«Die Schweiz kann nicht anders»
28.10.2025 BaselbietJustizminister Beat Jans (SP) referierte am traditionellen «Pfeffinger Forum» zum Thema «Offenheit oder Abschottung». Der Basler legte weniger die Haltung des Gesamtbundesrats dar, sondern erklärte transparent, wie er sich persönlich die Schweiz gegen aussen ...
Justizminister Beat Jans (SP) referierte am traditionellen «Pfeffinger Forum» zum Thema «Offenheit oder Abschottung». Der Basler legte weniger die Haltung des Gesamtbundesrats dar, sondern erklärte transparent, wie er sich persönlich die Schweiz gegen aussen vorstellt.
Tobias Gfeller
Was hat die Rolle der Schweiz innerhalb von Europa mit dem beliebten Weihnachtsklassiker «Kevin
– Allein zu Haus» zu tun? Geht es nach Bundesrat Beat Jans (SP), sehr viel. «Der achtjährige Kevin verbarrikadiert sich in seinem Daheim und verteidigt es im Alleingang gegen üble Ganoven. Ein Schelm, wer da auch nur ein bisschen schweizerisches Selbstverständnis erkennt.»
Jans machte vor mehreren Hundert Zuschauerinnen und Zuschauern von Beginn weg klar, wie er zum diesjährigen Thema des Pfeffinger Forums «Offenheit oder Abschottung» steht. Die Schweiz sei schon immer ein offenes Land gewesen, erinnerte der Justizminister aus Basel. «Ein offenes Land tut gut daran, ein offenes Land zu bleiben.» Die Eidgenossen hätten durch ihren heldenhaften Alleingang während 500 Jahren nicht in allen Konflikten bestehen können, wie es oftmals dargestellt werde, meinte Jans.
«Allianzen schmieden, den eigenen Vorteil im Auge haben, verhandeln, zusammenarbeiten – darin hatten die Eidgenossen dank ihrem losen Bund Übung. Und das spielten sie gegen aussen aus. Sie verhandelten geschickt mit den eigenen Nachbarn, kollaborierten und paktierten – und sicherten so ihre Handlungsfähigkeit. Unabhängig waren die Eidgenossen lange nicht.» Unsere Geschichte handle nicht von Abschottung und Alleingang, im Gegenteil, so Jans: «Sie handelt von Vernetzung und Offenheit.»
«Erasmus, Knie und Shaqiri»
Beat Jans kam früh in seinem Referat auf das umstrittene Thema Migration zu sprechen. Die Einwanderinnen und Einwanderer hätten die Schweiz entscheidend geprägt, sagte er. «Den wachsenden Wohlstand haben sie mit Unternehmergeist und Fleiss massgeblich mitgeschaffen. So ist die Schweiz ein Einwanderungsland geworden.» Fremd klingende Namen seien zu klingenden Namen geworden. Als Beispiele nannte Jans die Namen Erasmus, Einstein, Hesse, Knie und Shaqiri. Migrantinnen und Migranten hätten Firmen aufgebaut und Tunnel in die Alpen gebaut. «Auch sie halten die Schweiz am Laufen – gestern und heute.»
Für Bundesrat Jans hat diese Offenheit mehrere Gründe, aber einer liege auf der Hand: «Die Schweiz ist offen, weil sie mittendrin ist. Sie kann gar nicht anders.» Der Justizminister nannte Zahlen als Beispiel dafür: «41 grenzüberschreitende Stromleitungen, 400 Strassen- und 45 Schienenübergänge verbinden uns mit Europa. Fast 390 000 Arbeitskräfte pendeln aus der Europäischen Union zu uns. Die EU ist und bleibt mit Abstand unsere wichtigste Kundin. Auch für die kleinen und mittleren Unternehmen.»
«Was wir aushandelten, ist gut!»
Auf die Europäische Union entfallen 60 Prozent des Schweizer Handelsvolumens – 70 Prozent der Importe und 50 Prozent der Exporte, rechnete Jans vor. «Niemand – kein EU-Land – profitiert so stark vom europäischen Binnenmarkt wie wir. Die Schweiz ist kein Einfamilienhaus irgendwo ab vom Schuss, sondern eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus.»
