«Die Kirche ist wie ein Stern in der Nacht»
09.05.2025 PersönlichSilvia Bolatzki ist seit Anfang Mai Pfarrerin in der Reformierten Kirchgemeinde Bennwil-Hölstein-Lampenberg. Die 57-Jährige wird übermorgen Sonntag an einem feierlichen Gottesdienst in Hölstein in ihr neues Amt eingesetzt.
Elmar Gächter
...Silvia Bolatzki ist seit Anfang Mai Pfarrerin in der Reformierten Kirchgemeinde Bennwil-Hölstein-Lampenberg. Die 57-Jährige wird übermorgen Sonntag an einem feierlichen Gottesdienst in Hölstein in ihr neues Amt eingesetzt.
Elmar Gächter
Frau Bolatzki, Sie waren vor Ihrem Theologiestudium sechs Jahre lang Lehrerin. Was hat Sie bewogen, Pfarrerin zu werden?
Silvia Bolatzki: Es war das Interesse an Gott und den Menschen: Was machen Menschen, wenn es ihnen gut geht? An wen wenden sie sich, wenn das Leben Herausforderungen an sie stellt? Was hält, wenn nichts mehr hält?
Gibt es bestimmte Personen oder Erfahrungen, die Sie in dieser Hinsicht besonders geprägt haben?
Dabei kommt mir als Erstes das Gutenachtgebet meiner Mutter in den Sinn. Ihr einfacher, bodenständiger Glaube und ihr Gottvertrauen wirkten ansteckend. Gott, Glaube und Kirche hiess für sie immer «Freiheit!». Sie sang gerne und war fröhlich. Prägend war für mich auch Pfarrer Hans Hilty in St. Gallen. Er war ebenso bescheiden wie klug. Seine Predigten waren tief und gehaltvoll. Mit seiner stillen, ruhigen Art hat er vielen Menschen wohlgetan und etwas von der Liebe Gottes aufleuchten lassen in dieser Welt.
Welches waren Ihre ersten Erfahrungen als Pfarrperson?
Nach der Ordination durfte ich ein Jahr lang in Ormalingen im Einzelpfarramt arbeiten, bevor unsere Tochter zur Welt kam. Das war eine tolle Erfahrung. Ich merkte, dass mich das Pfarramt mit Freude erfüllt – auch bei «normalen» Sonntagsgottesdiensten. Über Gott zu reden, ist mein Lieblingsthema, und dabei zu merken, dass er mitten unter uns ist, ist etwas vom Schönsten. Ich habe in meinem ersten Lebensabschnitt eine Zeit lang Telefonseelsorge gemacht und entdeckte dabei meine Freude an der Seelsorge. Was ich immer schon traurig fand, ist, am Grab zu stehen. Der Tod ist nach wie vor ein Schmerz, wie ein Stachel. Kurt Marti hat einmal gesagt, wir Pfarrleute seien «Protestleute gegen den Tod». Denn die Auferstehungshoffnung ist ein Protest gegen die Todesmächte dieser Welt.
Dann führte Sie Ihr Weg als Pfarrerin an das Universitäts-Kinderspital beider Basel. Welche Erinnerungen bleiben?
Ich arbeite sehr gerne mit Kindern, sie sind spontan, leben im Augenblick, lachen und wirken mit ihrer Fröhlichkeit ansteckend, auch im Spital. Es gab sehr berührende Momente. Doch als ich mehrmals am Grab von Kindern stand, merkte ich: Das geht nicht mehr und ich muss mich neu orientieren. Mein Kontingent an Hoffnung angesichts des unermesslichen Leids der Eltern war aufgebraucht. Ich denke, es war wichtig, diese Grenze zu spüren und zu ihr zu stehen.
Jetzt sind Sie seit dem 1. Mai Pfarrerin für Bennwil-Hölstein-Lampenberg. Weshalb haben Sie sich für diese Kirchgemeinde entschieden und welche Themen liegen Ihnen am Herzen?
Meine Familie wohnt schon länger hier, und ich habe mich in der Kirchgemeinde von Anfang an wohlgefühlt. Es ist eine Kirchgemeinde mit vielfältigen Angeboten. Mich beeindrucken auch die vielen Freiwilligen, die unermüdlich ihre Zeit und Kraft investieren. Ich habe stets gerne mit Kindern und Erwachsenen gearbeitet, doch mit zunehmendem Alter faszinieren mich auch die Senioren: Sie haben viel Lebenserfahrung, grosse Hürden überwunden und sind trotz Leid und Entbehrungen aufrecht geblieben. Sie haben die Grundlagen für unsere gut funktionierende Gesellschaft gelegt. Damit sind sie mir ein Vorbild.
Wie sehen Sie die Zukunft der reformierten Kirche in der heutigen Gesellschaft und welche Rolle möchten Sie dabei einnehmen?
Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen kommen auch Umbrüche in der Landeskirche auf uns zu. Das zeigt sich aktuell unter anderem am Mangel an Pfarrpersonen. Äusserlich mag es Veränderungen geben, doch der Kern der Botschaft bleibt sich gleich: Wir haben einen wunderbaren Gott, der in die Freiheit führt, Leben ermöglicht, uns die Augen für den Nächsten öffnet und Menschen mit Kreativität und Ideen ausstattet und sie befähigt, Herausforderungen anzupacken. Diese Botschaft hat seit 2000 Jahren die Welt verändert und Hoffnung wachsen lassen, wo immer sie hinkam.
Welche Botschaften möchten Sie den Menschen in Ihrer neuen Kirchgemeinde mit auf den Weg geben?
Die Kirche – das heisst alle, die zu Jesus Christus gehören – ist wie ein Stern in der Nacht, der Hoffnung weckt, trotz Fehlern und Unvollkommenheit. Ihr Licht und ihre Strahlkraft sind die Liebe und Güte eines Gottes, der tröstet, der ins Leben verliebt ist und in die Freiheit führt. Für Zeiten der Winterkälte und frostiger Temperaturen gefällt mir ein Satz Martin Luthers. Er sagte, Gott sei ein glühender Backofen voll Liebe. Um dieses Feuer können wir uns sammeln, hier finden Menschen zueinander, bei ihm wird Verständigung und Versöhnung möglich. Für uns und für die Welt.
Zur Person
emg. Silvia Bolatzki wohnt mit ihrem Mann Christoph und Tochter Anja seit rund 20 Jahren in Hölstein. Ihre ersten Berufsjahre verbrachte sie als Lehrerin in der Ostschweiz, um anschliessend Theologie in Bern, Oxford und Zürich zu studieren. Als Pfarrerin arbeitete sie in Ormalingen, am Universitäts-Kinderspital beider Basel, in Hägendorf und Brittnau. In ihrer Freizeit liest sie gerne, schreibt, wandert und fährt Ski. «Ich bin gerne in der Natur, freue mich über ein feines Essen und interessiere mich für Geschichte und Kunst», sagt Bolatzki. Ihre Muttersprache ist Rätoromanisch, das sie noch immer spricht.