche, für den Kanton noch günstigere Kompromiss zwischen den Gemeinden wurde im Regierungsrat abgelehnt. Deshalb verfolge ich die aktuellen Diskussionen mit grossem Interesse. Ob es zu einem Gegenvorschlag kommen wird, ist aber zum heutigen Zeitpunkt noch völlig offen.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Näheres zur Gemeindeinitiative, die den Finanzausgleich im Baselbiet reformieren will, finden Sie im Artikel «Die Gebergemeinden gehen aufs Ganze» in der «Volksstimme» von gestern Donnerstag, Seite 4.