Für Beat Jans ist in Anbetracht der herausfordernden Weltlage, in der immer mehr das Recht des Stärkeren gelte, klar, dass gute Beziehungen zu Europa und damit zur Europäischen Union noch wichtiger werden. «Es gibt darum viele gute Gründe für die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs und für die neuen Abkommen, über die wir abstimmen werden. Was wir mit der EU ausgehandelt haben, ist gut!»
Zusammenarbeit sei der Schlüssel. Gute Verträge mit gemeinsam festgelegten Regeln würden die Handlungsfähigkeit und Souveränität der Schweiz stärken. «Je mehr politische Verantwortung ich trage, umso mehr bin ich überzeugt, dass Offenheit und Zusammenarbeit die Schweiz stärker, sicherer und handlungsfähiger machen.»
Zum Schluss kam Jans zurück zu «Kevin – Allein zu Haus». Der Achtjährige habe die Ganoven nicht im Alleingang geschlagen. «Wer erinnert sich an den alten Nachbarn, vor dem Kevin immer Angst hatte? Er rettet Kevin. Ausgerechnet er.» Während Bundesrat Jans in Sachen Offenheit klare Kante bewies, drückte sich der Baselbieter Regierungspräsident Anton Lauber («Mitte») in seiner Begrüssungsrede gemässigter aus. Für ihn gebe es keine absolute Offenheit und keine absolute Abschottung, so Lauber. Der Finanzdirektor plädierte für den gut schweizerischen Mittelweg. Fakten sollte man nicht wegdenken, stellte Lauber klar und unterstrich die Bedeutung der EU als Handelspartner der Schweiz. «Die Wirtschaft ist stark in der Schweiz. Aber es ist klar, dass es alleine nicht geht.» Er hätte sich bei der Themenwahl des Forums eher «Offenheit und Abschottung» gewünscht, gab Lauber zu bedenken.
Emotionale Diskussion
In der abschliessenden Podiumsdiskussion debattierten die Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti, Ständerätin Marianne Binder-Keller («Mitte», AG) und die Nationalräte Christian Wasserfallen (FDP, BE) und Pascal Schmid (SVP, TG) über das Verhältnis der Schweiz zum Ausland. Die Fronten waren von Beginn weg gefestigt: Wasserfallen und Schmid warnten vor dem «Unterwerfungsvertrag» mit der Europäischen Union, Marti und Binder-Keller erinnerten an die Bedeutung der stabilen Beziehungen zu den Nachbarn.
Während die beiden Männer verbal in die Vollen gingen, senkte Binder-Keller den Puls in der Pfeffinger Mehrweckhalle auf eine wohltuende Schlagzahl: «Wir müssen aufhören, so durchzudrehen.» Der Markt entscheide, wer herkommen darf und wer nicht, ergänzte Samira Marti. Die Schweiz brauche die Personenfreizügigkeit nicht, um Fachkräfte ins Land zu holen, bekräftigte seinerseits Pascal Schmid. Anstatt über Vor- und Nachteile von stabilen Beziehungen zum Ausland zu debattieren, driftete die Diskussion wie so häufig in einen Schlagabtausch über Migration und Kriminalität ab, die zum besonnenen Verlauf des «Pfeffinger Forums» nicht so recht passen wollte.
Baselland ist für EU-Verträge und gegen Ständemehr
vs. Mit dem Beschluss der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) vom vergangenen Freitag hat nun auch die Baselbieter Regierung zu den neuen EU-Verträgen Stellung genommen. Demnach unterstützt der Regierungsrat das Vertragspaket. Zudem lehnt er das obligatorische Referendum und somit das Ständemehr bei den EU-Abstimmungen ab. Seiner Meinung nach soll das Volksmehr genügen. Die KdK unterstützt die Verträge ebenfalls (21 Kantone) – ebenso das Volksmehr (15 Kantone). Da das nötige Quorum von mehr als 18 Kantonen bei Letzterem aber verfehlt wurde, gilt dieser Beschluss nicht als offizielle Haltung der Konferenz der Kantonsregierungen.
Der Schweizerische Städteverband hat gestern seine Unterstützung für die neuen bilateralen Verträge mit der EU ausgesprochen. Der Verband erachtet das Verhandlungsresultat des Bundesrates als «sehr erfreulich». Die Schweizer Städte seien auf stabile Beziehungen mit der EU angewiesen, um wirtschaftlich stark zu bleiben.

