Die frittierten Damenschenkel
15.02.2024 BaselbietSchenkeli und Fasnachtsküchlein – das Fasnachtsgebäck
Wurden früher die Fasnachtsküchlein und Schenkeli nach alter Tradition im «Souschmutz» ausgebacken, verwenden die heutigen Bäckereien weniger intensiv riechende Fettstoffe. Auch das Formen der ...
Schenkeli und Fasnachtsküchlein – das Fasnachtsgebäck
Wurden früher die Fasnachtsküchlein und Schenkeli nach alter Tradition im «Souschmutz» ausgebacken, verwenden die heutigen Bäckereien weniger intensiv riechende Fettstoffe. Auch das Formen der Fasnachtsküchlein auf dem nackten Knie ist – vermutlich – aus der Mode gekommen.
Heiner Oberer
Schenkeli. Ups! Sofort die Finger von der Tastatur und überlegen. Darf man in einer Zeit der politischen Überkorrektheit im Zusammenhang eines Fasnachtsgebäcks noch von Schenkeli reden? Oder «cuisses de dames» (Damenschenkel), wie das Schenkeli bei den Franzosen heisst? Oder noch etwas heftiger, wie die Jurassier das pummelige Schenkelchen nennen: «pieds de chèvre». Entwarnung: «Der Ziegenfuss hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun, sondern mit einem ähnlichen Gebäck», schreibt Paul Imhof im Buch «Das kulinarische Erbe der Schweiz». Im Jura hingegen kursiert die Erklärung, dass der Name Ziegenfuss vom Einschnitt im Schenkeli kommt, der an einem Ende der Teigwalze vor dem Ausbacken angebracht wird.
Eine etwas andere Erklärung findet sich um 1787 unter dem Eintrag «Schenkelein» beim deutschen Sprachwissenschaftler Kaspar Stieler: «… im Elsass schenkele zur bezeichnung kleiner, länglicher brödchen …». Ein weiterer Erklärungsversuch sagt, dass das Wort «Schenkeli» vom deutschen Wort «schenken» abstammen könnte. Aber lassen wir die Schenkeli/Schenkel.
Öl statt Schweinefett
Zur Fasnachtszeit sind die Schenkeli nicht mehr wegzudenken. Klassisch wird das Fasnachtsgebäck frittiert. Früher wurden die Schenkeli und die Fasnachtsküchlein im Schweinefett (Schmutz oder Schmalz) ausgebacken. Niklaus Bigler, ehemaliger Redaktor beim Schweizerdeutschen Wörterbuch, sagt: «In vielen katholischen Gegenden zählt der ‹Schmutzig Donschtig› zu den Höhepunkten der Fasnacht.» «Schmutz» meint als Mundartwort nicht irgendeinen Dreck, sondern tierisches Fett. «Es wurde an besagtem Donnerstag noch einmal üppig gegessen, um körpereigene Vorräte für die Fastenzeit anzulegen.»
Was das Wort genau bedeute, sehe man am besten im Sprachatlas: In erster Linie ist es aus Speck gewonnenes Schweinefett. Das trifft namentlich für die westliche deutsche Schweiz zu, das Gebiet Basel - Aarau - Luzern - Bern. Oft werde der Begriff verdeutlicht als «uusgloone Schmutz» oder «Söischmutz», so Bigler weiter.
«Chnüüblätz»
Beim zweiten überregionalen Fasnachtsgebäck ist der Name unverdächtig: Fasnachtsküchlein. Aber halt. Da war doch noch was. Ich kann mich an die Zeit erinnern, als die Lausner Grossmutter zusammen mit meiner Mutter «d Fasnechtschüechli» noch selbst herstellte. Dazumal nannte man die filigranen und zerbrechlichen Küchlein auch «Chnüüblätz».
Den Erzählungen nach kommt der Name daher, weil die Frauen den Küchliteig – angeblich – über dem Knie zu einer hauchdünnen Gebäckscheibe geformt haben sollen. Ob die beiden den Teig wirklich über den nackten Knien zurechtgeformt haben, ist ungewiss. Was aber in Erinnerung blieb, ist der intensive Geschmack des Schweinefetts, der durch das ganze Haus waberte. Und mit welcher Sorgfalt die fertigen Küchlein, mit Puderzucker bestreut, in eine Wäschezeine geschichtet wurden.
Auch andernorts bekannt
Ging eines der zerbrechlichen «Chüechli» in die Brüche, wurde meine Mutter von der Chef-Küchlerin angeherrscht, besser aufzupassen. Naschen war übrigens nicht möglich. Grossmutters wache Augen waren überall.
Paul Imhof schreibt über die Herkunft der Fasnachtsküchlein unter anderem: «Die ältesten Erwähnungen von Fasnachtsküchlein finden sich in den Haushaltsrechnungen des Klosters Klingental von 1445 und 1455.» Diese Fasnachtsküchlein, so Imhof weiter, kannte man als «Chneublätz», «Örlichüechli» oder «Verhabni» auch andernorts in der Nordschweiz entlang des Rheins (sind laut Andreas Morel «nicht genuin baslerisch, sondern wohl ein Import aus dem schwäbischen Raum»). So kenne man das fasnächtliche Gebäck auch in Zürich, in der Innerschweiz und im Wallis.
Nach der Fasnacht beginnt am Aschermittwoch die 40-tägige Fastenzeit. Eine entbehrungsreiche Zeit, mit kulinarisch eher bescheidenen Tagen, da man während dieser Zeit kein Fleisch und keine Eier und lange Zeit auch keine Milchprodukte wie Milch, Rahm, Käse und Butter essen durfte. Um gut genährt in die Fastenzeit zu starten, hat man während der Fasnachtszeit auch kulinarisch nochmals so richtig auf den Putz gehauen. Also nicht nur, um zu feiern, sondern auch, um sich Reserven anzufressen und jene verderblichen Vorräte aufzubrauchen, die man nachher nicht mehr essen durfte. Vor diesem Hintergrund muss man die fasnächtlichen Fest- und Essenstraditionen mit den verschiedenen regionalen Gerichten und Spezialitäten sehen, die seit dem späten Mittelalter entstanden sind.
Nachfrage beim Sissacher Bäckermeister Fredy Gunzenhauser, wie er es mit den Fasnachtsküchlein halte: «Ich mag die Küchlein sehr gerne. Bis vor zehn Jahren haben wir Fasnachtsküchlein noch selbst hergestellt», sagt Gunzenhauser.
Maschinelle Herstellung
Der Kostendruck und der aufwendige Herstellungsprozess seien aber immer grösser geworden. Darum überlasse er die Produktion des beliebten Fasnachtsgebäcks lieber den Grossverteilern. «Die stellen die Küchlein maschinell her. Zudem sind sie weniger fettig, weil sie nur auf einer Seite im Öl frittiert werden. Die andere Seite wird mittels Heizlampen gebräunt.»
Die Schenkeli und Fasnachtsküchlein, zusammen mit der «Faschtewäie», der «Chees»- und «Ziibelewäie» und der «Mählsuppe», sind als typisches Fasnachtsgebäck nicht mehr wegzudenken. Wer weiss: Vielleicht sitzt gerade jetzt irgendwo eine Frau oder ein Mann in der Küche und zieht sich den Fasnachtsküchleinteig über das nackte Knie. «Schön wers.»
«Das kulinarische Erbe der Schweiz», Miniaturen von Paul Imhof; «Das Schweizerdeutsche Wörterbuch», (idiotikon.ch).