«Die Schweiz ist ein Windland»
25.07.2025 Baselbiet«Pro Wind Nordwestschweiz» lanciert eine Petition. Damit verlangt der Verein, den Bau von Windkraftanlagen in der Region zu beschleunigen. Vereinspräsident Markus Stokar betont, dass auch das Baselbiet grosses Potenzial für Windenergie bietet.
Thomas ...
«Pro Wind Nordwestschweiz» lanciert eine Petition. Damit verlangt der Verein, den Bau von Windkraftanlagen in der Region zu beschleunigen. Vereinspräsident Markus Stokar betont, dass auch das Baselbiet grosses Potenzial für Windenergie bietet.
Thomas Immoos
Herr Stokar, «Pro Wind Nordwestschweiz» hat eine Petition für Windkraftanlagen lanciert. Nach der Vereinsgründung vor einem halben Jahr ist dies die erste politische Aktion. Weshalb jetzt?
Markus Stokar: Seit der Gründung hat der Verein einiges getan. Wir haben Kontakte zu bestehenden Pro-Wind-Gruppen geknüpft, vor allem im Kanton Solothurn, aber auch zu lokalen und regionalen Energieunternehmen. Zudem sind Kontakte zu Politikerinnen und Politikern zustande gekommen. Jetzt scheint uns der Zeitpunkt richtig, mit einer Petition an die Öffentlichkeit zu treten.
Eine Petition ist relativ unverbindlich – etwa im Vergleich zu einer Initiative …
Wir haben bewusst keine Initiative für den Bau von Windkraftanlagen lanciert. Es sollen möglichst viele, auch nicht Stimmberechtigte, unterschreiben können, um unserem Anliegen Nachdruck zu verschaffen. Wenn viele Leute – junge und alte – unterschreiben, lässt sich zeigen, wie gross das Interesse der Bevölkerung an erneuerbaren Energien ist.
Was spricht für die Windenergie?
Windenergie ist eine unerschöpfliche, saubere und damit umweltfreundliche Quelle. Sie ist eine ideale Ergänzung zur Solarenergie: Während im Sommer vor allem die Sonnenenergie genutzt werden kann, lässt sich im Winterhalbjahr die Lü- cke durch Windenergie schliessen, also in jener Jahreszeit, in der wir mehr Strom für Heizen und Beleuchtung benötigen. Die Windenergie ist ein unverzichtbarer Pfeiler unserer künftigen Energiesicherheit.
Reicht der Wind in der Schweiz aus, um genug Energie zu produzieren?
Die Schweiz ist ein Windland. Eine neuere Studie des Bundes zeigt, dass es genügend geeignete Standorte gibt, an denen man Windkraftanlagen bauen kann, auch im Baselbiet. Doch die Schweiz ist bei der Windenergie weit im Rückstand. Alle umliegenden Länder haben bereits zahlreiche Windräder gebaut, die regelmässig und ausreichend Strom liefern. Während in der Schweiz erst 47 Anlagen stehen, sind es in Österreich fast 1500. In Deutschland stehen alleine in Bayern 1150 und in Baden-Württemberg 782 Anlagen. Ähnlich sieht es in Frankreich aus.
Gegner sagen, Windräder töten Vögel, verschandeln die Landschaft und verursachen Lärm. Wie verhält es sich mit diesen Argumenten?
Es gibt Untersuchungen, wonach 30 Millionen Vögel alleine in der Schweiz Opfer von streunenden Katzen werden. Weitere 5 Millionen Vögel sterben an Glasfassaden, 1 Million im Strassenverkehr. Durch die 47 Windkraftanlagen in der Schweiz kamen 820 Vögel um; das sind vergleichsweise sehr wenige. Zudem werden heutige Windanlagen mit Vogelradar ausgerüstet, der die Anlagen rechtzeitig abschaltet. Was die Verschandelung der Landschaft angeht, so ist leider jedes Bauwerk ein Eingriff in die Natur, etwa auch Autobahnen, Staudämme, Hochspannungsleitungen sowie Berg- und Seilbahnen. Neue Windanlagen sind weitgehend lärmarm.
Gibt es in der Region geeignete Standorte für Windkraftanlagen?
Selbstverständlich. Im kantonalen Richtplan sind bereits einige Gebiete mit Windpotenzial ausgeschieden. Etwa in den Gebieten Zunzgen-Itingen, Reigoldswil-Ziefen, der Muttenzer Hard, in Liesberg-Roggenburg, auf dem Chall bei Burg oder in Liestal, Laufen, Arisdorf und Sissach. Insgesamt könnten damit knapp 125 Gigawattstunden pro Jahr produziert werden, was etwa 6 Prozent des Stromverbrauchs im Kanton Baselland des Jahres 2020 entspricht. Vororientierungen gibt es für acht weitere Standorte, etwa in Waldenburg-Eptingen, Bretzwil-Lauwil oder Münchenstein-Liestal. Diese Anlagen kämen auf 360 GWh/a, was etwa 20 Prozent des Stromverbrauchs von 2020 entspräche. Laut Bund liegt das Potenzial im Baselbiet bei 600 GWh/a. Wir haben also noch Luft nach oben.
Eine ETH-Professorin sagt, neue Atomkraftwerke liessen sich «fast gratis» finanzieren, wenn sie gleich stark subventioniert würden wie die Alternativenergien. Was ist davon zu halten?
Nicht viel. Denn die Planung und der Bau neuer AKWs kosten Milliarden und würden viele Jahre dauern. Und nach wie vor ist die Entsorgung der Brennstäbe nicht gelöst. Neue AKWs könnten nicht rechtzeitig gebaut werden, bis die Schweizer AKWs vom Netz genommen werden müssen. Berechnungen haben gezeigt, dass Wind und Photovoltaik mit Abstand die billigsten Energien sind.
Wie soll der Bau von Windturbinen vorangetrieben werden?
Die Rahmenbedingungen müssen besser werden. Insbesondere muss das Bewilligungsverfahren massiv beschleunigt werden. Dieser Prozess dauert in der Schweiz 15 bis 30 Jahre. In Deutschland sind es 3 bis 5 Jahre. Es kann doch nicht sein, dass Schweizer Energieunternehmen im Ausland Windräder bauen, obwohl man sie auch in der Schweiz dringend benötigt. Um die Energiesicherheit zu gewährleisten, müssen laut einer neuen ETH-Studie bis 2050 60 Prozent des Strombedarfs aus neuen erneuerbaren Energiequellen stammen. Das heisst, es braucht bis dahin 4 Mal mehr Solarstromanlagen und sogar 80 Mal mehr Windturbinen als heute. Das ist möglich, wenn der politische Wille dazu da ist.